Rennradregeln: Vorausschauendes Fahren ist das Sicherheitspostulat Nummer Eins

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 31.03.2018 um 16:28
"Die Rennradfahrer fahren wie die Rowdys und halten sich nicht an die Verkehrsregeln", so ähnlich dürfte so mancher Autofahrer in den nächsten Wochen wieder über die bei schönem Wetter zunehmende Anzahl an sportlichen Radfahrern auf den Straßen wettern. Der eine oder andere Autofahrer wird dann auch wieder zur "Selbstjustiz" greifen und mit einem beherzten sportlichen abstandsnahen Überholmanöver versuchen die Größenverhältnisse zu recht zu rücken. Gerne in Verbindung mit Hupen, sowie diverser Zeichen- und Fäkalsprache - mit der entsprechenden oft ebenfalls nicht "zitierfähigen" Antwort aus dem Fahrradsattel. Einer der das ungleiche Duell Autofahrer VS Radfahrern von beiden Seiten her kennt, ist der Polizeioberkommissar Josef Zeller aus Schongau.

Seit 1981 ist der heute 58-Jährige im Polizeidienst, 1990 absolvierte er seinen ersten Triathlon und kann als Highlights auf zwei Ironman Hawaii-Teilnahmen (1997 und 2000) zurückblicken. Zeller kennt daher das Spannungsfeld zwischen dem motorisierter Verkehr und Radfahrern aus dem Effeff. Auf Streife in der sowohl  landwirtschaftlich und touristisch geprägten Region südwestlich von München, als Polizei-Verkehrserzieher, als langjähriger Triathlon-Veranstalter und nicht zuletzt als aktiver Triathlet und Rennradfahrer. Zeller klopft auf das Holz des Esszimmertisches, als er erzählt, selbst trotz zigtausender Radkilometer noch nie  in einen richtigen Radunfall verwickelt gewesen zu sein.

 
Rennradfahrer und Triathleten nicht die Hauptrisikogruppe
 

Glück, Zufall, oder rücksichtsvolle gekonnte Fahrweise? Wohl vor allem etwas. Oder auch der statistische Tatsache geschuldet, dass glücklicherweise die Unfälle mit Rennradfahrern nur einen geringen Anteil an der Gesamtzahl der Radunfälle in Deutschland ausmachen. Kinder, Jugendliche und insbesondere Senioren sind laut Unfallstatistik weitaus häufiger betroffen. Gerade der Anteil der verunfallten Senioren schnellt aktuell deutlich in die Höhe. Der E-Bike-Boom lässt grüßen und erzeugt bei Polizist Zeller für die eine oder andere Sorgenfalte auf der Stirn.

Rennradfahrer und Triathleten sind, wenn sie schon viele tausende Trainingskilometer über die Jahre herunter gespult haben,  im Vergleich zu den genannten Risikogruppen sehr gute Radfahrer. Für Anfänger und Quereinsteiger auf den schmalen Rennradreifen gilt dies aber meist (noch) nicht und so gehört in Zellers Triathlon-Verein ein Fahrsicherheitstraining mit zu den regelmäßigen Angeboten. Übungen zum Ausweichen, Springen über Hindernisse,  richtiges Bremsen und Zeichengebung für das Fahren in der Gruppe stehen dann auf einem verkehrsfreien Parkplatz auf dem Programm, damit im Ernstfall im entscheidenden Sekundenbruchteil hoffentlich die intuitiv richtige Entscheidung getroffen wird.

 

Die Radwegfrage -  keine Sonderrechte für sportliche Radfahrer

 

Eine Entscheidung die Rennradfahrer und Triathleten immer wieder treffen müssen und in der sich der Konflikt zwischen Autofahrern und Radfahrern mit am deutlichsten zeigt: Rauf auf den Radweg? Ja oder Nein?  Zeller appelliert hier klar und deutlich: "Wenn ein benutzungspflichtiger Radweg (Zeichen 237, 240,241 - siehe www.bmvi.de)  neben einer Straße verläuft, dann muss dieser auch der Rennradfahrer und Triathlet benutzen."  Im Falle eines Unfalls auf der Straße kann dem Radfahrer in so einem Fall die Schuld oder zumindest Mitschuld zugesprochen werden," erzählt Zeller anhand von Beispielen aus seinem Inspektionsbereich. In welchem Umfang ist dann zwar immer Sache der Gerichte, rein dem Schutzgedanken der eigenen Gesundheit geschuldet, sollte aber lieber einmal mehr auf den Radweg ausgewichen werden als einmal zu wenig. Oder man überdenkt im heimischen bekannten Trainingsrevier seine Streckenwahl, um nicht in die bekannte Zwickmühle zu kommen: Freie Fahrt und passender Kilometerschnitt auf der Straße aber zugleich Zielobjekt der Autofahrer, oder Hindernisfahren auf dem Radweg, wenn dort Fußgänger mit oder ohne (angeleintem) Vierbeiner, Inline-Skater oder geparkte Autos ein sportliches Vorankommen erschweren. 

Eine Klingel am Rennrad  oder Triathlonbike kann für so eine Radwegrallye empfehlenswert sein. Allerdings ist diese an einem Rad unter 11 kg (ebenso wie die Lichtanlage), was im heutigen Carbonzeitalter eigentlich immer der Fall ist, keine Pflicht. Laut StVO sind Rennräder und Tribikes keine Fahrräder, sondern Sportgeräte. Pfeifen, rufen oder mit den Bremshebeln klappern und so auf sich aufmerksam machen ist also mit dem Carbon-Boliden erlaubt, wobei hier die Art und Weise des Einsatzes darüber entscheidet, ob man als "Radl-Rambo" oder rücksichtsvoller Radsportler wahrgenommen wird.

 Eine Klingel am Rennrad - kein Pflicht wenn das Rad unter 11 kg wiegt, aber ein nützlicher Helfer für alle die viel auf Radwegen unterwegs sind - © rauschendorfer.de

 

Streitpunkt nebeneinander fahren  - nur erlaubt, wenn niemand behindert wird

 

Ein weiterer Konfliktpunkt ist das Nebeneinanderfahren, das viele Autofahrer oft als besondere Provokation seitens der Radfahrer sehen. Die Regeln sind, so Zeller, auf dem Papier zumindest klar geregelt. So lange kein anderer Verkehrsteilnehmer behindert wird, ist Nebeneinanderfahren auch laut StVO (§2(4)) erlaubt. Übersetzt in die Praxis bedeutet dies. Bei übersichtlicher breiter Straßenführung und wenig Verkehr ist die kommunikative  Zweierreihe auch für Radfahrduos und kleinen Gruppen in Ordnung. Wird die Straßenführung unübersichtlich und schmal oder die Verkehrsdichte höher, dann gilt Einerreihe.  Erst ab einer fünfzehnköpfigen Gruppe (ein sogenannter Verband) ist dauerhafte Zweierreihe erlaubt. Zeller, selbst mit seinem Schongauer Triteam immer wieder in größeren Trainingsgruppen unterwegs, kennt die Problematik dieser Regelung in der Praxis. "Eine Radgruppe mit z.B. 12 Fahrern muss lt. StVO in Einerreihe fahren und ist so länger als ein großer Sattelzug und entsprechend schwer zu überholen."  Autofahrer neigen aber bei einer Einerreihe eher zum Überholen anzusetzen.  Kommt dann überraschend Gegenverkehr ist oft nur noch ein Ausweichen in die Gruppe möglich. Eine geordnet fahrende Zweierreihe wäre nur halb so lang und entsprechend in kürzerer Zeit zu überholen. 

 Fahren in Zweierreihe als Verband - erst ab 15 Radfahrern lt. StVO offiziell erlaubt - © DT Swiss/Michael Riehle

Zeller, der das Flow-Erlebnis einer mehrstündigen Gruppenradausfahrt, in der am Ende oft nur noch der Tunnelblick zwischen dem Hinterrad des Vordermanns und der Tachoanzeige hin und her schwankt, selbst vielfach erlebt hat, hat vor hier allem noch einen Tipp parat: "Gerade hier ist die Konzentration auf den Straßenverkehr trotzdem aufrecht zu erhalten. Ist man als Gruppe unterwegs, dann muss sich am Schwächsten orientiert werden." Außerdem sollte man versuchen, sich in die Situation der Autofahrer hineinzuversetzen: "Wir haben nun mal viele durchschnittliche und schlechte Autofahrer auf unseren Straßen. Viele haben große Probleme die Geschwindigkeit der Radfahrer richtig einzuschätzen. Gerade die leistungsstarken schnelleren Triathleten sollten das immer im Hinterkopf haben. Oftmals sind die Autofahrer auch überfordert, wenn sie eine Gruppe mit mehreren Radfahrern überholen müssen."  Ebenso mahnt er die Sichtbarkeit an. "Viele Triathleten sind mit ihren mattschwarzen Carbon-Maschinen und der dazu passend abgestimmten Bekleidung wie Tarnkappenbomber unterwegs. Autofahren orientieren sich auf der Straße erfahrungsgemäß meist am Gegenverkehr. Ist dieser mit (Tagfahr-)Licht unterwegs, dann wird der schlechter sichtbare Radfahrer rechts am Fahrbahnrand schlichtweg leicht übersehen. "

 

Exkurs: Laufen außerhalb der Ortschaft auf öffentlichen Straßen

 

Für Triathleten hat diese Thematik übriges auch beim Laufen ihre Brisanz. Außerhalb geschlossener Ortschaften müssen Fußgänger und eben auch Läufer auf der linken Seite gehen bzw. laufen. Der Gegenverkehr kann so beobachtet und gegebenenfalls auf das Bankett ausgewichen werden und der von hinten herannahende Verkehr bewegt sich so auf der anderen entfernten Straßenseite. Im Falle eines Unfall kann bei Missachtung dieser Regel übrigens auch dem Fußgänger und Läufer eine Schuld/Mitschuld zugesprochen werden.

Das wichtigste für die eigene Sicherheit ist aber, ungeachtet aller Verkehrsregeln, möglichst "vorausschauend zu fahren".  Damit steigt die Wahrscheinlichkeit möglich viele Kilometer unfallfrei zu absolvieren.