Der Dopingfall Collin Chartier: So reagiert die Triathlon-Szene – so antwortet der Dopingsünder

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 25.04.2023 um 10:17
Nach dem Bekanntwerden des Dopingfalls von Collin Chartier kochen die Emotionen in der Triathlon-Szene hoch. Viele namhafte Triathlonprofis, darunter auch Sebastian Kienle und Ben Hoffman, gaben sich mit dem lapidaren „I am sorry“-Post“ von Chartier, in dem er seine persönliche psychische Drucksituation als Grund für das EPO-Doping darlegte, nicht zufrieden. Der übereinstimmende Tenor war, dass der US-Amerikaner etwas über eventuelle Unterstützer sagen muss, um wirklich glaubhaft zu sein. Wenige Stunden später stellte sich der 29-Jährige im Podcast „How they train“ dann genau diesen Fragen und sorgte dort für einen elementaren Widerspruch.

Innerhalb weniger Stunden war Chartiers Dopingbeichte auf Instagram über 500-mal kommentiert worden. Sebastian Kienle war dabei einer der ersten Pros, der die aufgetischte Geschichte in Frage stellte. „Lass mich wetten, du hat das Zeug im Internet gekauft und dir dort auch die Einnahmeanleitung besorgt. Alles aus dem Netz, niemand half dir, keiner wusste was …, schrieb der Hawaii-Sieger von 2014 in seinem bekannt ironischen Stil, dessen Post viel Zuspruch erhielt. Tief enttäuscht zeigte sich in den Kommentaren auch Jan Stratmann, der Chartier die Geschichte ebenfalls nicht abnahm und anfügte, dass er mit der Drucksituation im Profisport nicht allein ist und dies niemals eine Entschuldigung für den Griff zu Dopingmitteln sein kann.

Ben Hoffman: „Die ganz Wahrheit und keine Bullshit-Omerta“

In einem aufgebrachten Post machte sich auch der US-Amerikaner Ben Hoffman Luft, der Chartier aufforderte die ganze Geschichte zu erzählen und nicht mit Ausreden und einer „Bullshit-Omerta“ daherkommen soll. Rückendeckung bekam Hoffman u.a. von Patrick Lange und Jan Frodeno.

 

Geschockter Trainer Mikal Iden geht sofort auf Distanz

Und was sagt das direkte Umfeld? Collin Chartier wurde seit dem vergangenem Jahr, bevor er seine großen Erfolge beim Ironman Mont-Tremblant und den PTO US-Open erzielte, vom Norweger Mikal Iden, dem Bruder des aktuellen Hawaii-Siegers Gustav Iden, trainiert, der sich u.a. auch als Trainer von Lionel Sanders, Rudy Von Berg und der norwegischen Triathlon-Nationalmannschaft einen Namen gemacht hat. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Aussage machen müsste … Ich stehe gerade unter Schock und weine, als ich erfahre, dass ein Athlet, den ich im letzten Jahr trainiert habe, gedopt hat. Ich kann mich nicht genug von dieser Aktion distanzieren. Es ist so ein totaler Zusammenbruch meiner Werte, dass es undenkbar ist. Das einzig Positive an der Sache ist, dass die Anti-Doping-Organisation solche Athleten entlarvt,“ erklärte Mikal Iden in seiner Instagram-Story.

Collin Chartier zweifelt an einem sauberen Triathlonsport in der Weltspitze

Dem Wunsch nach mehr Informationen kam Collin Chartier dann im Podcast „How they train“ des Australiers Jack Kelly nach. In dem gut 30-minütigen Gespräche betonte, Chartier nochmals, dass er mit der EPO-Einnahme wirklich erst im November 2022 begann und seine Ergebnisse im Sommer 2022 sauber zustande gekommen sind. Den aufgekommenen Forderungen, das dort gewonnene Preisgeld zurückzuzahlen, gab er deshalb auch eine klare Absage. Ebenso verneinte er die Frage, ob er irgendwelche Hilfe von außen bekommen habe und nahm dabei insbesondere seinen Trainer Mikal Iden und die Trainingssquad um Lionel Sanders in Schutz. Die Entscheidung zum Doping und alle dazu nötigen Maßnahmen habe er komplett selbst getroffen.

Allerdings widersprach sich der Absolvent der Marymount University in Arlington (Virgina) auch in einem entscheidenden Punkt. Auf die Frage von Jack Kelly, warum er dopte, folgte zunächst die schon bekannte Argumentation mit der dauerhaften psychische Drucksituation, dem Verlust der wahren Freude am Triathlonsport durch das tagesfüllende monotone Training, die vielen Verletzungen und die dazu gekommene Covid-Erkrankung, die sein Ziel im Kreis der weltbesten Triathleten mithalten zu können, gefährdeten. „Ich wollte die Besten in diesem Sport schlagen“. Er sei er sich aber nicht sicher, ob in der absoluten Spitze wirklich alles mit rechten Dingen zugeht. Später im Interview, als Kelly die Frage zu möglichen Hintermännern im Umfeld um Coach Mikal Iden stellte, erklärte Chartier dann allerdings, dass er den Sport nicht beschädigen will und er daher einfach glauben muss, dass alle sauber sind. In dieser Aussage stellte er auch klar, dass er keinerlei Verbindungen zu den Norwegern Gustav Iden und Kristian Blummenfelt gehabt habe.