Danish Dynamite: Magnus Ditlev und sein Weg in die Triathlon-Weltspitze

von Elena Heinloth für tri2b.com | 25.09.2022 um 13:32
Der einzige Däne, der es beim Ironman Hawaii bisher auf das Podium schaffte, war im Jahr 2007 Torbjørn Sindballe (3.Platz). Wird sich dies eventuell schon am 8. Oktober ändern, wenn nach drei Jahren Pause wieder der King of Kona gesucht wird? Der erst 24-jährige Däne Magnus Ditlev scheint die Karten neu zu mischen. Plötzlich tauchte er vor drei Jahren in der Triathlon-Szene auf, anfänglich noch als „Außenseiter“. Doch sehr schnell mischte Ditlev ganz vorne mit. Sein Sieg beim diesjährigen DATEV Challenge Roth dürfte dabei nur eine Durchgangsstation zu weiteren großen Siegen gewesen sein.

Als Langdistanz-Novize stellte Ditlev gleich seine erfahrenen Mitstreiter in den Schatten. Bereits bei seinem ersten Rennen über diese Strecke konnte er sich im April 2022 den 2. Platz beim Ironman Texas sichern. In einem dramatischen Schlussspurt musste er sich nur dem US-Amerikaner Ben Hoffman beugen.

Keine drei Monate später schrieb der junge Däne, aktuell die Nummer zwei im PTO Worldranking, dann Geschichte! In dem stark besetzten Starterfeld des Challenge Roth konnte er sich gegen alle Favoriten durchsetzen und blieb am Ende nur winzige 9 Sekunden über Frodenos Streckenrekord aus dem Jahr 2016.

 

Wer ist dieser Däne, der plötzlich ins Rampenlicht der Langdistanzrennen tritt?

Magnus Elbaek Ditlev, so sein kompletter Name, zeigte sich bereits seit 2020 erfolgreich auf der Mitteldistanz. In dieser Saison, in der fast alle Rennen der Corona-Pandemie zum Opfer fielen, dominierte er bei seinem Sieg des Ironman 70.3 Gdynia einmal mehr beim Radfahren! Selbst die deutschen Mitfavoriten Patrick Lange und Florian Angert zählten zu den Geschlagenen. Sein Vorsprung auf die zweitschnellste Radzeit, gefahren von Boris Stein, betrug sagenhafte 5 min. Aktuell hat er über die Mitteldistanz bereits drei Siege und weitere fünf Podiumsplatzierungen vorzuweisen.

Der erste Ironman 70.3-Sieg in Gdynia im Sommer 2020 - © Sport Evolution

 

Was machte ihn zu dem erfolgreichen Athleten, auch „the machine“ genannt, der er heute ist?

Kein „typischer“ Werdegang über eine erfolgreiche Triathlon-Jugend, oder über eine frühere Profi-Karriere in einer der drei Triathlon-Disziplinen geht seinen jetzigen Leistungen voraus. Ganz im Gegenteil: als Kind begeisterte er sich für Mannschaftssportarten wie Football, Badminton, Handball, Tischtennis und Tennis. Erst als einige seiner Freunde ins Ausland gingen und sich somit die Teams auflösten, schloss er sich wegen eines Bekannten einem Laufclub an. 2016 beschloss er, selbst an dem Mitteldistanzrennen, das direkt an seinem Haus vorbei führte, teilzunehmen. Nach eigener Angabe war er „nicht erfolgreich aber mit Spaß dabei“. Von da an war das Triathlon-Feuer in ihm geweckt. Nun hieß es gutes Zeitmanagement zu betreiben, da er nicht nur Vollzeitathlet, sondern auch Vollzeitstudent war.

 

„Die Chemie stimmt“ – Triathlon soll der Sport von Magnus Ditlev werden

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Ditlev noch auf seinen Bachelor im Chemieingenieurwesen hin. Die Methoden und Lösungsansätze, die er sich in diesem Zuge aneignete, wendet er auch gerne auf andere Bereiche, wie den Triathlon an. Dieses komplexe Denken und Verstehen von Zusammenhängen kommt ihm besonders bei seinen Wettkämpfen zugute: An langen Rennen mag er es besonders, dass sie wegen ihrer unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und der Notwendigkeit einer optimierten Energiezufuhr, viel Wissen und Planung voraussetzen. Außerdem hat er stets die Zeiten der letzten Rennen seiner Konkurrenten im Kopf, um einschätzen zu können, wo er sich während des Wettkampfs im Feld einordnen kann. Zudem misst er gerne an den Wendepunkten seinen Vorsprung auf seine Verfolger, um auszurechnen, wie viel schneller sie sein müssten, um ihn noch einzuholen. In Roth konnte er so beim Laufen schnell feststellen, dass Patrick Lange ihn wohl nicht mehr einholen wird. Dieses taktische Geschick zeigte er jetzt auch bei den PTO US Open in Dallas im Duell mit Sam Long. Nachdem er als 22. aus dem Wasser kam, rollte er gemeinsam mit Long das Feld mit einer Galavorstellung auf dem Rad von hinten auf, bis er fast zeitgleich mit seinem amerikanischen Konkurrenten und direkt hinter dem führenden Florian Angert in die Laufschuhe schlüpfte. Long legte dann ungestüm los, während Ditlev kontrolliert blieb. Kurz vor dem Zielkanal folgte seine finale Konterattacke, was ihm Rang zwei sicherte.

Auch in der Vorbereitung kommt ihm seine technische Affinität zugute: noch bevor er gemeinsam mit seinen Partnern professionelle 3D-Scans der Aerodynamik modellierte und berechnete, wurde er selbst kreativ und bastelte Speedbars aus Pappe, Klebeband und einer Yogamatte. Er feilte, schraubte und optimierte also wo es nur ging.

In der absoluten Weltspitze auf der Langdistanz angekommen: Magus Ditlev gewinnt in Roth - © TEAMCHALLENGE/Lars Pamler

 

125 Tage Rollentraining, die sich bezahlt machen!

2018 sollte sein erstes Jahr als Triathlon Profi werden. Nur eine Woche vor seinem ersten gemeldeten Rennen übersah ihn bei einer Abfahrt auf dem TT-Bike ein von der Seite kommendes Auto. Sich in der Aero-Position befindend, hatte Ditlev keinerlei Chance zu bremsen. Nach einem hefigen Zusammenprall fand er sich auf der anderen Seite des Autos wieder. Es folgten zwei Operationen seiner Brüche von Schlüsselbein, Schulter und des rechten Arms. Die Aussichten, die ihm die Ärzte gaben, waren vernichtend für einen Athleten: das Heben des Arms werde nicht mehr in vollem Maße möglich sein, er könne keinen Profisport mehr betreiben. So leicht ließ Ditlev sich nicht unterkriegen. Jetzt ging es nach dem Motto „das ist nicht wahr“ erst recht weiter! 125 Tage auf dem Indoor-Bike, gegen einen großen Gymnastikball als Lenkerersatz gelehnt, folgten mit dem Ziel, der beste Radfahrer unter den Triathleten zu werden.

Wie sich nach einem halben Jahr, als er wieder laufen und schwimmen konnte, herausstellte, hat sich dieses Training auch positiv auf die anderen beiden Disziplinen ausgewirkt. Doch seine Pechsträhne setzte sich weiter fort. Kurz nachdem er sich das zweite Mal für sein erstes Profirennen anmeldete, rutschte ihm bei einem Bergintervall das Rad weg und er stürzte abermals. Das nun verletzte linke Bein sah er als Chance, an seinem Schwimmen zu arbeiten und es von Grund auf richtig zu lernen. Auch heute noch geht es für ihn jeden Morgen mit seinen Teamkollegen von KTK86 und seinem jetzigen Coach Jens Petersen-Bach ins Becken.

All diese Trainingsblöcke, in denen er sich gezwungenermaßen intensiv einer Disziplin widmete, zahlten sich aus. Vor allem auf dem Rad konnte er stark profitieren.

 

Achterbahnfahrt der Gefühle

 

Im Frühherbst 2021 startete Ditlev bei der Challenge Budva-Montenegro. Nach einem sehr starken Rennen kam er als Sieger ins Ziel. Dieser Titel blieb ihm jedoch nur für kurze Zeit erhalten, da er wegen Abkürzen der Strecke disqualifiziert wurde. Grund dafür war das Führungsrad, das auf der Laufstrecke falsch abbog und ihn somit fälschlicherweise auf einen kürzeren Kurs leitete. Später lenkte die Wettkampfjury doch noch ein und erlegte ihm eine Strafzeit von 5min auf. Da er einen so großen Vorsprung auf den zweitplatzierten Patrick Lange hatte, siegte er dennoch. Ditlevs kurze Profizeit ist also bereits von einigen Höhen und Tiefen gezeichnet.

Triathlon – eine soziale Sportart

 

Doch für den 1,95 m großen Dänen, der seit Anfang 2022 Teil des Scott Triathlon-Teams ist, bedeutet Triathlon weit mehr als nur seine Wettkampferfolge zu feiern. Für ihn ist es, obwohl es eine Einzelsportart ist, eine sehr soziale Aktivität. So trainiert er beispielsweise im Keller seiner Freundin oft mit drei weiteren Freunden auf der Rolle. „Das bringt neben zusätzlicher Motivation auch jede Menge Spaß!“ Auch seine Naturverbundenheit kann er durch diesen Sport voll und ganz ausleben. Er denkt, wäre er in der Stadt und nicht auf dem Land aufgewachsen, würde er kein Triathlon machen. Doch so kann er die Landschaft, Stille und Laute der Natur beim Training in vollen Zügen genießen. Das Training in seiner dänischen Heimat stellt für ihn eine unbeschreibliche Lebensqualität dar.

"The Maschine" Magnus Ditlev: Auf dem Rad kann er die Rennen mitdiktieren - © TEAMCHALLENGE/Simon Fischer

 

Anwärter auf die Kona-Krone?

 

Auf dem Weg zurück von seiner ersten Langdistanz in den texanischen Woodlands erstellte er gemeinsam mit seinem Coach einen Plan, wie er trainieren muss, um Hawaii zu gewinnen. Wie er nun schon in Roth zeigen konnte, scheint es sich um einen erfolgversprechenden Plan zu handeln. Außerdem scheinen ihm auch extreme Hitzebedingungen durchaus zu liegen. Das konnte er gerade erst bei den PTO US Open unter Beweis stellen. Er trotzte in Dallas dem 28 Grad warmen Wasser, das ein Kaltgetränk beim Landgang zur Wohltat werden ließ, und schien bei 34 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit auf dem Rad optimale „Betriebstemperatur“ zu erreichen; zumindest spricht seine Leistung dafür. Auf Big Island zählt der 24-Jährige trotzdem als Rookie und muss sich erst mit den dortigen sehr speziellen Bedingungen anfreunden.

Helfen dürfte ihm auch dort sein Vorsatz - voller „Fokus auf meine eigene Entwicklung.“ – sowie sein Erfolgsgeheimnis: Am Morgen des Wettkampfs ein Weißbrot mit Nutella!