Übertraining: Wenn das Triathlontraining immer müder macht (Teil 1)

von Stefan Drexl für tri2b.com | 23.10.2013 um 14:52
Der Großteil aller Triathleten denkt nach wie vor, dass umfangreiches und häufiges Training proportional zur persönlichen Leistungsentwicklung ist. Getreu dem Motto „Viel hilft viel!“ wird oft planlos ohne Rast und Ruh trainiert. Auch wenn längst auch im Triathlon dieser Trainingsansatz widerlegt ist, der außerdem zu gesundheitlichen Problemen führen kann, der Mythos hält sich. Schon Paracelsus erkannte, dosis sola facit venenum, was frei übersetzt bedeutet: Nicht die Menge, sondern die Qualität ist entscheidend für die Wirkung! Doch der Mythos hält sich hartnäckig und so laufen viele Athleten geradewegs Gefahr durch ein Übertraining ihre Trainingsplanung möglicherweise wieder um Wochen zurück zu werfen. Um ein Übertraining zu vermeiden, gibt es grundsätzliche Punkte bereits in der Trainingsplanung zu berücksichtigen

Im Prinzip ist unser Körper außergewöhnlich gut für vielseitige Bewegungen und körperliche Belastungen ausgelegt. Er ist in der Lage einer ernormen Menge Stress zu widerstehen. Wird das Triathlontraining aber mit einem anstrengenden Job, einem stressigem Lebensstil und unzureichend Schlaf kombiniert, kann es sein, dass sich der Körper nicht mehr anpassen und erholen kann, was über kurz oder lang zu einem Übertrainingszustand führen kann.

Ein hohes und intensives Trainingspensum, Umfang und Häufigkeit über einen längeren Zeitraum ohne auch eine entsprechende Regeneration zu berücksichtigen, führt meist in eine Sackgasse mit gesundheitlichen Problemen. Oft wird auch das Trainingspensum zu schnell zu hoch geschraubt und dem Körper erheblich mehr an Leistung ab verlangen, als er in dieser Phase der Vorbereitung erbringen kann. Allerdings braucht der menschliche Organismus ebenso Pausen und Zeit sich von der Belastung wieder zu erholen und anpassen zu können. Die Regeneration ist Bestandsteil des Trainings, doch fehlt es vielen ambitionierten Athleten meist an der nötigen Geduld und Ruhe. Es ist natürlich hart der Versuchung bei sonniger Wettervorhersage zu widerstehen und nicht doch anstelle eines Entlastungswochenendes stundenlang zu trainieren. Denn schließlich muss die Vielzahl an Trainingseinheiten auf die drei Disziplinen irgendwie zwischen beruflichem Alltag und sozialen Verpflichtungen integriert werden. Machen sich jedoch aber die ersten Symptome, wie ein Verschlechterung der Leistung, Erschöpfungszustände und Muskelschmerzen bemerkbar, ist es meist schon zu spät. Die Diagnose: Übertraining – oft das Ergebnis einer gedankenlosen Planung, von Übereifer und der Angst das Training nicht rechtzeitig begonnen oder ausreichend trainiert zu haben.

Auf den eigenen Körper hören

Natürlich ist es wichtig den Körper regelmäßig entsprechenden Trainingsreizen auszusetzen, um so die aerobe Leistung zu verbessern – das bleibt unbestritten. Für entsprechende sportliche Fortschritte ist es notwendig Intensität und Umfang des Trainings kontinuierlich zu steigern. Es fällt jedoch vielen Triathleten schwer, ihre Trainingseinheiten sinnvoll und geschickt zu steigern, ohne sich dabei meist selbst zu überfordern. Oft fühlen sich die Athleten mit mehr Training zu Beginn noch richtig wohl, empfinden sogar ein Hochgefühl, das aber dann, wenn ein Übertraining entsteht, in einem regelrechten freien Fall endet. Profis hingegen setzen oft gezielt auf eine kurzfristige Erhöhung des Trainingsumfangs, um ihre Leistung wesentlich zu steigern. Dazu gehört aber auch immer eine darauf folgende Regenerationsphase, die meist länger als nach normalen Trainingseinheiten dauert. Übertreibt man es aber über längere Zeit und ignorierte bestimmte Signale des Körpers, können Überlastungsfolgen noch bis sechs Monate danach auftreten.

Ursachen für Übertraining können neben zu geringer Regenerationszeit sein:


  • Setzen neuer Reize nach zu kurzer Zeit
  • zu lange oder zu intensive Trainingsreize
  • zu schnelle Steigerung der Belastung
  • Ignorieren von Körpersignalen wie Erschöpfung
  • Nahrungszufuhr mit zu wenig Proteinen und hochwertigen Fetten
  • Mangelernährung und daraus resultierender Vitamin-und Mineralstoffmangel
  • zu radikale Ernährungsumstellung
  • dauerhaftes Schlafdefizit oder starke Schlafstörungen
  • unzureichende Rekonvaleszenz nach Krankheiten, beispielsweise Infekten
  • Stress im beruflichen, familiären oder sozialen Umfeld
  • Selbstüberschätzung und überzogene Ansprüche an sich selbst
  • Jetlag
  • klimatische Umstellung
  • Missbrauch von Medikamenten
  • Drogen- und übermäßiger Alkoholkonsum
  • organische Ursachen, die bisher nicht erkannt wurden, beispielsweise Stoffwechselerkrankungen, wie Diabetes oder Schilddrüsenfunktionsstörungen


Übertraining: Die Symptome

Die rechtzeitige Erkennung eines Übertrainings bei sich selbst ist tatsächlich nicht leicht. Grund dafür ist unter anderem der, dass die Symptome eines Übertrainings sehr vielseitig und unterschiedlich sein können. In der Regel entsteht Übertraining, wenn das Verhältnis von Belastung und Erholung nicht mehr ausgeglichen ist. Durch die fehlende Zeit für die wichtige Superkompensation (Anpassung des Körpers an die neuen Trainingsreize) wird die Leistung nicht etwa besser, sondern ständig schwächer.

Im Triathlon unterscheidet man meist zwischen zwei Arten des Übertrainings, dem sympatischen und parasympatischen, einem Erregungs- und einem Hemmungsübertraining. Bei beiden ist das vegetative Nervensystem des Körpers gestört, das durch die beiden Gegenspieler, den Sympatikus und den Parasymphatikus, gebildet wird.

Symptome eines sympathischen Übertrainings

Der Sympathikus ist vor allem für die Muskeltätigkeit, die Funktion der Drüsen und der Blutgefäße zuständig. Er wird daher auch als "Energiegeber" bezeichnet. Es wird auch von sympathischen Übertraining gesprochen, es kommt meist bei schnelligkeitsorientierten Disziplinen vor. Eine Fehlsteuerung äußert sich meist in Schlafstörungen, Lustlosigkeit und Demotivation. Der Ruhepuls am Morgen ist deutlich erhöht, man leidet an Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und die Erholungsfähigkeit ist deutlich verzögert. Weitere Symptome eines sympathischen Übertrainings können sein:

  • verminderte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Kraftminderung
  • Gewichtsverlust
  • lange Phasen der Energielosigkeit
  • psychische Labilität, Stimmungsschwankungen, depressive Verstimmungen
  • Müdigkeit
  • Neigung zu Infekten und Verletzungen


Symptome eines parasympatischen Übertrainings

Eine deutlich niedrigere Herzfrequenz bei Ruhe, könnte bei erster Betrachtung auf einen Trainingsfortschritt schließen lassen. Oft sinkt in diesem Zusammenhang auch der Puls nach einer Trainingsbelastung schneller ab. Dafür verantwortlich ist der Parasympathikus, er ist der Gegenspieler des Sympathikus. Gerade im Ausdauersport ist ein parasympatisches Übertraining öfters anzutreffen, was die Diagnose und Früherkennung wesentlich erschwert. Der Parasympathikus wirkt hemmend auf die Körperfunktionen und ist für regenerative Körperprozesse zuständig. Man bezeichnet ihn auch als "Ruhegeber". Ist er aufgrund eines Übertraining gestört bzw. überreizt, werden die Aktivität und Energie des Sportlers werden im schlimmsten Fall extrem heruntergefahren. Das äußert sich in folgenden Symptome können dann auftreten:

  • verlangsamter Ruhepuls am Morgen
  • nach körperlicher Belastung schnelles Sinken des Pulses
  • verminderte körperliche Leistungsfähigkeit
  • Trägheit und Antriebsarmut
  • depressive Verstimmungen bis hin zu schweren Depressionen
  • Trainingsunlust
  • Müdigkeit
  • Neigung zu Infekten und schwerere Verläufe bei Infektionskrankheiten


Bei beiden Formen des Übertrainings erhöht sich die Verletzungsanfälligkeit um ein Vielfaches und das Immunsystem ist sehr geschwächt. Sobald man ein oder mehrere Symptome bei sich feststellt, sollt dem Körper unbedingt mehr Ruhe gegönnt werden! Auch für erfahrene Mediziner ist Die Diagnose von Übertraining nicht einfach und wird meist mit totaler Ruhe oder sehr lockerem Training in einer nicht verwandten Sportart behandelt. Die Erholungszeit kann Wochen oder sogar Monate dauern und erfordert auch oft Umstellungen im persönlichen Alltag (Stressabbau, ausreichend Schlaf, mehr Ruhe und Entspannung, usw.). Bemerkt man erste Anzeichen, sollte der Trainingsplan unbedingt angepasst oder das Training sogar ganz eingestellt sowie Rat bei einem erfahrenen Sportarzt gesucht werden.