IRONMAN Austria 2002: Weltrekord nur um 29 Sekunden verfehlt

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 07.07.2002 um 20:15
Lori Bowden hatte schon bei der Pressekonferenz auf einen perfekten Renntag gehofft – wenn aber der nicht einträfe, dann wenigstens ein großartiger oder doch zumindest ein guter. Nun - im Vorjahr hatte sich die eher zierliche Athletin als hitzefest bewiesen, doch hatte sie am überraschend kühlen Renntag – es hatte bis vor dem Start sogar geregnet – auch mit solchen Bedingungen keine Mühe und siegte nach 8:51:22. Es ist ein persönlicher Rekord und die zweitbeste, jemals erzielte IronWoman-Zeit. Es war wohl ein perfekter Tag ...

Paula Newby-Fraser ist weiterhin Weltrekordhalterin über die Ironman-Distanz. Die Bestzeit steht nämlich seit acht Jahren bei 8:50:53 Stunden und stammt aus Roth. Doch zum Generationswechsel ist es nun nur noch ein Wimpernschlag von 29 Sekunden. Bowden wusste den schnellen Kurs zu nutzen, verbesserte die Vorjahresleistung auf dem Rad um sieben Minuten und lief den Marathon unter drei Stunden. Doch sie tat es nicht im Alleingang! Nach dem Rennen berichtete sie, nur der nahende Atem der Australierin Kate Allen – im Vorjahr Zweite in Nizza – habe sie so sehr angetrieben. Tatsächlich war Allen eine ihrer stärksten Gegnerinnen der letzten Jahre, mal abgesehen von Natascha Badmann auf Hawaii. Erste Etappe schon hart umkämpft Nach dem Schwimmen noch Aufholarbeit leisten zu müssen, ist für Bowden ja ein Routineakt. So war auch ein Rückstand von über fünf Minuten zu Allen (51:11), der deutschen Ironman-Novizin Jennifer Poggi aus Essen (51:12) und der Amerikanerin Maryellen Powers (51:15) kein Grund zur Nervosität. Die drei hatten sich bis in den 800 Meter langen Kanal einen spannenden Kampf um den Etappensieg geliefert. Ihnen dicht auf den Fersen war die für das Corpus Team Hilpoltstein startende Wenke Kujala. Kujala macht die Pace Wenke Kujala übernahm bereits in der ersten Radrunde die Führung des Damenfeldes – mit einer Deutlichkeit, die schon etwas überraschte. Drei Minuten, das sind fast zwei Kilometer Vorsprung, hatte die Deutsche nach 60 Radkilometern bereits vor Bowden, die zu dem Zeitpunkt noch verhalten auf Rang zehn fuhr. Dazwischen Maryellen Powers und Kate Allen in direkter Fortsetzung ihres Schwimmduells mit der schon erfahrenen Deutschen Heike Funk auf Rang vier. Von Beginn an ist Zyemtsev präsent Zu diesem Zeitpunkt lag das Feld der Männer nur 15 Minuten davor und wurde vom Österreicher Marcel Obersteller angeführt. Der hatte vom schnellsten Schwimmer, Landsmann Hermann Müller, direkt zum Beginn der 180 Radkilometer die Führung übernommen. Rund 2:45 Minuten zurück ein Mann aus der Ukraine, der im Vorfeld weder zur Pressekonferenz, noch unter den Topfavoriten als weiterer Sieganwärter in Betracht gezogen worden war: Victor Zyemtsev fuhr ein kontrolliertes Rennen und zeigte höchste Präsenz. Vielstarter Vabrousek bekommt keinen Druck auf das Pedal Weit abgeschlagen auf Rang 16 dagegen Petr Vabrousek, dem noch am Rennmorgen neben Olaf Sabatschus die größten Chancen auf den Titel eingeräumt worden waren. Der Tscheche fand den ganzen Tag über nicht recht ins Rennen, wohl aber fand er Verstärkung in anderen Athleten auf der Radstrecke. Seine Disqualifikation wegen Draftings – gleich also eine rote Karte – wurde aber unglücklicherweise erst nach Vabrouseks Zieleinlauf auf Rang fünf bekannt. Das fordert sicher noch den Protest des Athleten heraus. Dirk Niederau fährt Tagesbestzeit Obersteller erwies sich als überraschend hartnäckig. Auch ihn hatte man für eine renngestaltende Rolle gar nicht eingerechnet, doch nach zwei Dritteln der Raddistanz führte er noch deutlich vor Zyemtsev. Inzwischen hatte sich mit Dirk Niederau ein weiterer Überraschungsathlet aus Nordrhein Westfalen auf den vierten Rang vorgearbeitet, direkt hinter Thomas Braun. Und Olaf Sabatschus folgte dicht dahinter auf Platz fünf. Während Obersteller aber in der dritten Runde für seinen Parforceritt bezahlte und zurückfiel, übernahm Niederau die Regie. An zweiter Stelle zum zweiten Wechsel weiterhin Zyemtsev vor dem Österreicher Norbert Langbrandtner. Olaf Sabatschus lief an vierter Position am Seeufer los, bekam es aber sofort mit Muskelkrämpfen in beiden Beinen zu tun. Allen fordert Bowden heraus ... Und auf Rang 25 lief bereits eine Frau durch die Wechselzone: Lori Bowden hatte in der zweiten Radrunde Ernst gemacht, doch Widerstand vor allem von Allen und Powers verspürt. Die Wahlösterreicherin Allen, die in wenigen Tagen die Staatsbürgerschaft annehmen wird, konterte Bowdens Radleistung am besten und hatte in Transition 2 nur wenige Sekunden Rückstand. Vor allem aber hatte sie Courage, denn eine Lori Bowden im Marathon herauszufordern, kann im Normalfall nur entweder scheitern oder auf der Liege der Rennärzte enden. ... und Bowden spürt den Atem im Nacken Und Bowden wurde unruhig. Als auf den ersten zehn Kilometern trotz eines Schnitts von wenig über 4 Minuten konstante Abstände zu Allen gemeldet wurden, gerieten ihr alle Überlegungen über Weltrekorde und Gesamtplatzierungen in den Hintergrund. Mit einer Marathonzeit von 2:59:55 Stunden drückte sie ihre eigene Bestzeit bis dicht an Paula Newby-Fraser’s Weltrekord und hatte dennoch am Ende „nur“ acht Minuten Vorsprung. Im Vorjahr hatte sie Wendy Ingraham noch über zwanzig Minuten abgenommen, doch das weibliche Starterfeld hatte in diesem Jahr überraschend höchste Güte: Allen blieb ebenfalls mit 8:58:27 unter der magischen Grenze von neun Stunden. Die Rotherin Imke Schiersch wurde Dritte in 9:39:47 Stunden, nachdem sowohl Kujala, als auch Powers das Rennen vorzeitig beim Laufen beendet hatten. Erster ukrainischer Ironman-Sieger Die Ukraine hat ihren ersten Ironman-Sieger: Victor Zyemtsev war der ausgewogenste Athlet und behielt über die gesamte Renndauer einen hervorragenden Überblick. Mit einem ersten Halbmarathon von 1:19 Stunden geriet Zyemtsev zum Dominator in Klagenfurt. Norbert Langbrandtner – zur Laufhalbzeit 5:50 Minuten hinter Victor Zyemtsev (UKR) - wurde knapp sieben Minuten später Zweiter. Olaf Sabatschus der über den gesamten Marathon mit Krämpfen kämpfte, löste sich erst wenige Kilometer vor dem Ziel vom Spanier Cano-Villanueva und belegte Rang drei. 1472 Athleten erreichten das Ziel in Klagenfurt. Damit ist die Quote der Aussteiger und auch der Disqualifikationen für einen Ironman dieser Klasse recht hoch. Klagenfurt bietet alle Möglichkeiten für eine Bestzeit – doch ist es ein Kurs besonders für die kraftvolleren Athleten. Mit 28 Finishes unter neun Stunden, 251 unter zehn Stunden deutet dabei alles darauf hin: für sehr viele war es ein perfekter Tag.