Ernährung im Trainingslager - Nutrition Goes Extreme

von Olaf Sabatschus für tri2b.com | 30.03.2006 um 00:00
Das Trainingslager im Frühjahr gehört mittlerweile zum guten Ton im Triathlonsport. Für den Profi, der es mehrmals im Jahr durchführt, ist es kein ungewohntes Terrain mehr. Den Anfänger stellt es unter anderem vor das Problem, mit dem stark erhöhten Kalorien- und Nahrungsumsatz umzugehen. Die richtige Auswahl kann helfen, Defizite zu vermeiden – und das Training so optimal unterstützen.

Kohlen ins Feuer – der Energiebedarf
Pro Stunde Training auf dem Rad verbrauchen wir bei GA1-Tempo (23 bis 30km/h im Schnitt) zwischen 500 und 900 kcal bzw. 2000 bis 3600 kJoule. Beim Laufen verbrennen auch langsamere Athleten schon fast so viel wie schnellere im GA1 Bereich, da sie meist etwas mehr wiegen und das Tragen des Körpergewichtes bei langsamem Tempo einen großen Anteil am Energieverbrauch ausmacht. Beim ruhigen Laufen liegen die Werte normalerweise zwischen 600 und 900 kcal pro Stunde bei 12-15 km/h (5min/km bis 4min/km). Wenn wir mit einem durchschnittlichen Trainingsaufkommen von 3,5 Stunden pro Tag rechnen, so liegt der Zusatzverbrauch an Energie im Trainingslager bei ca. 2.600 kcal bzw. 11.000 kJoule. Unser Grundumsatz kommt dazu: etwa 11.000 kJoule (Männer) bzw. 9.500 kJoule(Frauen).

  Der Autor Olaf Sabatschus, Triathlonprofi und Ernährungs-
wissenschaftler, hat in den letzten beiden Jahren den IRONMAN Brasil gewonnen. Beim IRONMAN Hawaii konnte sich der Troisdorfer bereits drei Mal unter den Top-10 platzieren.
 

Damit wir den Aufbau unserer Leistungsfähigkeit optimal unterstützen, sollten wir diese Energiemenge (in unserem Beispiel etwa 21-22.000 kJoule) zumindest annähernd mit der Nahrung wieder zuführen.(Im Anhang eine Tabelle mit einem Beispiel-Tagesplan, der die dafür notwendigen Mengen verdeutlicht). Der wichtigste Brennstoff sind zunächst die Kohlenhydrate, unsere effektivsten Energielieferanten für sportliche Leistungen. Wir sollten daher einen hohen Kohlenhydratanteil in unseren Mahlzeiten anstreben, 60-65% sollten es etwa sein. Diesen Anteil erreichen wir nur, wenn wir allzu fette Speisen meiden.

Substanzaufbau – der Proteinbedarf
Eine ausreichende Versorgung mit Proteinen ist für die Leistungsentwicklung und das Immunsystem wichtig, bei abwechslungsreicher Kost sind wir im Regelfall gut versorgt. In folgenden besonderen Situationen

  • zu wenig Nahrungsaufnahme während einer langen Trainingseinheit
  • extreme Nährstoffrelationen (weniger als 8-10 Prozent Eiweißanteil – z.B. möglich bei schlecht informierten Vegetariern)
  • Gewichtsreduktionsdiät während des TL (bewusst oder unbewusst!)

ist eine Supplementierung mit Eiweiß hilfreich. Im ersten Fall helfen vor allem solche Präparate, die eine ausreichende Menge Glutamin enthalten. Dies ist eine Aminosäure, die unter anderem von verschiedenen Immunzellen benötigt wird und auch zur Kohlenhydratneubildung bei Energiemangel herangezogen wird. In den anderen Fällen ist auf eine hohe biologische Qualität (Ausnutzungsrate = aufgebautes Körpereiweiß in Gramm pro Gramm zugeführten Proteins) des Supplementes zu achten, um den Stoffwechsel nicht unnötig zu belasten.

Die zuzuführende Menge mit einem solchen Präparat sollte individuell ermittelt werden, im Regelfall lässt sich aber eine Menge von 20-40g/Tag zusätzlich zugeführtes Eiweiß als adäquat annehmen, wenn die o.g. Kriterien der Mangelversorgung mit Protein zutreffen. Da eine Überversorgung mit zusätzlicher Stoffwechselbelastung, Wasser- und Mineralstoffverlusten einhergeht, sollte diese Menge nicht überschritten werden.

Schwitzen und Co. – Bedarf an Wasser und Salz Der erhöhte Trainingsumfang führt natürlich auch zu erhöhten Schweißverlusten, sprich: Wasser- und Mineralstoffbedarf erhöhen sich dementsprechend (Bei den Vitaminen ist hier nur das Vit. C zu beachten!). Pro Stunde Sport können wir damit rechnen, einen zusätzlichen Wasserbedarf von mindestens 1 Liter zu haben. Und pro Liter Schweiß verlieren wir im Wesentlichen die folgende Menge an Mineralien:

 Element    Durchschn. Verlust/Liter Schweißflüssigkeit
 Natrium    1200 mg
 Kalium    180 – 300 mg
 Magnesium    12 – 36 mg
 Calcium    52 – 140 mg
 Eisen    1,2 mg
 Vitamin C    50 mg


Die häufigsten Defizite bei Ausdauerathleten liegen beim Magnesium sowie beim Eisen (meistens bei Frauen). Eine salzarme Kost (Natriumarm) ist im Trainingslager nicht angebracht. Eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl hilft, auch bei den Mineralstoffen einen Mangel zu vermeiden, in der Regel sind wir dann gut versorgt, wenn wir unseren Energiebedarf mit einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Nahrung decken. Im Einzelfall kann eine Mineralstoffgabe helfen – es gibt durchaus starke individuelle Schwankungen im Bedarf. Eine Supplementierung sollte ohne ärztliche Verordnung höchstens in der Höhe wie in der folgenden Tabelle notiert, erfolgen: (siehe Tabelle, DGE Empfehlungen Tageszufuhr, Werte für 19-25 Jahre, männlich).

 Element Gute Nahrungsquellen    lt. DGE pro Tag
 Magnesium Vollkorn, Milch(-produkte), Leber, Geflügel, Fisch, Kartoffeln, Gemüse, Sojabohnen, Beerenobst, Bananen, Orangen    400 mg
 Eisen Brot, Fleisch, Wurstwaren, Gemüse (Brot und Gemüse wegen Häufigkeit und Menge des Verzehrs)    12 mg
 Vitamin C Obst, Obstsäfte    100 mg
 KH-reiche LM Brot, Müsli, Pasta, Reis, Pudding, Cerealien, Trockenobst, Säfte, Kekse, Riegel ...  
 Gute Protein-Quellen Milch(-produkte), Fleisch, Kombinationen: Kartoffeln mit Ei oder Milch/ -produkten, Milch/ -produkte und Getreide, Getreide und Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen, Sojabohnen oder Sojabohnenprodukte wie Tofu), Getreide mit Eiern, Getreide und Fleisch, Weizen und Fisch  


Gut essen ist die halbe Miete
Morgens eignet sich ein Kohlenhydrat-lastiges Frühstück. Man sitzt ja meist bis über den Mittag hinaus auf dem Rad. Also: Gut versorgt sind wir z.B. mit Müsli (Gute Protein- und Kohlenhydrat-Quelle in einem) und dazu Obst (Vitamin C, Mineralstoffe) und Saft. Ein Kaffee in Ehren trägt übrigens sogar zur Magnesiumversorgung bei. Auf dem Rad sind ideale Getränke Fruchtsaftschorlen (Kohlenhydrate und Vitamin C, Kalium, Magnesium etc.), Isodrinks (enthalten meist alles wichtige, was man durch das Schwitzen verliert). Daneben sollten Riegel, Trockenobst, Kohlenhydrat-Konzentrate (Gels, Pulver zum Anrühren etc.), und Wasser unsere Begleiter sein, die wir in regelmäßigen Abständen zu uns nehmen.

Falscher Mythos – „Fettstoffwechseltraining“ birgt Risiken
Für ein vernünftiges Training benötigen wir je nach Tempo zwischen 50 und 100g Kohlenhydrate pro Stunde. Ein ideales Getränk wäre ein Mix aus 1 Liter Wasser mit ca. 1,5 g Kochsalz (ca. 500mg Natrium) und 5-8 Prozent beliebigem Kohlenhydrat (Maltodextrin ist das „magenfreundlichste“). Diese Rezeptur sorgt für eine schnellstmögliche Aufnahme und somit kontinuierliche Leistungsfähigkeit während des Trainings. Ein Liter davon pro Stunde versorgt uns also während des Trainings schon fast ausreichend. Wenn wir lange unterwegs sind oder viele Berge oder ein hohes Tempo fahren, dann helfen weitere Kohlenhydrate (Riegel, Gel etc.) über den Energieberg. Von einem so genannten „Fettstoffwechseltraining“, früher oft noch in der Literatur zu finden, ist abzuraten; dies sorgt eher für eine schlechte Umsetzung des Trainings, eine zu geringe Trainingsintensität und birgt die Gefahr von häufigen Infektionen.

Nach dem Training ist die Aufnahme von Kohlenhydraten in die geleerten Muskelspeicher am schnellsten. Dieser Effekt ist in den ersten zwei Stunden am größten und hält für etwa sechs Stunden an. Wir tun also gut daran, bereits in den ersten Minuten nach Beendigung des Sports etwas zu essen und zu trinken. Bei mehreren Einheiten pro Tag helfen schnell aufzunehmende Kohlenhydrate (hoher glykämischer Index), möglichst flott wieder fit zu sein. Zum Beispeil könnte man dann Rosinenbrot mit Honig essen. Praktikabel ist das Konzept des hohen glykämischen Index allerdings nur kurzfristig, da man auf die Dauer zu wenig Abwechslung hätte. Einige Beispiele:

 Nahrungsmittel Glykämischer Index
 Maltose (Malzzucker) 110
 Glucose (Traubenzucker) 100
 Weiße Rüben 97
 Karotten 92
 Honig 87
 Vollweizenbrot 72
 Kartoffeln 70
 Weizenflocken 67
 Müsli 66
 Naturreis 66
 Rosinen 64
 Bananen 62
 Saccharose (Haushaltszucker) 59
 Kleie 51
 Haferflocken 49
 Weintrauben 45
 Roggen-Vollkornbrot 42
 Vollkornnudeln 42
 Orangen 40
 Bohnen, Konserve 40
 Äpfel 39
 Joghurt 36
 Birnen 34
 Erbsen 33


Wichtig: Das Trinken nach den Trainings nicht vergessen - Kohlenhydrate werden zusammen mit Wasser in der Muskulatur gelagert!

Dinner for one – please not the same procedure every day!
In der Abendmahlzeit sollten wieder vorwiegend Kohlenhydrate enthalten sein. Neben der vielen Pasta, Reis und Kartoffeln dürfen wir aber Gemüse und Obst und auch Proteinquellen wie Fleisch und Fisch nicht vergessen. Abwechslung ist gefragt, dann sind wir auf der sicheren Seite mit allen Nährstoffen! Vorsicht bei Soßen, Überbackenem etc. – hier ist oft der Fettgehalt besonders hoch und wir sind zu schnell satt, um eine optimale Menge an Kohlenhydraten aufnehmen zu können. Übrigens: Als Nachtisch empfiehlt sich Obst, Pudding, auch mal Kuchen, aber: am besten den Früchtekuchen oder Trockenkuchen der Sahneversion vorziehen.

Vegetarier haben es nicht leicht: Wer auf Milch(-produkte), Fleisch- und Wurstwaren, Fisch und Eier verzichtet, hat zum einen die Schwierigkeit, etwas für ihn geeignetes am Buffet zu orten. Zum anderen ist eine sehr bewusste Lebensmittel-Auswahl bezüglich Protein, Eisen, Calcium und Vitamin B12 zu treffen - ohne Supplemente ist es für einen ambitionierten Ausdauersportler praktisch unmöglich, in diesen Punkten ausreichend versorgt zu sein.

Beispiel-Ernährungsplan

     
Portion

Energie

Fett
Kohlen-
hydrate

Eiweiß

H2O
        4979 kcal 141 g 749 g 155 g 7339 g
                 
 Frühstück                
 Vollkornbrot 2  Scheiben 45 g 169 kcal 863 mg 33,8 g 5840 mg 39,7 g
 Wurst 1  Portionen 25 g 88,7 kcal 7,7 g 55,8 mg 5020 mg 11,1 g
 Käse 20-40% Fett 1  Portionen 30 g 73,1 kcal 4590 mg   7860 mg 16 g
 Müsli, trocken 5  Esslöffel 15 g 264 kcal 5450 mg 45 g 7820 mg 8610 mg
 Cornflakes, trocken 2  Tassen 20 g 142 kcal 240 mg 31,6 g 2860 mg 2280 mg
 Kaffee 2  Tassen 150 g 6450 cal   900 mg 600 mg 298 g
 Zucker 2  Teelöffel 5 g 40,5 kcal   9980 mg   12 mg
 Trinkmilch 3,5% Fett 3  Gläser 200 g 385 kcal 21 g 28,6 g 19,8 g 525 g
 Joghurt fettarm mit
 Früchten 1,5 % Fett
1  Becher 150 g 124 kcal 1920 mg 21,2 g 4410 mg 119 g
 Orange Fruchtsaft 2  Gläser 200 g 180 kcal 660 mg 35,2 g 3,7 g 353 g
                 
 Auf dem Rad, vor
 dem Laufen
               
 Power Bar Riegel 1  Stück 65 g 233 kcal 2470 mg 42,3 g 9750 mg  
 Powerade 3  Radflasche 500 g 499 kcal   123 g   1380 g
 Trinkwasser 8  Gläser 200 g         1,6 kg
 nach dem Rad, vor
 dem Laufen
      2350 kcal 82,4 g 312 g 80,5 g 2830 g
 Limonade, Cola 3  Gläser 200 g 306 kcal   62,4 g 9960 mg 523 g
 Kekse 12  Stück 5 g 273 kcal 12,5 g 36,2 g 3,8 g 4860 mg
                 
 Abendessen                
 Putenschnitzel 1  Stück 125 g 85,4 kcal 2 g 3450 mg 13,1 g 104 g
 Reis, gekocht 2  Tassen 100 g 223 kcal 440 mg 49 g 4850 mg 144 g
 Gemüse-Lasagne 1  Portionen 400 g 549 kcal 26,1 g 51,3 g 26,5 g 274 g
 Ratatouille 2  Portionen 200 g 198 kcal 14 g 12 g 5380 mg 356 g
 Gemüse, gedünstet 1  Portionen 200 g 67,5 kcal 604 mg 9520 mg 5360 mg 175 g
 Salat, angemacht 2  Portionen 120 g 156 kcal 13 g 6180 mg 2840 mg 211 g
 Mineralwasser 3  Gläser 200 g         598 g
 Bier alkoholfrei 1  Gläser 300 g 76,7 kcal   16,1 g 1140 mg 281 g
 Obstkuchen 2  Stück 100 g 458 kcal 17,76 g 68,4 g 4,6 g 102,4 g
 Pudding 2  Schälchen 150 g 380kcal 9,66 g 62,6 g 9,3g 216 g