Kurzmeldung


Überbewertet und missverstanden: Hellriegels Rolle im Schwenk nach Frankfurt

von Frank Ketterer für tri2b.com | 09.01.2003 um 12:00
Als am Dienstag der große Vogel Richtung Lanzarote und Trainingslager abhob, war Thomas Hellriegel nur noch froh. Zum einen brachte ihn der Flieger weg von den eisigen Minusgraden der Heimat direkt hinein in die geliebte Wärme, zum anderen weit fort von so manch andersartiger Turbulenz, die es in den letzten Tagen um ihn gegeben hatte. Seit kurz vor Weihnachten bekannt geworden war, dass der erste und nach wie vor einzige deutsche Hawaii-Sieger in diesem Jahr beim Ironman Germany in Frankfurt an den Start gehen wird und nicht - wie ursprünglich geplant - beim Quelle Challenge in Roth, war es nämlich schlagartig vorbei mit der Ruhe und Beschaulichkeit, die der Badener ansonsten so sehr schätzt.

 

Von harscher Kritik bis zum Amoklauf

Kein Tag, an dem nicht mehrfach das Telefon gebimmelt hätte mit einem Anruf zum großen Thema, kaum eine Stunde, in der nicht Post einlief im elektronischen Briefkasten auf der Homepage. Viel schlimmer als die Tatsache an sich aber war, dass es sich dabei meist um negative Rückmeldungen aus der Szene handelte, meist frei nach dem Motto: "Ich find`s Scheiße, dass du in Frankfurt startest." Hellriegel, seit acht Jahren treuer Starter im Frankenland und mehrmals Zweiter dort, schien mit seinem Entschluss pro Frankfurt vielen von jetzt auf nachher zum Verräter an Roth mutiert. Triathleten sehen solche Dinge bisweilen wie ihren Sport: äußerst verbissen.

So recht verstehen kann Thomas Hellriegel all die Aufregung, die er mit seiner Entscheidung auf sich gezogen hat, immer noch nicht. Okay, dass darüber geredet werden würde, war ihm schon klar; dass der ein oder andere seiner dreikämpfenden Sportskameraden deswegen gleich zum Amoklauf tendieren würde, hat ihn dann aber doch unvorbereitet getroffen - und etwas fassungslos gemacht. "Man wird nach acht Jahren doch mal irgendwo anders starten dürfen als in Roth, ohne dafür gleich gesteinigt zu werden", sagt Hellriegel, mancher in der Szene scheint das anders zu sehen.

 

Missverständliche Signale

Dabei, darauf legt der Badener ganz besonderen Wert, hat er weder sein Wort gebrochen noch Verträge. "Roth war zwar lange Zeit die wahrscheinlichste Startvariante für 2003", blickt Hellriegel zurück, und natürlich habe er mit Roth-Chef Herbert Walchshöfer darüber auch schon gesprochen. "Aber es war da noch nichts sicher und auch noch nichts abgemacht", sagt der Profitriathlet, geschweige denn unterschrieben. Dass seine Anwesenheit bei der Präsentation der "Worlds Best"-Serie im November in Nürnberg anderes glauben machte, darüber ist sich Hellriegel durchaus bewusst. "Herbert Walchshöfer hat mich darum gebeten, zur Pressekonferenz nach Nürnberg zu kommen und ich habe seiner Bitte entsprochen", sagt Hellriegel. Mehr nicht. Ein konkretes oder gar schriftlich fixiertes Angebot von Rother Seite lag ihm zu diesem Zeitpunkt schließlich noch gar nicht vor, offensichtlich war sich Walchshöfer seiner Sache all zu sicher.

 

Frankfurt lag längst bei den Akten

Die Verhandlungen mit Frankfurt kamen ohnehin erst später zustande, ursprünglich hatten wohl beide Seiten nicht damit gerechnet, überhaupt zusammenfinden zu können: Die Frankfurter waren fest davon ausgegangen, dass Hellriegel und seine Mannschaftskameraden vom Corpus Team Hilpoltstein erneut in Roth an den Start gehen würde, Hellriegel wiederum hatte das Thema Frankfurt nach kurzen, wenig fruchtbaren Verhandlungen mit Ironman-Chef Kurt Denk über einen Start im Vorjahr so gut wie zu den Akten gelegt. Dass nun, Anfang Dezember, sich doch noch der neue Ironman-Sprecher Andreas Richter bei ihm meldete, überraschte den Hawaii-Champion von 1997 sogar ein wenig. Der Rest ging relativ flott: Ein paar Mails gingen hin und her, ein paar Gespräche wurden geführt, Mitte Dezember kam es bereits zum Vorvertrag mit den Frankfurtern. "Wir sind uns ziemlich schnell einig geworden", sagt Hellriegel, auch deshalb, weil Kurt Denk sich bei den Verhandlungen durchaus kompromissbereit gezeigt habe, was sich unter anderem darin niederschlagen hat, dass Hellriegel auch in Zukunft seinem angestammten Reiseveranstalter treu bleiben kann (Hannes Hawaii Service). "Der Vertrag umfasst ausschließlich die Veranstaltung Ironman", sagt Hellriegel.

 

Corpus-Krise hat das Team zusammengeschweißt

Nicht ganz unwichtig für die Entscheidung pro Frankfurt dürfte freilich auch die Sorge um den Fortbestand der gemeinsame Mannschaft mit Stefan Holzner, Markus Forster und Faris Al-Sultan gewesen sein, dem bisherigen Corpus Team Hilpoltstein. Zwar möchte Hellriegel die in der Szene kursierenden Gerüchte über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Corpus-Chef Jürgen Sessner nicht weiter kommentieren, gleichsam aber gibt er zu, dass das freundschaftliche Verhältnis zu Sessner in jüngster Vergangenheit doch deutlich abgekühlt ist. "Das Team hätte sich wahrscheinlich auch so aufgelöst", befürchtet Hellriegel, jedenfalls sind alle vier Mannschaftsmitglieder bereits fristgerecht zum 30. November - und somit noch vor den Verhandlungen mit Frankfurt ausgetreten. Auch Sessner gibt wirtschaftliche Probleme durchaus zu. "Uns fehlte ein Hauptsponsor und es war auch keiner in Aussicht. Deshalb war die finanzielle Grundlage für das Team nicht gegeben", sagte er beispielsweise Anfang Januar der "Nürnberger Zeitung". "In der Mannschaft selbst gab's nie Probleme", betont derweil Thomas Hellriegel. Vielmehr das Gegenteil sei der Fall: "Die ganze Sache hat uns noch enger zusammengeschweißt. Wir wollen auf jeden Fall zusammenbleiben."

 

Sponsorendeals sind Hellriegels Verdienst

Um das bewerkstelligen zu können, ist Hellriegel persönlich durch die Lande gereist und hat Gespräche mit den Sponsoren geführt, unter anderem war er bei Cannondale in Basel, die ihre Unterstützung prompt verlängert haben. Der Einstieg von Opel in Frankfurt als Titelsponsor könnte nun auch für Hellriegels Mannschaft ein Segen werden - und das Überleben als Team sichern. Zwar unterstützte der Autobauer aus Rüsselsheim schon das Corpus-Team, allerdings ausschließlich mit der Bereitstellung von sechs Fahrzeugen. Nun, da Opel den Triathlon für sich entdeckt zu haben scheint, könnte daraus durchaus mehr werden. "Ein Opel-Team im Triathlon, das wär's doch", entwirft Thomas Hellriegel bereits Pläne für die Zukunft.

Zaehler