DM 2002: Daniel Unger feiert einen seiner schönsten Tage

von Steffen Gerth für tri2b.com für tri2b.com | 16.06.2002 um 20:41
Der Oberschwabe aus dem Asics Team Witten wird neuer deutscher Meister über die Olympische Distanz. Und es ist noch mehr passiert in Frankfurt: Roland Knoll wird sensationeller Dritter – Stephan Vuckovic meldet sich mit einem sehr guten vierten Platz zurück und macht Lust auf mehr ...

Der Oberschwabe aus dem Asics Team Witten wird neuer deutscher Meister über die Olympische Distanz. Und es ist noch mehr passiert in Frankfurt: Roland Knoll wird sensationeller Dritter – Stephan Vuckovic meldet sich mit einem sehr guten vierten Platz zurück und macht Lust auf mehr. Dieses Rennen verdient eigentlich drei Geschichten. Eine über Daniel Unger, eine über Roland Knoll – und eine über Stephan Vuckovic. Fangen wir mit Unger an, denn wenn einer zum ersten Mal deutscher Triathlonmeister über die Olympische Distanz wird, dann muss diese Ehrerbietung einfach sein. Vielleicht setzt sich ja so langsam der Verdacht durch, dass der Oberschwabe aus Mengen, der für das Asics Team Witten startet, ein Mann ist für die wichtigen Rennen. Ein Kandidat für den Titel war er eigentlich schon im vorigen Jahr an selber Stelle, aber damals war nach wenigen Radkilometern schon Schluss für Unger: Raddefekt. Als er kurz nach halb fünf dieses Sonntags ins Ziel lief in Frankfurt, da war dieses Laufen eher ein Hüpfen. Die Freude musste raus, glücklich klatsche er jede Hand ab, die sich ihm entgegen reckte. Deutscher Meister wird man nicht alle Tage, „und deswegen ist das heute eines der schönsten Tage in meinem Sportlerleben“. Seinen Teamkameraden Xavier Lobet und Kris Gemmel dankte er dann ausdrücklich, dass beide in dieser elfköpfigen Spitzengruppe auf dem Rad so wunderbar Tempo gemacht hätten für ihn. Was er denn nach diesem Rennen zu tun gedenke, wurde Unger noch gefragt. Was wohl? „Feiern, feiern, feiern.“ Natürlich hat den internationalen Titel wieder kein Deutscher gewonnen, der Ukrainer Wladimir Polikarpenko (für Bad Endbach startend) war nach 1:42:08 Stunden im Ziel vor dem Neuseeländer Shane Reed (Ascis Team Witten/1:42:18) – aber dann kam ja schon dieser Unger, gerade einmal dreizehn Sekunden nach Reed. „Unglaublich“, sagte er, wohl nicht nur, weil lediglich zwei Starke vor ihm, sondern weil viele Starke deutlich hinter ihm lagen. Andreas Raelert zum Bespiel, der beim Laufen so von der Rolle war, dass der Rostocker selbst schwer ins Grübeln kam. Oder der Weltranglistenachte Kris Gemmel (Gesamtfünfter/1:43:56), der allerdings kurz vor Ende des Radkurses gemeinsam mit Michael Raelert böse zu Fall kam und wie der Bruder von Andreas Raelert mit einer blutigen Schulter sich über den Laufparcours quälte. Und dann war ja auch noch Maik Petzold vom SV Adelsberg, dem berühmtesten Einwohner Bautzens, der mit seinem 51. Weltranglistenplatz der am besten notierte Deutsche in dieser Wertung ist, deswegen als Top-Favorit galt – und mit Platz zehn in der nationalen Wertung einen ganz schlimmen Sonntag erlebte. Als Unger nur noch begleitet von Polikarpenko und Reed auf dem Laufkurs zu sehen war, ließ das schon aufhorchen. Raelert hielt gerade einmal eine der insgesamt vier Runden wirklich mit und sagte später, dass ihm dieser Einbruch noch mehr wehtun würde, als sein zweiter Meisterschaftsplatz (Gesamtvierter/1:43:55). Nein, der Olympiazwölfte vom TC Fiko Rostock fühlt sich nicht wohl in Frankfurt: 2000 musste er beim Laufen wegen Rückenschmerzen behandelt werden, 2001 ließ er sich vom späteren Meister Lothar Leder auf dem letzten Kilometer austricksen wie einen Anfänger – und 2002 waren die Beine schwer wie Blei. Denn trotz gestoppter 30:53 Minuten rannte er eine miserable Zeit, denn niemand sollte glauben, dass der Frankfurter Kurs genau vermessen wurde, denn auch angebliche 28:58 Minuten für Polikarpenko entsprechen wohl eher 9,5 als 10 Kilometer. Egal, dem Zwischenspurt des Russen in der letzten Runde konnte trotzdem keiner folgen, dahinter spielte sich aber Bemerkenswertes ab: Dass Altmeister Roland Knoll auf Platz drei (Gesamtsechster/1:44:13) stürmen konnte, ist die Sensation dieser Meisterschaft. Da wird der Ingolstädter im September 35 Jahre alt, er trainiert so wie es Beruf und Familie zulassen, wegen einer Kehlkopfentzündung musste er vor dem Rennen noch Antibiotika nehmen, „ganz locker“ sei er dann an den Start gegangen. Das Rennen lief dann so, wie es sich ein alter Fuchs wünscht: Er kam mit der ersten Gruppe nach 17:52 Minuten aus dem Wasser, „und dann habe ich auf dem Rad gemerkt, dass es läuft“. Den Rest hat die Erfahrung gemacht, viel Cleverness beim letzten Wechsel und jede Menge Wettkampfhärte auf den finalen zehn Kilometern, die er in 31:05 hinter sich brachte was beweist, dass man auch mit einer mittelmäßigen Laufzeit im modernen Windschattentriathlon noch gut aussehen kann. Besser ist aber, wenn man gut läuft – und bei Stephan Vuckovic geht es in dieser Hinsicht in mächtigen Schritten voran. In den vergangenen zwei Monaten sei seine Leistung geradezu explodiert, sagt er. Vor genau einem Jahr hatte er sein letztes Rennen über die volle olympische Distanz bestritten – ausgerechnet in Frankfurt. Damals riss ihm ein Steinchen im Schuh den Fußballen auf, keine Chance auf den Titel. Es folgte das bekannte gesundheitliche Pech, aber nun kommt der Olympiazweite von Sydney mit jedem Tag besser in Form. Man hat ihm den albernen Titel Vize-Olympiasieger gegeben, das soll wohl ein bisschen würdevoller klingen. Die Szene hat sich auf jeden Fall vor ihm verneigt an diesem Sonntag, als Vuckovic mit seinem leuchtend roten Tuch auf dem kahlen Kopf aus der zweiten Radgruppe nach vorne rannte, als sei es ein Kinderspiel. Seine persönliche Vorgabe, den Puls nicht höher als 165 Schläge zu treiben, hat er zwar irgendwann aufgegeben – dennoch sah es schon sehr gut aus, wie der Star des Asics Team Witten an der Konkurrenz vorbeiglitt. Beim Schwimmen (18:26) sei ihm schwindlig geworden, außerdem fehle ihm hier noch die Härte für die ersten und fast Rennen entscheidenden 200 Meter, aber dann rollte er klug am Ende der zweiten Radgruppe über den Kurs (56:53), um letztlich in 29:17 Minuten mit der zweitschnellsten Laufzeit zu überraschen. Drei, vier Kilogramm Gewicht muss er jetzt noch verlieren, und dann sollte einem großen Comeback nichts mehr im Wege stehen. Die Europameisterschaft ist für Vuckovic kein Thema, vielmehr will er es allen zeigen am 8. September beim Weltcup in Hamburg. „Auf dieses Rennen arbeite ich hin.“ Vielleicht gibt es an diesem Tag ja nur noch eine Geschichte zu schreiben: die über Stephan Vuckovic.