Geschichte und Aktivitäten des Vereins Freunde für Asien e.V.

von Dr. Wolfgang Hasselkus für tri2b.com | 21.11.2002 um 10:51
„Freunde für Asien“ ist eine kleine Hilfsorganisation, die medizinische Projekte im von brutalen Militärs besetzten Grenzgebiet Burmas zu Thailand entwickelt und aufbaut. Seit über 20 Jahren leitet Dr. Wolfgang Hasselkus aus Roedental bei Coburg diese Projekte unter großem persönlichen Einsatz ...

I. Vorgeschichte: Seit 1982 besuche ich regelmäßig das thailändisch-burmesische Grenzgebiet und versuche vor Ort mit Einheimischen die medizinische Basissituation der Armen zu verbessern. Im Grenzgebiet leben zahlreiche ethnische Minoritäten, die in einem jahrzehntelangen Überlebenskampf mit der übermächtigen, korrupten und unvorstellbar grausamen burmesischen Militärmacht stehen. Nachdem ich anfangs mit den Shan, Akkha und Hmong gearbeitet habe, bin ich jetzt seit über 10 Jahren mit dem Volk der Karen zusammen. 1987 wurde der Verein Freunde für Asien e.V. gegründet. Nach 20 Jahren Tätigkeit sieht man rückblickend einige Leitlinien und Lernschritte: Die Prinzipien der effektiven Hilfe unter den Armen: Alles beginnt mit dem eigenen Lernen. Lernbereitschaft, Offenheit, die Situation der Einheimischen verstehen lernen und vieles mehr- das alles braucht einige Jahre. Echte Freundschaft zu Einheimischen entwickeln, einheimische Visionäre entdecken, die ihrem Volk helfen möchten, aber nicht die Mittel dazu haben, braucht Zeit. Geld und Hilfsmittel richtig einzusetzen muss gelernt werden: Klein anfangen mit wenig Geld, aber nach einem Jahr wiederkommen und auswerten, was gewachsen ist und was nicht und warum. So lernen beide: ich selbst und meine Freunde. Bewährtes wächst weiter und kann finanziell ausgebaut werden. Eigene Ideen zurückzuhalten bis die eigene Zeit des Lernens vorbei ist, braucht Disziplin. Auch das Mitleiden benötigt eine Ordnung und ist mehr als ein spontanes Gefühl, wenn es wirksam werden soll. Die Medizin im Dschungel ist völlig anders: Durch Labor, bildgebende Verfahren und ein System von Fachärzten wird bei uns die Diagnose abgesichert. Im Dschungel bin ich völlig alleine auf mich gestellt. Stethoskop, Blutdruckgerät, Ohrenspiegel und Augenspiegel sind meine einzigen Hilfsmittel. Damit effektiv zu arbeiten bedeutet, die vorhandenen Informationen in eine Hierarchie einzuordnen und damit die wahrscheinlichste Diagnose zu stellen. Stellt sich nach der entsprechenden Therapie kein Erfolg ein, dann muss ich wissen, welches die danach wahrscheinlichste Diagnose sein kann. Beispiel: Ein Verdacht auf Malaria wird ohne Erfolg behandelt. Die am nächsten wahrscheinliche Diagnose ist der Bauchtyphus. Die entscheidenden Symptome (Leitsymptome) kennen: die Diagnose der Lungenentzündung bei Neugeborenen und Kleinkindern wird mit der Atemfrequenz gestellt. Lehrzeit muss sein: Meine Lehrzeit war lange. Über 15 Jahre hat es gedauert, bis ich die Dschungelmedizin verstanden hatte, bis ich meine Ängste und Unsicherheiten abgeschüttelt hatte und wusste, wie eine wirkungsvolle medizinische Infrastruktur im Kriegsgebiet aufgebaut werden muss. Die im folgenden aufgeführten Aktivitäten, Projekte und Perspektiven sind erst in den letzten 4 Jahren entstanden und haben seit einem Jahr eine besondere Dynamik bekommen. Yaw Bluh Doh zeigt uns einen neuen Weg: Nach dem Tod des kleinen Karen Jungen mit dem riesigen Nasentumor im Mai 2002 war ich vor die Frage gestellt, was wir mit den übrigen Spenden tun sollten. Yaw Bluh Doh hatte keine Chance, sein Leben zu entwickeln und seine Gaben zu entfalten. Er steht für viele Kinder im Kriegsgebiet, die behindert, verstümmelt, chronisch krank oder bedroht sind. Ihnen gelten die neuen Anstrengungen, Ideen und Projekte, die den Namen meines verstorbenen Sohnes tragen werden: Michael Hasselkus Projekte für bedrohte und behinderte Kinder im Kriegsgebiet. Alleine geht es auf die Dauer nicht: Viele Jahre bin ich alleine gereist, dann hat mich Jochen Dickmann, einer meiner ältesten Freunde, treu begleitet und immer wieder ermutigt. Jetzt haben sich weitere Mitarbeiter angeschlossen und jeder bringt etwas Besonderes mit: Hilfsbereitschaft und berufliche Qualitäten, und das wird in die weiteren Projekte eingebaut. Norbert Claus ist Bäcker, Bernd Voigt ist Physiotherapeut, Dr. Elmar Palauneck ist Zahnarzt. Andere werden folgen. Die Mitarbeit wird von den gemeinsamen Überzeugungen getragen. Darüber hinaus ist die Gewinnung und Ausbildung von einheimischen Mitarbeitern ein wichtiges Ziel, wobei es um Einsatz für das eigene Volk und medizinische und menschliche Kompetenz geht.. II. Aktivitäten 1. Zentrum der medizinischen Tätigkeit sind die 5 mobilen Dschungelkliniken. Etwa 4-5 Mitarbeiter versorgen präventiv und kurativ einen Einzugsbereich von 3.000 Menschen. (zusammen etwa 15.000 Patienten pro Jahr) Jede Kleinklinik verfügt über ein Handy, damit beim Herannahen der burmesischen Truppen Mitarbeiter und Patienten rechtzeitig fliehen und Medikamente und medizinische Geräte versteckt werden können. In diesem Jahr wird an die mobilen Kliniken noch ein weiterer Arbeitsbereich angegliedert: die Pflanzenheilkunde des Dschungels. Traditionelle Medizin mit den Heilpflanzen des Dschungels wird in das Konzept der westlichen Medizin integriert. 2. Seit Jahren bewegt mich das Problem der Blinden und Sehbehinderten im Dschungel. 1998 habe ich angefangen, ein Team von einheimischen medizinischen Mitarbeitern in tropischer Augenheilkunde zu unterrichten. 1999 haben wir den ersten Brillenkurs durchgeführt: Visusbestimmung, Refraktionieren, Gläser bestimmen und einschleifen. Inzwischen arbeiten drei mobile Optikerwerkstätten, die zusammen mehrere hundert Brillen pro Jahr herstellen. Dieses Jahr fängt eine kleine mobile Augenklinik ihre Arbeit an. Parallel dazu mache ich eine Ausbildung in tropischer Augenheilkunde in Afrika. Ende 2002 beginnen wir mit der Operation des grauen Stars und anderen Augenoperationen im Dschungel. 3. Durch die Unterernährung und Abwehrschwäche gefördert breitet sich die Tuberkulose unaufhaltsam aus. Wir werden anfangen, mit Sputumuntersuchungen bei verdächtigen Patienten die Fälle von offener Tuberkulose aufzuspüren und zu behandeln. Umgebungsuntersuchungen müssen angeschlossen werden, und das im Kriegsgebiet. Ein Tuberkulose-Projekt ist für uns eigentlich zu groß und zu teuer, aber die Situation gebietet, nicht länger zu warten. Mitarbeitertraining und Laborinvestitionen sollen bis Mitte 2003 abgeschlossen sein. Danach beginnt die eigentliche Arbeit. 4. Einheimische Mitarbeiter müssen geschult werden. Wir finanzieren Schulungen zum medizinischen Helfer unterschiedlichen Grades und in erster Hilfe bei Minenverletzungen. Minenverletzungen sind ein sehr wichtiges Thema im Kriegsgebiet, wo unzählige Minen gelegt worden sind. Viele Gebiete sind deshalb unzugänglich geworden. Viele Menschen mussten infolge Minenverletzungen amputiert werden oder wurden blind. Die Karen haben zwei Werkstätten zur Prothesenherstellung, die wir unterstützen. 5. In diesem Jahr haben wir begonnen etwas im Dschungel herzustellen: Backwaren. Mit großem Erfolg und gutem Appetit wurde der Test eines Bäckerei-Projektes abgeschlossen. Die Vorbereitungen laufen, eine kleine Bäckerei im Grenzgebiet zu Thailand zu installieren, mit deutschem Know-how Backwaren zu fertigen und zu verkaufen. Wirtschaftliches Denken muss zusätzlich gelehrt werden. Dann aber werden wir zum ersten Mal auch ein wirtschaftliches Projekt in die medizinische Arbeit integrieren. 6. Seit drei Jahren wird jedes Jahr wird eine Jahrestagung durchgeführt, zu der alle leitenden Mitarbeiter aus den Projekten versuchen zu kommen. Jedes Jahr werden es mehr. Auswertung, Training, Gemeinschaft und gemeinsame Perspektiven und Visionen sind mir als Ziele dafür wichtig. Auch diese Kosten tragen wir. 7. Nach dem Tod von Yaw Bluh Doh am 11.5.2002 war für mich klar, dass der 5-jährige Karen Junge uns eine neue Tür geöffnet hat zu den bedrohten und behinderten Kindern im Kriegsgebiet. Wir wollen die Todesursachen der 0-10-jährigen Kinder im Kriegsgebiet herausfinden und gezielt handeln. Da der Killer Nr. 1 die Malaria ist, werden wir testen, wie sich die Sterbequote verändert, wenn die Mütter für ihre Neugeborenen Moskitonetze aus speziellen leichten Stoffen nähen und konsequent einsetzen. Dazu kommen intensive Aufklärung und Schulung in den Dörfern. (Bei geschenkten Moskitonetzen besteht die Gefahr, dass die Eltern sie weiter verkaufen). Behinderungen der Kinder bestehen aus unterschiedlichen Ursachen: Blindheit, Hörstörungen, angeborene Fehlbildungen, Minen-, Schuss- und andere Verletzungen, chronische innere Erkrankungen (z.B. chronisches nephrotisches Syndrom), neurologische Erkrankungen (Anfallsleiden, geistige Behinderungen, Mehrfachbehinderungen). Wir werden versuchen, diese Kinder zu finden und sie in die Nähe der Grenze umzusiedeln. Dort wollen wir in einer Art ganzheitlicher Versorgung medizinische Hilfen und Rehabilitation geben, aber auch Unterricht und Ausbildung. Dieses Konzept ist für das Kriegsgebiet Burmas innovativ, sehr arbeitsaufwendig und möglicherweise sehr riskant, weil die burmesischen Militärs diese Einrichtungen versuchen aufzuspüren und zu zerstören. Aber wir fangen klein an und werden lernen, worauf wir besonders achten müssen. Denjenigen behinderten Kindern und ihren Familien, die nicht umziehen können, müssen wir in bewährter mobiler Weise helfen. Yaw Bluh Doh hat sein Leben nicht entfalten können. In derselben Woche wie er starb mein Sohn Michael. Er wollte einmal meine Arbeit in Asien weiterführen. Seinem Andenken widme ich diesen neuen Arbeitsbereich.