Königin vom Römerberg

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 19.08.2002 um 06:10
Nina Fischer konnte aushelfen, als Katja Schumachers Haupt-Motivatorin für den Sieg schlappmachte. Denn Paula Newby-Fraser hatte einen ganz schweren Tag – und ein großes Finish auf Rang 50 ...

Große Duelle waren für Frankfurts ersten Ironman das Riesenglück. Es war keine Überraschung, sondern stand auf der Einladung: Zäck und Leder, Newby-Fraser und Schumacher – 160.000 feierten die Premiere. Da suchte „the german voice of triathlon“, Andreas Richter, nach Superlativen. Und während die Legende Paula Newby-Fraser hart um ihr bloßes Finish rang, krönte er die überragende Siegerin des Ironman Germany, Katja Schumacher auf dem Balkon des Römer zur Königin. Elf Monate soll sie regieren. Der Glanz der Queen of Kona aber kam heute aus der Niederlage. „Venga, venga, venga ...!" Wo Paula sich beim Start versteckte, blieb Katja verborgen. Sie fand die große Kontrahentin im kleinen Profifeld schlicht nicht wieder. Von Tuchfühlung konnte so nach dem leicht verspäteten Startschuss also keine Rede sein. „Voll schwimmen“ war da wohl die einzig richtige Devise. Erwartungsgemäß aber führte Nina Fischer aus Neumünster den ersten Landgang nach 1,9 Kilometern an, Virginia Berasategui (ESP) folgte. Hätte sich Katja Schumacher hier umgedreht, so hätte sie eine eingekeilte PNF heftig kämpfend rund eine Minute hinter sich sehen können, die an Land schon ziemlich angestrengt wirkte. Zugzwang für die Queen. Fischer entschied also die Etappe für sich, die Spanierin folgte. Deren Coach überschlug sich am Wechselplatz förmlich in der Landessprache und erinnerte mit seinem „Venga, venga, venga ...“ auffällig an Manolo Saiz, den Once-Chef bei der Tour de France. – Vier Minuten zu Fischer waren für Katja Schumacher genau das, was sie sich vorher ausgerechnet hatte. Und mit einem letzten Blick auf die soeben eintreffende Paula Newby-Fraser machte sie sich an die Verfolgung. Ob sie noch registrierte, dass die Queen ein wenig müde und planlos agierte? Radzeiten ohne Wert Das hatte sie angekündigt: Katja wollte auf Paula reagieren, alle anderen konnten machen was sie wollten. Paula musste zunächst einmal aufschließen, da hatte Katja schon das zweite Frühstück eingenommen ... Doch dann ging es gehörig zur Sache und ob sie wollten oder nicht – mehr als 30 kameralechzende Männer fanden sich zur Unterstützung ein. So ist es ja immer und oft nicht die Schuld der Frauen. Kaum ließ Paula das Loch nach vorn auf zwölf Meter anwachsen, fand sich ein putzmunteres Bürschlein, um es wieder zu schließen. So kann man keinen Rhythmus finden. „Just terrible ...“ gab eine entnervte PNF nach 120 Kilometern zu Protokoll. Katjas Stimmung war da noch finsterer, denn ein kurzes Gespräch mit einem der neben ihr fahrenden Männer rief die Herren Marshalls auf den Plan: sechs Minuten Penalty Box sind eine nette Strafe für Drafting-Sünder. Mindestens 3000 Minuten hätten sie am heutigen Tag rechtfertigen können. Durften sie nicht? – Radzeiten hatten heute jedenfalls keinen Wert: Eigentlich ist Frankfurt kein ganz schneller Kurs mit seinen vielen Ecken und Huckeln, aber ein 37er-Schnitt war heute hundertfacher Standard ... Sechs Marathonstunden Mit dem Marathon kam dann der Sport zurück. Paula hatte schon unterwegs durch die Wetterau Zweifel angedeutet, was ihre heutigen Chancen auf den Sieg anging. Aber immerhin hatte sie ja sechs Minuten Vorgabe und sie hatte in diesem Jahr schon einmal einen starken Lauf gezeigt. Und Nina, Virginia, Joanne und auch Katjas Freundin Liz Vitai hatten sich Rückstände von sieben bis fünfzehn Minuten eingehandelt. – Doch die achtfache Hawaii-Siegerin hatte Probleme. Schumacher jedenfalls konnte die Freundin nirgends erblicken und bekam dennoch schon nach vier Kilometern das Führungs-MTB vorgesetzt. Da war der Titelkampf entschieden. Die Kontrahentin rappelte sich zwar wieder auf, doch nach 14 Kilometern musste sie zum ersten Mal ins „medical tent“. Ohne Infusionen, denn das wäre das automatische Aus gewesen. Als PNF das Rennen allein für die Finishline wieder aufnahm, betrug ihr Rückstand schon fast eine Stunde. Sie sollte nach über sechs Marathonstunden das Ziel schließlich als 50. Frau erreichen. Nina sprang ein „Nach hinten ist es mit den Splits ja immer schwierig“, verlor die Heidelbergerin in Führung liegend allmählich die Übersicht. Denn als sich auf den recht engen Mainufern allmählich das Gros der Wettkämpfer eingefunden hatte, war zur Sichtung der entgegenkommenden Konkurrenz einfach keine Zeit mehr. Immerhin – die Meldungen waren doch beruhigend, auch wenn Schumacher nach der Bronchitis-Zwangspause nicht vorzeitig über einen Sieg in irgendwelchen trockenen Tüchern nachdenken wollte. Was von außen so sicher und klar aussah, war aus der Athletinnensicht nämlich noch gefährlich: Nina Fischer lief „in ihrer schwachen Disziplin“ zur Topform auf und verkürzte den Abstand stetig mit dem zweitbesten Hitzemarathon des Frankfurter Frauenrennens. 3:16 Stunden hätte sich die Freundin von Ralf Eggert selbst niemals zugetraut und litt doch erst in der letzten Runde richtig. Knapp sieben Minuten Rückstand waren ein überaus komfortabler Vizerang und der größte sportliche Erfolg der 25-jährigen. Noch mehr war aber auch nicht drin und auch in Anrechnung aller "Störfaktoren" in diesem Rennen: Der erste Platz von Katja Schumacher blieb unangefochten – in einer Weltklasse-Zeit von 9:15:32 Stunden. „... dann haben wir Frauen auch ein faires Rennen!“ Sieger sind ja selten brummelig und so waren auch Katja und Nina mit dem Rennen sehr froh. Dennoch kam eine Forderung der beiden fast unisono: „Die Profis sollten eine halbe Stunde Vorsprung bekommen, dann haben alle mehr Spaß – und wir Frauen ein faires Rennen“, kann sich Katja Schumacher auch den Kampf um ihren vierten Ironman-Titel im kommenden Jahr in Frankfurt vorstellen. Das wäre für Nina Fischer ebenfalls eine gute Alternative: „In diesem Jahr kann ich die Form nicht mehr neu aufbauen, aber für 2003 habe ich mir dann Hawaii vorgenommen", kündigte die Studentin für Sport und Skandinavistik schon einmal an. Hawaii hat sich Liz Vitai sicher auch vorgenommen: die 37 Jahre alte, kalifornische Profi-Triathletin war nach Jahren in der New-Yorker Broker-Szene zu einem Comeback entschlossen und überraschte auch ihre engste Freundin Katja Schumacher mit ihrem dritten Platz. Die kalifornische Trainingsgruppe, die „Encinitas-Connection“, bekam also auch ohne die glanzvolle Paula in Frankfurt noch einen Stich .