Frühstart: Vorbereitung auf einen frühen Langdistanz-Triathlon

von Joseph Spindler für tri2b.com | 31.03.2013 um 00:00
Es gibt sie noch, die Abenteurer unter den Triathleten! Jene Wagemutigen, die Triathlon als Herausforderung leben und einen Ironman in seiner Monumentalität respektieren. Jene Athleten, die auf ihre Klasse vertrauen und nicht auf eine immer doch irgendwie flüchtige Fitness, die sie sich erst mühsam antrainieren müssen. Jene Athleten, die ihr Rad im Koffer verpackt lassen – vom letzten bis zum nächsten Rennen – und damit mühelos die klebrige Patina des über den Rahmen verspritzten Energiegetränks von Wettkampf zu Wettkampf konservieren.

Der Triathlon hält zwei große Herausforderungen parat: Ihn so schnell wie möglich zu bewältigen. Oder ihn mit weniger Training zu bewältigen, als das Rennen Kilometer hat. Training? Nein danke! Wasser zum Duschen verwenden, Turnschuhe als Türstopper und das Rad nur, um die Spiele des örtlichen Fußballvereins live zu verfolgen...

Doch für uns andere, die wir über weniger Klasse oder Wagemut verfügen, ist es unumgänglich, die Herausforderung Langdistanz durch regelmäßiges Training und gute Vorbereitung in ein bezwingbares Ereignis zu verwandeln. Aufgrund des Winterwetters in Europa, das ein „normales“ Triathlontraining in der Regel deutlich erschwert, gilt das insbesondere für die frühen Rennen der Saison: Challenge Wanaka, Ironman Neuseeland,  Ironman Südafrika, Koh Samui Triathlon und den Ironman Lanzarote, der seit über 20 Jahren die europäische Langdistanz-Saison eröffnet. Diese Rennen müssen gut und anders vorbereitet werden als die klassische Langdistanz-Triathlons im Sommer.

Bei der Vorbereitung eines solch frühen Rennens hat es sich bewährt, wie folgt vorzugehen:
1) Festlegung des Rennens
2) Festlegung des Trainingslagers (Ort und Zeitpunkt)
3) Inhalte des Trainingslagers
4) Inhalt und Struktur des Wintertrainings bis zum Camp

Das richtige Rennen wählen


Es gibt viele Gründe, einen Ironman zu machen (und darunter ist der Wunsch ein fernes Land zu besuchen nicht der schlechteste), trotzdem sollte man sich vorher genau über die Anforderungen und die Bedingungen des Wettkampfs informieren, um sich nicht zu überfordern. Wie ist das Streckenprofil? Wie sind die klimatischen Bedingungen – Hitze, Luftfeuchtigkeit, Wind? Und wenn der Hauptgrund die Quali für Hawaii ist: Wie gut ist das zu erwartende Teilnehmerfeld?
Kurz charakterisiert, würde ich Abu Dhabi und Melbourne aufgrund ihres flachen Streckenprofils als „leichte“ Rennen einstufen, Wanaka, Taupo, Südafrika als „mittel“ und Los Cabos, Samui und Lanzarote aufgrund der klimatischen und geographischen Bedingungen (Hitze, Wind, Anstiege) als „schwer“. Grundsätzlich gilt: Je härter das Rennen ist, umso länger sollte die Vorbereitung sein und umso mehr Zeit sollte für ein (oder zwei) Trainingslager zur Verfügung stehen.



Trainingslager


Die schlechte (oder gute) Nachricht ist, dass ich keinem empfehlen kann, ein so frühes Rennen ohne ein Trainingslager in Angriff zu nehmen. Grundsätzlich ist auch im europäischen Winter ein gutes Triathlontraining möglich. Das Problem ist lediglich, dass dieses Training nicht spezifisch genug für einen frühen Wettkampf ist. Das betrifft vor allem das Radfahren (zu wenig Zeit in der Aeroposition), in vermindertem Umfang auch das Laufen (Bewegungsmuster, Abdruck) sowie die klimatischen Bedingungen (Kälte, Hitze). Für diese Anpassungen ist ein Trainingslager notwendig. Wobei Zeitpunkt und Inhalt dieses Camps anders gewählt werden müssen, als bei einem Camp zur Vorbereitung auf ein Rennen im Sommer. Ich empfehle, das Trainingslager möglichst nahe an den Wettkampf zu legen!

Zeitpunkt des Camps nah am Wettkampf


Idealerweise fährt man vier Wochen vor dem geplanten Rennen für zwei Wochen ins Camp. Dann eine Woche nach Hause. Und in der folgenden Woche zum Rennen. Eine gute Alternative ist auch, drei Wochen vor dem Wettkampf ins Camp zu fahren und dann direkt vom Camp zum Rennen. Reist man gleich an den Wettkampfort, spart man sich hiermit zudem Flugkosten und Reisetage.

Wirklich wichtig ist es, sich genau und schon vor der Reise über die Trainingsbedingungen vor Ort zu informieren. Gibt es einen Pool? Gibt es gute Rad- und Laufstrecken? Beispielsweise ist in Abu Dhabi ein Radtraining aufgrund des Verkehrs nur unter Lebensgefahr möglich. In Melbourne wird es ebenso schwierig werden, draußen zu fahren. In Südafrika hängt es sehr davon ab, in welcher Region oder Stadt man sich aufhält.

Für das Rennen in Abu Dhabi haben sich meine Athleten Diana Riesler und Per Bittner dieses Jahr sehr erfolgreich auf Lanzarote vorbereitet und sind dann von dort direkt nach Abu Dhabi geflogen. – Für sein Rennen in Melbourne ist Per dagegen drei Wochen vor dem Wettkampf nach Australien gereist, hat dort aber an der Westküste trainiert und ist erst drei Tage vor dem Rennen an die Südküste nach Melbourne geflogen. Eine gründliche Reiseplanung ist für den Erfolg eines so frühen, weit entfernten Trainingslagers und Rennens entscheidend!


Inhalte des Camps: Wettkampfsituation dosiert simulieren


Ein Trainingslager so nahe an einen Wettkampf zu legen, erfordert vor allem eines: Eine gute Selbstkontrolle des Athleten. Er darf nicht zu viel und nicht zu intensiv trainieren. Wenn man sich in der ersten Woche im Camp abschießt wird es schwer, zwei Wochen später einen ordentlichen Wettkampf zu machen. Ein Hauptaugenmerk liegt auf dem Radfahren: Bei frühen Rennen treten oft Überlastungsbeschwerden auf, die den Athleten zum Aufgeben zwingen. Oft sind die rückseitige Oberschenkelmuskulatur überlastet oder die Sehnenansätze des Gesäßmuskels. Probleme machen gerne auch Rücken, Nacken oder Knie. Deshalb sollte im Camp ein eindeutiger Schwerpunkt auf langen Zeitfahrintervallen liegen. Die Intensität sollte ungefähr auf Wettkampfniveau sein oder unwesentlich darüber. Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf längeren, betont lockeren Ausfahrten mit möglichst viel Zeit in der Aeroposition liegen.
Je nachdem auf welchem Untergrund man im Winter gelaufen ist (Laufband oder draußen auf Matsch/Schnee/Eis) ergibt sich unter trockenen Bedingungen vor allem beim Abdruck ein verändertes Bewegungsmuster. Auch hier ist darauf achten, die Muskulatur nicht zu überlasten.

Umgekehrte Periodisierung


Vereinfacht gesagt trainiere ich mit meinen Athleten kurz und intensiv im Winter und in der direkten Wettkampfvorbereitung dann eher extensiv und lange. Ich bin bereits in meinem letzten Artikel: (Rollentraining – Mit Schwellentraining zur Top-Radform) kurz auf dieses Trainingsprinzip eingegangen. Zum ersten Mal auf diese Form der Vorbereitung aufmerksam geworden bin ich, als der schwedische Triathlet Clas Björling im Jahr 2004 Zweiter beim Ironman Neuseeland wurde. Trotz einer Vorbereitung im schwedischen Winter und Laufeinheiten fast ausschließlich auf dem Laufband lief er den Marathon damals in 2:42 Stunden. Ich habe dieses Trainingsprinzip dann u.a. bei Jack Daniels wieder gefunden und natürlich auch bei Brett Sutton. Seit mehreren Jahren wende ich es erfolgreich mit meinen Athleten an – und nicht nur für die Vorbereitung auf frühe Rennen.

Das Wintertraining besteht dabei dann aus relativ hohen Schwimmumfängen, relativ kurzen, intensiven Laufband- und Rolleneinheiten und - wenn möglich - längeren Skilanglaufeinheiten. So lässt sich eine erstaunliche Fitness aufbauen. Das einzige Problem ist dann nur, diese Fitness auch auf die Straße zu bringen. Der Motor ist groß, und vielleicht ein bisschen zu groß für das Fahrgestell. Ein zweiwöchiges Trainingslager, wie oben beschrieben, funktioniert aber als hervorragendes Bindeglied zwischen Wintertraining und frühem Langdistanzwettkampf. Zudem garantiert es zeitgleich auch eine optimale klimatische Anpassung.

Tapering knapp gehalten


Klassischerweise wird bei einer Langdistanz im Sommer über zwei bis drei Wochen getapert und die Form nach dem letzten Belastungsblock schrittweise zugespitzt. Dies entfällt bei dieser Art der Periodisierung auf ein frühes Rennen. Es gibt ein Mini-Tapering in der Wettkampfwoche. Ansonsten wird mit relativ hohen Umfängen, aber verringerten Intensitäten bis kurz vor den Wettkampf trainiert.