Altersgerecht: Triathlontraining für Best Ager

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 05.03.2014 um 00:00
Bei den Olympischen Spielen konnte man sie bewundern: Medaillengewinner im Skispringen und Biathlon jenseits der 40. Triathlon als Langzeitausdauer-Sportart ist dabei noch wesentlich prädestinierter, wenn es um Höchstleistungen jenseits der vierten Lebensdekade geht. Beispiele gefällig: Beim Ironman Hawaii purzelten im Jahr 2013 insgesamt 15 Altersklassen-Rekorde. Die Altersklassen 40 und 45 sind mittlerweile bei den meisten Triathlonrennen die am stärksten frequentierten. Um seine sportlichen Ziele auch im höheren Athleten-Alter zu erreichen und zudem gesund zu bleiben, stellen sich aber ganz besondere Anforderungen an das Training. Der Schweizer Triathlon-Coach Roy Hinnen hat uns Antworten zum altersgerechten Triathlontraining gegeben.

 tri2b.com: Welche Probleme stellen sich bei älteren Ausdauersportlern und Triathleten - 40 Jahre und älter - leichter ein, als im Hochleistungsalter zwischen 25 bis 35 Jahre?
Roy Hinnen (R.H.): Ältere Athleten sind schneller übersäuert, da sie weniger Wasser speichern können. Sie sind oft festgefahrener was, die Art und Weise der Trainings- und Essgewohnheiten angeht. Bei Athleten, die über 20 Jahre Ausdauersport machen, kann es zudem zu Gelenkproblemen kommen. Die Ernährung ist hier sehr wichtig. Eine basisch ausgelegte Ernährung hilft die Säure im Körper abzubauen. Ich rate allen mal an ihrem T-Shirt zu schnüffeln am Tag nach dem Training. Wenn es unangenehm stinkt, dann entgiftet der Athlet über die Haut und nicht wie es sein sollte übers Atmen, den Urin und den Stuhl.

tri2b.com: Wohin verschieben sich die Trainingsschwerpunkte im höheren Alter?
R.H.: Da muss man zu allererst die Frage stellen: Willst du fit oder schnell sein? Fit sein geht mit zwei, drei Stunden radeln in der Woche und etwas laufen. Heißt die Antwort "schnell sein", zum Beispiel einen Ironman auch mit 50 Jahren noch um die zehn Stunden finishen, dann muss er ganz spezifisch auf sein Ziel hinarbeiten. Leider machen dies sehr wenige. Ich rate meinen Athleten, wenn sie sich für einen Ironman angemeldet haben, ab und zu geplante Überdistanzen zu trainieren, in der "back to back-Variante". Dass heißt, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen wird im Radfahren und Laufen sehr umfangreich trainiert. Wie denn sonst will man diese langen Distanzen gut meistern. Sicher nicht, indem ich zwei Stunden radle und danach ein wenig jogge. Hier muss ganz bewusst die Wohlfühlzone teilweise verlassen werden, um wettkampfspezifisches Training zu machen. Dafür ist im Anschluss dann drei bis fünf Tage ganz locker angesagt.

tri2b.com: Wobei wohl sicher unterschieden werden muss, ob der Athlet oder die Athletin schon seit den Jugendjahren im Ausdauersport unterwegs ist, oder es sich um "Spätberufene" handelt, die erst jenseits des 30. Lebensjahres mit dem Triathlontraining begonnen haben?
R.H.: Für Athleten mit langjähriger Erfahrung und guter Trainingsgrundlage gilt ganz grundsätzlich mehr Intensität rein zu bringen. Allerdings immer kombiniert mit ganz langsamen Trainings und der richtigen Ernährung. "Long Rides" und nichts dabei essen, dafür dann aber am Abendtisch reinhauen, bringt nichts. Für Athleten, die neu im Triathlonsport sind, gilt es zuerst mal die Grundlage zu erarbeiten und nicht zu schnell und zu heftig trainieren. Ganz wichtig ist es hier, neben dem Ausdauertraining, schon von Anfang an mit Core-Stability-Übungen zu arbeiten.



Roy Hinnen
Der frühere schweizerischen Triathlonprofi Roy Hinnen blickt auf 28 Jahre Erfahrung im Ausdauersport und Triathlon zurück. Heute bietet der fünfmalige Schweizer Meister seinen Kunden ein individuelles, umfangreiches Triathlon-Coaching an. So gehören neben der Trainingsplanung auch mehrmalige gemeinsame Trainings, Meetings und Wettkampfbegleitung zum Angebot, inklusive spezieller Ernährungsplanung und Computeranalysen zur Verbesserung der Lauf- und Radtechnik. www.triathloncoach-royhinnen.ch

tri2b.com: Triathlon-Späteinsteiger haben oft Probleme, im Schwimmen über ein bestimmtes Niveau hinaus zukommen. Welche Empfehlungen gibt es hier?
R.H.: Schwimmen setzt sich vom mentalen Gesichtspunkt ganz anders zusammen als Laufen und Radfahren. Eiserner Wille und Power bringt im Wasser nur bedingt Vorschub. Schwimmen ist die dritte Dimension. Wer nicht gut schwimmt, ist zweidimensional, auch nicht schlecht, aber halt kein richtiger Triathlet. Er ist eigentlich ein Duathlet, der Triathlon macht. Hier hilft es mental zu arbeiten und spezielle Rituale auszubauen. Der Athlet muss lernen zu fühlen, weich zu sein wie das Wasser. Das hat für viele dann nichts mehr mit dem harten Ironman-Feeling zu tun. Dabei ist entscheidend, sich im Wasser wahrzunehmen, zum Beispiel zu fühlen wo die Hand gerade im Wasser ist. Gute Schwimmer starten im Training deshalb ganz locker in die ersten Bahnen. Beim Ironman-"Showman" schaut das oft anders aus. Da sind nur die ersten zwei, drei Bahnen schnell, wenn alle im Freibad herschauen.

tri2b.com: Ein andere Problemstellung gibt es oft, wenn es ums Laufen geht. Wie sollte ein Lauftraining von der Struktur aufgebaut sein, damit auch ein anfälliger Athletenkörper die "Long Jogs" für einen Ironman verkraftet?
R.H.: So viel wie möglich auf dem Rad machen, damit der Stoffwechsel schon richtig läuft. Wenn die Form da ist und auch das Körpergewicht passt, dann folgt Koppeltraining. Wobei es keinen Sinn macht, in solchen Fällen noch zwei Stunden drauf zu laufen. Besser richtig lange Rad fahren, zum Beispiel sechs Stunden, und dann noch einen Zehn-Kilometerlauf dran hängen. Zu den langen Läufen im Triathlontraining ist generell zu sagen, dass ich hier zwei bis zweieinhalb Stunden als Obergrenze sehe.

tri2b.com: Erfahrene Triathleten, mit vielen Jahren Trainingserfahrung, trainieren oft über Jahre sehr gleichförmig. Wie schafft man es, solch eingefahrene Strukturen aufzubrechen?
R.H.: Indem sie sich auch privat neue Ziele setzen und sich so auch im Training neu orientieren. Es wäre schade, wenn das Training neben dem Beruf der ganze Lebensinhalt ist. Mir würde das nicht reichen und ich pushe meine Athleten immer auch mental zu arbeiten und sich selber neu zu erfinden. Ein so fitter und gesunder Athlet muss dann auch weniger trainieren.

tri2b.com: Gehen wir in der Alterspyramide noch etwas nach oben. Irgendwann sind die biologischen Grenzen erreicht und Leistungsverbesserungen sind nicht mehr möglich. Wie gehen Athleten mit dieser unausweichlichen Situation am besten um?
R.H.: Der Fokus sollte hier auf der Gesundheit liegen und nicht mehr die Pokalvitrine. Wer sich danach richtet, richtig isst und danach lebt, hat große Vorteile. Meine Empfehlung für die "Triathlon-Senioren" ist, alles sehr bewusst und für sich zu machen.