Ernährung auf dem Prüfstand: Wenn die Triathlonsaison in die Hose gegangen ist

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 07.10.2015 um 05:33
In die Vorbereitung auf einen Lang- oder Mitteldistanztriathlon investieren die Athleten viel Zeit und Geld. Meist wird länger als ein halbes Jahr gezielt auf den Tag X hin trainiert. Das Material optimiert, Trainingslager absolviert und der Alltag auf das tägliche Training abgestimmt. Alles ist für eine persönliche Bestleistung gerichtet. Trotzdem geht es bei vielen Triathleten dann beim Saison-Highlight sprichwörtlich in die Hose - Magen und Darmprobleme stellen sich ein und machen die so sehr erhoffte Bestzeit unmöglich , oder sorgen schlimmstenfalls für ein "Did not Finish" (DNF). Wir haben uns mit der Ernährungsexpertin Caroline Rauscher von Nutritional Fine-Tuning über die Ursachensuche und mögliche Optimierungsschritte unterhalten.

tri2b.com: Das Wissen bzw. die Information über Sporternährung ist riesengroß. Ebenso das Angebot an Sporternährung. Eigentlich müssten die Probleme mit der Wettkampfernährung doch geringer sein, als z.B. vor 10 oder 20 Jahren?Caroline Rauscher (C.R.): Wenn ein Athlet Probleme mit der Sporternährung im Wettkampf hat, dann liegt das nicht zwingend am Produkt alleine. Eher passen Athlet und Produkt einfach nicht zusammen. Entweder von der Zusammensetzung an sich, oder es wird falsch dosiert, oder die Probleme entstehen einzig und allein durch den Athleten selbst. So werden oftmals Unverträglichkeiten einfach ignoriert. 

tri2b.com: Wann treten die größeren Probleme auf, bei Hitze oder Kälte? Und warum?
C.R.: Probleme können grundsätzlich bei jeder Temperatur auftreten. Sind  z.B. Unverträglichkeiten, oder die Basisernährung im Training der Grund, dann ist die Außentemperatur relativ egal. Sind aber z.B. die negativen Auswirkungen von Hitze der Auslöser für die Probleme, dann treten natürlich bei großer Hitze auch größere Probleme auf.

tri2b.com: Hat die Art der Alltagsernährung einen Einfluss auf die Nahrungsaufnahmeverträglichkeit und Verdauung unter Höchstbelastung?
C.R.: Die Art der Alltagsernährung spielt eine große Rolle. Wer z.B. in der Basis- und Trainingsernährung bewusst auf Kohlenhydrate verzichtet, der hat im Wettkampf sehr oft das Problem, die notwendigen Mengen an Kohlenhydraten überhaupt aufzunehmen. Oder liegen z.B. bestimmte Unverträglichkeiten vor, dann müssen diese Stoffe unbedingt in der Wettkampfernährung vermieden werden.

tri2b.com: Heißt dies, dass der aktuelle Trend zur Low Carb-Ernährung auch problematisch sein kann?
C.R:
Ja genau, das ist der Punkt. Eine Low Carb-Basisernährung kann zu Problemen im Wettkampf führen, wenn der Athlet plötzlich größere Mengen an Kohlenhydraten zu sich nehmen möchte. Das war heuer sehr auffällig nach den großen Wettkämpfen, wie viele „Low Carb“-Athleten zu mir kamen, weil sie massive Probleme mit der Versorgung im Wettkampf hatten. Die Analyse hat dann ergeben, dass ihr Körper aufgrund der Basisernährung nicht in der Lage war, die zugeführte Menge an Kohlenhydraten im Wettkampf aufzunehmen.  Dies ist auch ein häufiger Grund, warum solche Athleten oft auch das Carboloading nicht vertragen. Genau diese Problematik, war zuletzt in der Sport Nutrition Conference in Berlin ein Thema.

tri2b.com: Wie kann ein Lösungsansatz ausschauen?
C.R.: Die Basisernährung ist im Hinblick auf die Zusammensetzung mit Makronährstoffen (Proteine, Kohlenhydrate, Fette) angepasst an das Training zu periodisieren. Außerdem die Wettkampfversorgung im Training unbedingt austesten und diese im Hinblick auf bestimmte Unverträglichkeiten genau unter die Lupe nehmen. Ebenfalls wichtig ist es, die optimale Trinkmenge für verschiedene Außenbedingungen zu ermitteln und dann auch deren Zufuhrmöglichkeiten sowohl logistisch als auch von der Verträglichkeit her zu testen. Nicht zu vergessen: auf das körpergefühl achten!

tri2b.com: Ist auch eine psychologische Komponente dabei. Oft hört man: Ich hab meine Eigenverpflegung verloren und deshalb ging nix mehr?
C.R.: Die gibt’s immer und überall. Aber im Ernst, es ist schon fatal, wenn ein Athlet seine Verpflegung verliert. Man kann ja auch nicht mir nichts dir nichts die Laufschuhe oder das Rad von irgendjemanden während des Rennens nehmen.

tri2b.com: im Vergleich zum Ski-Weltcup (Langlauf/Biathlon) , wo die Athleten im Endeffekt ja nur Eigenverpflegung gereicht bekommen, ist es für einen Triathleten auf der Langdistanz aufgrund der langen Distanzen und Strecken deutlich schwieriger sich nur mit der ausgetesteten Eigenverpflegung zu versorgen. Was empfiehlst Du hier?
C.R.:  Wir testen mit dem Athlet im Training heraus, wie viel er von seinen Produkten benötigt. Je nachdem wie das individuelle Versorgungskonzept aussieht, hat er entweder alles am Mann/Frau für die Radstrecke, oder ein Teil wird an den Special Need-Stellen platziert und über Betreuer und Freunde gereicht. Bei der Laufstrecke ist es genauso. Was er vom Veranstalter benötigt ist Wasser und evtl. noch mitgeführte Salztabletten.  Das ist logistisch machbar, ganz klar.

tri2b.com:  Es gibt Stimmen, die sagen Triathleten machen zu viel Hype um Ernährungspläne und die Einnahme von Gramm X Kohlenhydraten nach Stoppuhr ist Unsinn. Vielmehr kommt es auf ein gutes Körpergefühl an. Was ist da dran und kann man "Körpergefühl" bei der Ernährung erlernen?
C.R.: Natürlich ist es wichtig, nicht zwanghaft mit dem Thema Ernährung umzugehen es zur Religion hochzustilisieren. Aber das gilt übrigens für alle Bereiche des Triathletenlebens. Aber ein normales Maß an Sorgfalt im Umgang mit dem Thema Ernährung ist meiner Meinung nach unverzichtbar und sehr wichtig. Gerade Athleten, die sich mit ihrer Ernährung in einer gesunden Art und Weise auseinandersetzen haben auch ein sehr gutes Körpergefühl im Laufe der Jahre entwickelt, und hängen gerade deshalb nicht verbissen irgendwelchen fixen Plänen nach, sondern spüren selbst, was ihnen wann gut tut. Das zeigt sich in meiner Arbeit tagtäglich und deshalb bin ich auch ein strikter Gegner von fixen Tagesernährungsplänen.

tri2b.com:  Geben Triathleten vielleicht ihr Geld auch lieber für schöne Laufräder aus, als für eine eingehende Ernährungsberatung. Mit Karbon kann man auf seinem Facebook-Profil halt auch leichter Aufmerksamkeit erreichen?
C.R.:  Stimmt sicherlich sehr oft (schmunzelt) Aber ich sehe, dass der Stellenwert der Ernährung doch zunimmt. Zumindest bei den Athleten, die bei mir aufschlagen.

tri2b.com:  Wie lange dauert es, bis Athleten, die in der Vergangenheit wiederkehrend Ernährungsprobleme hatten, ihre Probleme unter professioneller Betreuung in den Griff bekommen?  Wie sind die Erfolgsaussichten?
C.R.:  Also aus meiner Erfahrung ist es so: Bei den größten Anteil von "Problemsportlern" wird es in der Folgesaison schon richtig gut, bei sehr vielen deutlich besser. Es gibt auch einzelne, bei denen ändert sich leider nichts. Bei ihnen  hat dies verschiedene Hintergründe: Die Compliance ist einfach schlecht, d.h. sie halten sich nicht an meine Vorgaben. Zudem können tatsächlich tieferliegende Probleme (z.B. in Darmprobleme, Leaky Gut Syndrom) verantwortlich sein oder sie können die Hitze beim besten Willen nicht verkraften.

Mehr Infos unter www.nft-sport.com

Caroline Rauscher hat Pharmazie studiert, zahlreiche Weiterbildungen in den Bereichen Offizinpharmazie und Ernährung gemacht und bietet individuelle Sporternährungs-Konzepte an. Sie betreut mit ihrer Firma Nutritional-Finetuning (www.nft-sport.com) u.a. die Biathletin Andrea Henkel, Ski-Langläufer Tobias Angerer, Alpin-Star Viktoria Rebensburg sowie die Triathleten Andreas Böcherer, Julia Gajer, Daniela Sämmler, Stefan Schmid, Andi Giglmayr, Eva Wutti und Yvonne van Vlerken.