Indoor-Radtraining: Smarttrainer oder klassische Rolle – welche Hardware brauche ich?

von Sven Weidner für tri2b.com | 13.01.2022 um 20:51
Nachdem wir im ersten Teil unserer aktuellen Themenreihe zum Rollentraining ein paar Vor- und Nachteile des Indoor-Trainings aufgezeigt haben, geht es in diesem Beitrag darum welche Komponenten ihr benötigt bzw. welche Typen von Trainern es gibt. Dabei sei schon direkt eines klar gestellt: Rollentraining muss nicht teuer sein! Denn auch heute bieten Hersteller wie Tacx, Wahoo, Elite und Saris noch Trainer von Low bis Hightech an. Somit können wir Triathleten uns entsprechend unserer Wünsche das am besten passende Modell wählen. Vielleicht sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass klassische Ergometer aus dem Fitnessstudio hier keine Berücksichtigung finden, da es in dieser Reihe um das Training auf dem eigenen (Renn-)Rad gehen soll und seien wir auch einmal ehrlich: Die meisten Sitze von Ergometern lassen auch keine Ausfahrt von mehr als Cardio-Warmup-Länge ohne Schmerzen zu.

Beginnen wir unsere Modelloptionen mit dem vermeintlich einfachsten Modell von Rollentrainern, der freien Rolle. Böse Zungen würden sagen, dass eine freie Rolle wie ein kaputtes Paketband in einer Versandabteilung aussieht. Während es gerade in den 90ern noch „state of the art“ war, dürfte diese vielen jungen Triathleten nicht mehr unbedingt bekannt sein. Doch auch heute hat dieses Rollentrainerformat noch seine Daseinsberechtigung.

 

Die freie Rolle: Günstiger Push für die Trettechnik, aber keine hohen Widerstände

 

Pro:  Zum einen muss der unschlagbar günstige Preis angemerkt werden. Selbst Markenmodelle sind in der Regel zu einem Neupreis von deutlich unter 150 € zu erhalten. Darüber hinaus lässt die relativ einfache Konstruktion einen einfachen Transport zu, sodass die freie Rolle sogar einfach für das Warm-up vor dem Triathlon mitgenommen werden kann. Auch im normalen Alltag muss nicht erst umständlich umgebaut werden, um von Rolle auf Straße zu wechseln oder umgekehrt. Neben diesen eher pragmatischen Gründen spricht auch die Anforderung an das Training einen Grund für ein Training mit ihnen. Auf der freien Rolle kann die Tritttechnik und das gleichmäßige Fahren perfekt trainiert werden. Durch die schmale Konstruktion mit ca. 40 cm Laufbreite muss die Konzentration auch ständig auf dem Training sein, was zu einer Steigerung der Effizienz führt.

Die freie Rolle: In Zeiten von Zwift & Co. weitgehend in der Versenkung verschwunden © tri2b.com

Contra: Doch gerade die Breite stellt auch ein großes Manko dar. Denn gerade für Anfänger ist die Anforderung an Koordination und Aufmerksamkeit nicht zu unterschätzen. Besonders das Einklicken in die Pedale kann schnell zu einem Sturz bei Neulingen führen. Auf Youtube lassen sich etliche „roller fails“ finden, die Stürze aus den verschiedensten Situationen zeigen. Ferner verfügen freie Rollen häufig nur über eine Widerstandsstufe, bzw. es muss richtig dick gekettet werden, was zu einer alles andere als leisen Geräuschkulisse führt. Schließlich kann auch das Training leiden, denn gerade bei Sprints mit hohen Geschwindigkeiten muss häufig auf Leistung zugunsten der Kontrolle verzichtet werden. Schließlich lassen sich mit den meisten Modellen keine virtuellen Trainingsumgebungen verbinden.

Der Runde Tritt und hohe Trittfrequenzen - auf der freien Rolle bestens trainierbar - © tri2b.com

Aber die Hersteller haben auch hierfür Lösungen. Für Anfänger lassen sich Vorderradhalter zukaufen, die die Kontrolle deutlich vereinfachen. Für Fahrer mit höheren Ansprüchen gibt es auch exklusive und entsprechend teurere Varianten, die mit verstellbarem Widerstand und Einbindung in virtuelle Trainingswelten einherkommen.

 

Der einfache Rollentrainer: Bessere Steuerung der Widerstandsstufen mit hoher Geräuschkulisse  

 

Ein weiteres Modell von Rollentrainern stellt der einfach Rollentrainer dar. Bei diesen wird die Steckachse am Hinterrad gegen eine mit spezieller Form getauscht. Durch diese lässt sich das Fahrrad auf eine Walze spannen, die für ein realistischeres Fahrgefühl mit einer Schwungmasse verbunden ist. Preislich liegt man beim „Basic“-Rollentrainer nur etwas über dem Preis für freie Rollen. Durch die zuvor beschriebene Befestigung des Rades sind Stürze so gut wie ausgeschlossen und bedürfen doch einiges an Tollpatschigkeit.

Pro: Der einfache Rollentrainer hat neben diesem Sicherheitsaspekt auch den Vorteil, dass während der Fahrt der Widerstand angepasst werden kann. Während günstigere Modelle meist um die 10 nicht genauer definierten Widerstandsstufen haben, bieten höherpreisige Modelle nach Eingabe des Systemgewichts den Widerstand in 5 Watt-Schritten zu steuern. Somit kann das Training zum einen genauer gesteuert werden und zum anderen eine Vielzahl verschiedener Programme leichter umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Montage immer noch kinderleicht und blitzschnell erledigt. Ein weiterer Punkt der ebenso für die freien Trainer spricht, ist die Unabhängigkeit von Stromquellen. So kann jeder Stromausfall einfach durchgeradelt werden.

Contra: Allerdings hat diese Bauform auch ein paar Nachteile. Bei klassischen Rollentrainern kommt es schnell zum weiße Wand Effekt. Aufgrund der festen Einspannung sind jegliche Gefahren eliminiert und die Gedanken können überall sein. Dadurch kommt jedoch schnell eine Monotonie auf, die sich gerade bei Fahrten über einer Stunde Länge wie Folter anfühlen kann (das Gefühl Wochen auf die weiße Kellerwand starren zu müssen). Natürlich bieten alte Tour-Etappen und „video-on-demand“- Dienste eine gewisse Ablenkung, allerdings funktioniert das nicht für jeden. Ein weiterer Nachteil ist die teils immense Lautstärke, die erreicht wird. Bei 20 sec-Intervallen kann bei manchen Rollentrainern der Nachbar auf die Idee kommen, dass ein Turbinentest statt Indoor-Training durchgeführt wird.

Gegen diesen Lärm können zwar spezielle Reifen aufgezogen werden. Diese sind allerdings nicht ganz leicht zu montieren, da sie durch ihren festen Sitz Schwingungen und damit Lärm verringern sollen. Schließlich sollte jedem Sportler bewusst sein, dass die Reifen auf einer heiß gefahrenen Rolle relativ schnell runtergefahren werden.

 

 Smarttrainer: Abtauchen in die virtuelle Radwelt

 

Die dritte Trainerart sind die Smarttrainer. Diese sind die jüngsten und am höchsten technisierten Vertreter der Rollentrainer. Smarttrainer haben meist einen Direktantrieb. Das bedeutet, dass man das Hinterrad seines Fahrrads quasi gegen den Trainer tauscht. Dabei sitzt ein eigenes Ritzelpaket (sollte der Abstufung des Ritzelpakets des ursprünglichen Hinterrads entsprechen oder exakt dieses sein) auf der Achse des Rollentrainers und treibt so das Innenleben an.#

Moderne Smarttrainer wie der Taxc Flux können das Indoor-Training zum Spiel machen - tri2b.com

Pro: Was im ersten Moment kompliziert und umständlich klingt, sind in der Praxis nur ca. 30 Sekunden, die man zum Umbau benötigt. Durch die Konstruktion der Smarttrainer gibt es deutlich weniger Vibrationen, was zu erträglicher Lärmentwicklung auch unter Volllast führt.

Doch der wohl größte Vorteil dieses Typen ist die Verbindungsmöglichkeit mit diversen Computerprogrammen, weshalb er auch ein „Smart-“Trainer ist. Diese ermöglichen, dass der Widerstand entsprechend der Steigung in der virtuellen Welt angepasst wird oder aber ein vorgegebenes Programm unabhängig von der Trittfrequenz abgefahren werden kann. Gerade die virtuellen Welten bieten auch noch Anbindung an Sportler aus aller Welt. Das bedeutet, dass man in Hintertupfingen die Möglichkeit hat sich virtuell in den Windschatten von zum Beispiel Jan Frodeno in Girona zu hängen. Wenn das mal keine zusätzlichen Kräfte freisetzt. Schließlich können die virtuellen Kilometer kinderleicht auf Trainingsplattformen exportiert werden, sodass das Trainingstagebuch lückenlos geführt bleibt.

Auch bei Lastspitzen sind moderne Smarttrainer bei der Geräuschentwicklung relativ smart - © tri2b.com

Contra: Doch ohne Strom kommt man mit Smarttrainern leider nicht sehr weit. Auch ein Ausfall des heimischen WLAN könnte den Spaß am Indoor-Training vermiesen, da die meisten Programme zumindest zum Starten einen Onlinelogin benötigen. Daneben sollte sich auch von den Anschaffungskosten her überlegt werden, ob die Rolle häufig genutzt wird. Unter 400 € wird man nicht mal einen guten gebrauchten Smarttrainer finden. Dazu kommen dann noch die Abokosten, die viele Plattformen erheben. Als letzten Kritikpunkt kann man noch die sperrige Transportfähigkeit des Trainers anführen. Einmal platziert, wird man ihn wohl nicht so schnell wieder bewegen, da sie sich meist nicht einmal zusammenklappen lassen. Dementsprechend lohnt sich die Einrichtung einer festen „pain cave“ (hipper Name für die heimische Trainingsecke) mit großem Bildschirm, Ventilator und vielem mehr.

 

Material-Upgrade: Nach oben sind Grenzen gesetzt

 

Neben den smarten Rollentrainern gibt es auch noch einiges an ausgefallenem Zubehör, dass man sich für Smarttrainer kaufen kann. So bieten Firmen wie Elite und Wahoo Einspannmöglichkeiten für die Fahrradgabel, um diese je nach Steigung anzuheben. Dies soll für ein noch realistischeres Fahrgefühl sorgen. Darüber hinaus gibt es Ventilatoren, die ihre Gebläsestärke an das aktuelle Tempo anpassen und damit den Fahrtwind simulieren sollen. Schließlich gibt es als Zubehör auch bewegliche Vorderradhalter, die die Stellung des Vorderrads erfassen sollen und somit das virtuelle Fahrrad steuerbar machen. Uns Triathleten sind heute fast keine Grenzen gesetzt, um unser Indoor-Training aufzumotzen, sofern man das nötige Kleingeld hat. Als kleine Randnotiz sei hier erwähnt, dass Zwift (Rollentrainings-Software wird im Teil 3 vorgestellt) ein smartes Indoor-Rad im Stil des Hollywoodfilms Tron für mehrere Tausend Euro auf den Markt bringen möchte. Dementsprechend sollte in näherer Zukunft wohl für jeden Triathleten das richtige Paket zu finden sein.

>> zurück zu Teil 1: Rollentraining 2.0 - sind die Tage der weißen Kellerwand Geschichte?

>> weiter zu Teil 3: Indoor-Cycling-Software: Mit Frodo in und um den Vulkan radeln - welche App solls sein?