Adieu Kona? – ein Kommentar

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 09.01.2023 um 13:35
„Du machst Triathlon? Dann ist sicher der Ironman Hawaii dein großes Ziel? Was, du warst da wirklich schon dabei, das ist ja Mega!!!“ Diese Begebenheit dürften Kona-Finisher zur Genüge kennen. Eine Ironman Hawaii-Teilnahme ist der Ritterschlag schlechthin für jeden Triathleten.

Das war über 40 Jahre so und hat trotz der mittlerweile großen Anzahl an Ironman Hawaii-Finishern nicht wirklich nachgelassen. Ein Rennen auf der anderen Seite der Weltkugel, inmitten des Pazifiks, 12 Stunden-Zeitverschiebung, extreme Bedingungen und ein Rennkurs und Rennverläufe, die über die Jahre unzählige Heldengeschichten geliefert und Helden geboren haben.

Aber was bringt die Zukunft, nachdem Ironman für die Austragungen von 2023 bis 2026 die Aufteilung in ein Männer- und Frauen-Rennen, in Rotation zwischen Big Island und Nizza finalisiert hat?

Kann so der liebgewonnene Hawaii-Mythos am Leben gehalten werden? Weltmeisterschaften im Zwei-Jahres-Turnus sind in vielen Sportarten die Regel, z.B. im Alpinen und Nordischen Skisport, ebenso in der Leichtathletik. Die Tour de France steuert auch nicht jedes Jahr die ikonischen Pilgerstätten wie den Galibier oder Alpe d´Huez an. Dem Mythos der Tour tut dies keinen Abbruch. Nizza als Kona-(Teil)-Ersatzort ist daher sicher nicht die schlechteste Lösung. Die Stadt, die Region und das Rennen haben definitiv Charme und für Europäer ist es aus Kostensicht eine günstige Ironman-WM, auch wenn die Côte d'Azur beim Preisniveau durchaus mit Kona mithalten kann (selbst aktiv recherchierter Fun-Fact: Bierpreis 2022 an der Promenade des Anglais 10,- EUR, Bierpreis 2022 am Pier von Kailua-Kona 7.- $). Wobei man das von vielen so geschätzte Nizza-Race-Feeling beim normalen Ironman France auch schon fürs halbe Startgeld bekommt.

Die Traditionalisten wollen aber kein Café au Lait, sondern 100% Pure Kona Coffee und wünschen sich den gemeinsamen Raceday in Kona zurück. Vergessen wird dabei aber, dass das Agegroup-Rennen in den letzten Jahren mit 2.400 Athleten und Athletinnen sportlich beim Radfahren in weiten Teilen eine Farce war, trotz der mehrmals angepassten Startgruppen-Aufteilung. Ein Zurück zu unter 2000 Teilnehmenden dürfte zumindest auf kurze Sicht absolut illusorisch sein, auch wenn dies einer sportlich wertigen WM am ehesten gerecht würde. Zum einen sind die Dollar-Zeichen im roten M-Dot-Logo unter dem aktuellen Geschäftsmodell dafür einfach zu groß. Ironman will seine über die Jahre immer größer gewordene Kundschaft bedienen und lotet hier einmal mehr die Grenzen aus.

Der aktuell beste Spagat zwischen Mythos und Kommerz wäre wohl eine Zweitages-Kona-Lösung mit einem nicht komplett ausgereizten Starterfeld (z.B. 2.000 Startende pro Raceday) gewesen. Der 2022er Versuchsballon war, was die reine Event-Durchführung betrifft, durchaus gelungen und hätte eine optimierte Fortsetzung verdient. Die Preisexplosion bei den Reisekosten, die den Ironman Hawaii einmal mehr für viele zum finanziellen Drahtseilakt machte, ist eine andere Sache. Das erste Post-Corona-Jahr, die Energiekrise und die sehr hohe Nachfrage sorgten für teils unmoralische Mondpreise und befeuerten unter den Triathleten die Diskussion der Zweiklassen-Gesellschaft, in die, die es sich leisten können und die, die außen vorbleiben. Von daher ist Nizza auch eine Chance.

Die Triathletinnen und Triathleten haben es jetzt selbst in der Hand und können entscheiden, ob sie Ironman-Weltmeister/in an der Promenade des Anglais werden wollen. In der Vergangenheit gab es immer wieder mal Aufrufe in der Szene dem Ironman-Kommerz mit einer Startverweigerung den Kampf anzusagen. Ironman hat genau dieses „Problem“ bereits erkannt und entsprechend die Nizza-Slots bei den europäischen Qualirennen deutlich angehoben. Allerdings fehlt diesem Lockruf an die Côte d'Azur das Ironman-Alleinstellungsmerkmal, die Chance auf den „Once in a Lifetime“-Ritterschlag am Alii Drive.

Die beschlossene Aufteilung zwischen Kona und einem Austragungsort außerhalb wird wohl den Ironman Hawaii-Mythos gehörig ins Wanken bringen. Ob er endgültig fällt, hängt von der weiteren Entwicklung in den kommenden Jahren ab. Mittelfristig müssen sich die besten Männer und Frauen, Pros und Agegrouper, wieder gemeinsam in Kona messen. Am besten nur 1.500 Teilnehmende an einem Tag in einem wirklich fairen Rennen – Aus, Ende, Basta. Das ist hart für alle, die dann ihren Traum vom Finish am Alii Drive begraben müssen, wird aber den Mythos Ironman Hawaii und damit die Marke Ironman am Leben erhalten.

Harald Eggebrecht

Der tri2b.com-Inhaber war seit 1995 insgesamt 17-mal beim Ironman Hawaii live vor Ort (4-mal als Teilnehmer & 13-mal als - Berichterstatter) - © Michael Rauschendorfer