Das Ironman-Duell: "Es ist wohl klüger, zu reagieren!"

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 15.08.2002 um 17:30
Katja Schumacher und Paula Newby-Fraser trainieren viel gemeinsam und sind eng befreundet. Am Sonntag beim Ironman Germany wird man das kaum bemerken ...

Als Katja Schumacher den halben Donnerstagmorgen am Frankfurter Airport auf die Ankunft der amerikanischen Freunde warten musste, fühlte sie sich in ihrer ausgeklügelten Vorbereitung auf den Ironman Germany mal wieder etwas aus dem Tritt: Während die große Konkurrentin Paula Newby-Fraser in ihrer sprichwörtlich akribischen Vorbereitung ein letztes Mal den Radkurs für den kommenden Sonntag in Augenschein nahm, haderte Schumacher sogar ein wenig mit den letzten Wochen der Vorbereitung auf ihr Heimspiel. In Topform hatte sie sich zuletzt beim schweren Bundesliga-Rennen am Schliersee präsentiert, als sie sogar mit den Kurzstrecken-Spezialistinnen mithalten konnte und am Ende hervorragende Vierte wurde. Doch dann kam eine heftige Bronchitis – Antibiotika und Bettruhe ließen aus gespannter Vorfreude eher nervöse Unsicherheit werden. Bloß nicht vor der Queen erstarren ... Eine Paula Newby-Fraser ist im Ironman nicht so leicht zu überraschen. Und sie beherrscht den Vorstart-Poker perfekt: Die komplizierten Kurvenpassagen und das Kopfsteinpflaster auf der Radstrecke lägen ihr gar nicht und die Laufstrecke mit ihren langen Geraden sei doch psychisch sehr hart, streute sie zielsicher in die Ohren ihrer Konkurrentinnen. – Doch zumindest das zweite Argument zählt nicht, denn wo wohl verliert sich der Blick auf der Marathonstrecke so sehr, wie gerade auf Hawaii? Wer in Frankfurt an der Queen of Kona vorbei möchte, muss sich lösen aus ehrfürchtiger Erstarrung und früher oder später ein Risiko eingehen. Denn die vier Jahre des Rückzugs aus der Weltspitze sind für Paula Vergangenheit. Spätestens nach dem fünften Sieg in Japan zum Anfang der Saison – „PNF“ erlebt derzeit ihren dritten Frühling und will es wohl in Frankfurt noch einmal wissen. Ihre Weltbestzeit von 8:50:53 Stunden stammt aus Roth, von ihrem letzten Auftritt in Deutschland. Der liegt sieben Jahre zurück. Vielleicht freut sich ja auch eine Dritte ... Aber da ist die inzwischen Vierzigjährige nun wieder ganz dicht dran, behaupten Katja Schumacher und Liz Vitai. Und die könnten es eigentlich wissen. Beide sind mit Paula gut befreundet und trainieren regelmäßig gemeinsam in Encinitas, nördlich von San Diego in Kalifornien. Nina Fischer dagegen kennt die aus Zimbabwe stammende Ironman-Legende noch nicht so gut. Das befreit von taktischen Detailüberlegungen. Die tempoharte DTU-Athletin ist Kurzstrecken-Spezialistin und dürfte als Erste vom Langener Waldsee in das Zeitfahren starten. Vielleicht schaut sie dann gar nicht zurück und nutzt die Chance des „Dark Horse“. Joanne King jedoch wird sich schon im Wasser sputen müssen, sonst erlebt sie noch ein Déjà-Vu. In Australien bezahlte sie ihre Radführung im Frühjahr mit dem Ausstieg nach der halben Marathonstrecke. Die Roth- und Nizza-Siegerin von 1999 braucht dringend ein Erfolgserlebnis, doch der Testwettkampf vor drei Wochen in Immenstadt ließ viele Fragen offen. Mit der Entscheidung hatte das Talent aus Down-Under nämlich im Allgäu schon nach dem Schwimmen gar nichts mehr zu tun. Trotzdem steht sie bei Katja Schumacher weit oben auf der Setzliste. Am Liebsten erst im Schlussspurt ... Bleibt also Newby-Fraser doch der Maßstab? „Deren Erfahrung ist kaum aufzuwiegen“, meint Schumacher und will sich nun, frisch genesen, darauf beschränken zu reagieren. Auch wenn vielleicht Fischer oder King auf dem Rad davonziehen sollten, würde die Heidelbergerin das direkte Duell mit PNF wählen und dabei von deren Rennübersicht profitieren. Weil Katja Schumacher seit drei Wochen nicht mehr genau weiß, wo sie steht, ist ihr Lieblingsszenario der gemeinsame Wechsel in die Laufschuhe. Auge in Auge mit Paula Newby-Fraser – nicht davor, nicht dahinter. „Paula wird wahrscheinlich in der zweiten der drei Laufrunden die Entscheidung suchen, da muss ich dann dranbleiben. Einen Schlussspurt könnte ich wohl für mich entscheiden“, gibt Schumacher ein wenig Einblick in ihre profunde Kenntnis der 23-fachen WTC-Titelträgerin aus Kalifornien. Dann wäre wohl doch wieder alles offen im Kampf um den ersten Ironman Germany-Titel.