Rollentraining: Mit Schwellentraining zur Top-Radform

von Jo Spindler für tri2b.com | 03.02.2013 um 11:45
Einige Triathleten lieben das Training auf der Rolle, einige hassen es - aber kaum einer kann sich drum drücken. Gerade im Winter gibt es oft keine andere Möglichkeit eines sinnvollen Radtrainings. Meiner Auffassung nach ist das Training auf der Rolle kein notwendiges Übel, sondern die effektivste Form des Radtrainings überhaupt. Brett Sutton setzt Rolleneinheiten bei seinen Athleten des TeamTBB das ganze Jahr über ein – mit großem Erfolg. Und nicht nur dann, wenn das Wetter wirklich zu schlecht zum Radfahren ist. Momentan sind wir im Trainingslager auf Lanzarote, aber trotz 25 Grad, Sonne, wenig Verkehr und idealen Trainingsbedingungen fahren wir ein- bis zweimal pro Woche auf der Rolle.

Ideal eignet sich die Rolle für ein intensives Intervalltraining. Hier wird der große Nachteil der Rolle, die Monotonie, zum entscheidenden Vorteil. Weder von Verkehr, Landschaft oder Gleichgewichtsproblemen abgelenkt, kann man sich ganz darauf konzentrieren Intensitäts- und Tretfrequenzvorgaben einzuhalten. Nirgendwo kann man sich so gefahrlos verausgaben, wie auf der Rolle. Wir bevorzugen Rollentrainer, in die wir unsere Wettkampfräder(!) fest einspannen können. Freie Rollen erfordern zu viel Konzentration auf das Fahren selbst. Spinning-Bikes haben immer eine andere Geometrie, oft andere Kurbellängen und fast immer einen deutlich schlechteren Q-Faktor (Abstand der Kurbelarme zueinander) als ein Renn- oder Triathlonrad.

Die typische Einheit auf der Rolle schaut für viele Athleten oft so aus: Eine CD mit einer Staffel von Two and a half Men einlegen, aufs Rad setzen und dann so lange im Grundlagenbereich fahren, wie man die Sprüche von Charlie Sheen aushalten kann. Das ist freilich nicht die Art von Rollentraining, die ich hier empfehlen möchte (obwohl natürlich nichts gegen Two and a half Men zu sagen ist). Bevor ich aber zu einigen wirklich guten Programmen komme, zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen:

Periodisierung: Kurz im Winter, lang im Sommer

Die klassische Lehrmeinung zur Periodisierung lautet: Grundlagentraining im Winter, intensivere Sachen im Frühling, wenn die Grundlage gelegt ist und Intervalle und Wettkampfausdauer zum Saisonhöhepunkt hin. Ich mache es mit meinen Athleten anders: Umgekehrte Periodisierung ist das Credo! Intervalle im Winter und dann die langen Einheiten zum Sommer hin, wenn das Wetter mitspielt. Im Winter, wenn es kalt und dunkel ist, Grundlage zu trainieren (ob nun draußen oder auf der Rolle), erfordert so viel mehr an Motivation und Überwindung, dass es einfach nicht praktikabel ist. Einige Athleten kämpfen sich in bewundernswerter Weise bis in den Frühling durch, und sind dann, wenn das Wetter endlich wieder gut ist und das Radfahren draußen richtig los gehen könnte, so ausgelaugt, dass sie schlicht und ergreifend keine Lust mehr aufs Radtraining haben. Ich will meinen Athleten das Training so leicht wie möglich machen. Alles, was es erleichtert, überhaupt mit der Trainingseinheit zu beginnen, ist gut. Deshalb: Kurze Einheiten im Winter auf der Rolle. Und die langen Sachen im Sommer.

Jo Spindler
Jo Spindler ist Triathlon-Profi und seit 2011 Headcoach des teamTBB Germany. Er konnte in seiner Karriere 5 Langdistanzrennen gewinnen. Als Coach wurde Jo von der Trainerlegende Brett Sutton ausgebildet. Jo trainiert Athleten aller Leistungsklassen. Homepage und Kontakt: www.jospindler.com


Dauer und Intensität: Kurz und hart

Meine Rollenprogramme dauern zwischen 60 und 100 Minuten, nur in ganz besonderen Fällen länger. Das ist kurz genug, um dem Athleten die Überwindung zur Rolleneinheit zu nehmen, und doch lange genug, um einen effektiven Trainingsreiz zu setzen - immer vorausgesetzt freilich, die Intensität ist hoch genug. Nicht selten sind die Programme so ausgelegt, dass 70% der Gesamtdauer einer Einheit an der anaeroben Schwelle gefahren werden. Effektivität und Zeitersparnis sind die großen Vorteile der Rolle. Beispielsweise bietet ein Programm wie 15 x (3min EB / 1min G1) einen hervorragenden Trainingseffekt und mit Umziehen und Duschen ist man innerhalb von 70 Minuten fertig.

Leistungsmessung

Am meisten Spaß macht das Rollentraining mit einem Leistungsmesser. Das hat mehrere Gründe: Basierend auf einem Leistungstest (übrigens unkompliziert auf der Rolle durchzuführen), hat man exakte Intensitätsvorgaben; gleiche Einheiten lassen sich exakt miteinander vergleichen; und Leistungsfortschritte (die sich bei meiner Art des Rollentrainings garantiert einstellen) sind leicht und zuverlässig festzustellen. Mittlerweile hat praktisch jeder Hersteller einen Rollentrainer im Sortiment, der Wattwerte anzeigt. Nur leider haben Vergleichsfahrten mit SRM-Leistungsmesser ergeben, dass diese Wattangaben wenig zuverlässig sind. Was die Rolle anzeigt, hängt vor allem vom Anpressdruck des Reifens ans Schwungrad ab. Je höher der Anpressdruck, umso höher der Rollwiderstand – und umso größer die Diskrepanz zwischen tatsächlich erbrachter und angezeigter Leistung. Damit könnte man leben, wenn man das Rad immer unverändert eingespannt lässt und immer mit dem gleichen Luftdruck fährt. Auch wenn die absoluten Werte nicht stimmen sollten, blieb der Fehler immer gleich und die Einheiten wären immerhin untereinander vergleichbar. Leider aber ändert sich der Rollwiderstand des Reifens während der Trainingseinheit signifikant. Nämlich dann, wenn sich der Reifen durch den Widerstand des Rollentrainers (Reibung und Walkarbeit) erwärmt. Je wärmer der Reifen wird, umso geringer wird der Rollwiderstand. Abhängig von der Umgebungstemperatur sind hier deutliche Unterschiede sogar innerhalb eines Intervalls feststellbar. Nun haben einige Rollen die Möglichkeit, die Anzeige zu rekalibrieren. Aber da man ja keinen absoluten Vergleich hat, hilft das auch nicht weiter.

Was folgt daraus?

Die optimale Lösung wäre ein Leistungsmesser am Rad. Das ist allerdings teuer. Die zweitbeste Lösung ist trotz allem eine Rolle, die Wattwerte anzeigt. Auch wenn die Werte womöglich nicht ganz genau stimmen, kann man doch die Widerstände genau und einfach ansteuern und - mit den oben genannten Einschränkungen - ist immerhin eine gewisse Vergleichbarkeit von Einheiten untereinander gegeben. Natürlich sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass die angezeigten Werte einer solchen Rolle zum Teil erheblich (+/-20%) von den tatsächlichen Werten abweichen können. Aufgrund des durch den Anstieg der Körpertemperatur bedingten Anstiegs der Herzfrequenz, funktioniert die Intensitätsbestimmung über Pulsmesser nicht oder nur sehr eingeschränkt.

Schwungmasse

Aufgrund der fehlenden Schwungmasse ist die auf Rollentrainern angezeigte Leistung geringer. Allerdings gilt: Je höher die Schwungmasse der Bremse, umso geringer der Unterschied. Ein Maximaltest über 20 Minuten wird auf der Rolle niedriger ausfallen als draußen auf der Straße. Das ist nicht schlimm, man sollte nur die Rollenwerte nicht fürs Training draußen verwenden und umgekehrt. (Man kann den Unterschied verringern, indem man den Schlauch des Hinterrades mit Wasser befüllt – aber eigentlich lohnt sich die Mühe nicht.)

Karbonrahmen – für die fixierte Rolle geeignet?

Nach Rücksprache mit einigen Herstellern, halten die neuen Karbonrahmen die Belastung in der Rolle gut aus. Man sollte es dennoch vermeiden, viel im Wiegetritt zu fahren. Am besten ist es, nur in Intervallpausen zur Entlastung des Gesäßes und der Muskulatur aufzustehen, nicht aber hohe Intensitäten im Wiegetritt zu fahren.

Trittfrequenz: Niedrig bei den Langstrecklern

Bestimmte physiologische Anpassungen, die gerade für die Leistung auf der Mittel- und Langdistanz wichtig sind, erfordern niedrige Trittfrequenzen. Hohe Frequenzen sind da eher kontraproduktiv. Aus diesem Grund vermeide ich in meinen Programmen hohe Kadenzen und bitte meine Athleten auch, kein typisches Spinning-Training zu machen. Das gilt für Triathleten. Das Training für reine Radfahrer ist anders strukturiert, da Radrennen andere Leistungsanforderungen an den Athleten stellen als Triathlonwettkämpfe.

Trettechnik

Da der Athlet auf dem Rad fixiert ist und das Sportgerät den Bewegungsablauf vorgibt, existieren auf dem Rad kaum oder keine messbaren Unterschiede in der Bewegungsökonomie – anders als etwa beim Schwimmen oder Laufen. Daher halte ich von sogenanntem „Techniktraining“ auf der Rolle wenig. Mit hohen Kadenzen (siehe oben) oder einbeinig fahren, das kann man machen, um die Zeit totzuschlagen. Wirkliche Leistungsverbesserungen sollte man sich davon nicht erwarten. Das beste Techniktraining ist nahe an der anaeroben Schwelle zu trainieren. Dann werden die Muskeln gezwungen, sich möglichst gut zu koordinieren und möglichst effektiv zu arbeiten.

Kühlung

Hitze ist eigentlich gut für den Körper. Wir verwenden keine Ventilatoren beim Rollentraining – lieber ordentlich geschwitzt! Der Körper ist so besser auf das nächste Trainingslager oder den nächsten Wettkampf vorbereitet, die ja ziemlich oft an einem warmen Ort stattfinden. An die Hitze beim Rollentraining gewöhnt, fällt die Anpassung an wärmere Temperaturen deutlich leichter, Wasser- und Mineralienhaushalt normalisieren sich schneller.

Ablenkung

Bei meinen Programmen hat man ziemlich viel damit zu tun, die Intervallvorgaben einzuhalten. Einen Film dabei zu sehen, ist da nicht mehr möglich (sorry Charlie) – sollte es doch möglich sein, stimmen die Intensitätsbereiche nicht. Aber: Musik macht alles leichter. Je lauter, je besser.