Freiwassertraining: Orientierung in der Waschmaschine

von Stefan Drexl für tri2b.com | 26.07.2011 um 10:23
Wer im Becken ein guter Schwimmer ist, der ist das nicht automatisch auch im Triathlon. Unerfahrene Athleten sind oft überrascht, wenn sie ihre Leistung nicht auch im Freiwasser abrufen können. Die rechtzeitige Gewöhnung an das offene Gewässer und die Besonderheiten der ersten Disziplin bringt im Kampf gegen die Uhr große Vorteile.

Die perfekten Trainingsbedingungen eines Schwimmbeckens sind kaum mit dem Schwimmen während eines Triathlons zu vergleichen. Ein guter Schwimmer mit sauberer Wasserlage und richtiger Technik wird zwar immer einen Vorteil haben, um diesen während eines Wettkampfes auch nutzen zu können, sind das richtige Training und die rechtzeitige Gewöhnung ans offene Gewässer erforderlich.

Während die Einen bereits erwartungsvoll die Tage zählen, bis die Wassertemperaturen das Schwimmen im See erlauben und man endlich den Chlorgeruch des Hallenbades hinter sich lassen kann, stellt für Andere das Training im Freiwasser eine große Überwindung dar. Das kann am Wechsel der warmen Hallenbadluft zur Außentemperatur liegen, an der mangelnden Orientierung im offenen Gewässer, ganz ohne Bahnen und Wände, oder einfach an der Angst alleine im See zu sein. Es ist wichtig die „Outdoor-Schwimmeinheit“ gut zu organisieren und bestimmte Punkte zu beachten, die das Freiwassertraining erfolgreich und zu einer willkommenen Abwechslung machen.

Gewöhnung an die äußeren Umstände

Egal, ob guter Schwimmer oder erfahrener Triathlet, die rechtzeitige Umstellung vor Wettkämpfen auf die besonderen Bedingungen im offenen Gewässer rechnet sich. Sind die Temperaturen der Seen im Fühsommer noch relativ kühl, kann der Umstieg von den beheizten Schwimmbädern schnell zu Erkältungen führen. Dem kann man durch Abhärtung, wie regelmäßigen Saunagängen oder warm-kalt Duschen am Ende des Trainings vorbeugen. Die ersten Freiwassereinheiten sollten aber auch nicht zu lange sein und auch an die richtige Ausrüstung ist zu denken. Plant man sein Training ohne Neoprenanzug , kann man bei niedrigen Wassertemperaturen und für längere Strecken den Körper mit wasserabweisenden Cremes, wie Melkfett einschmieren. Gerade auch wegen der Gewöhnung ist ein Neopren natürlich von Vorteil. Ob mit oder ohne, das alleine reicht aber oft nicht aus.

Die meiste Wärme wird über den Kopf abgegeben und so wird das Gehirn bei Kälte noch stärker durchblutet, um die Temperatur aufrecht zu halten. Das ist zusätzliche Energie, die der Körper aufbringen muss und ihm dann später fehlt. Mindestens eine oder zwei Silikonkappen zu tragen, ist zu empfehlen. Es gibt aber auch spezielle Neoprenhauben, genauso wichtig ist es aber, dass man im offenen Gewässer auch gesehen wird. Tarnkappen sind unbedingt zu vermeiden, leuchtende Farben, die signalisieren „Achtung hier schwimmt einer“ können lebensrettend sein, besonders in Gewässern, auf denen auch Boote unterwegs sind. Ebenso ist eine andere Schwimmbrille von Vorteil. Getönte Gläser zum Schutz vor Sonneneinstrahlung und für die ohnehin erschwerte Orientierung erleichtern die Sicht auf längeren Strecken.

Am besten schwimmt man in offenen Gewässern mit einem Partner oder in der Gruppe. Die Orientierung fällt leichter, denn vier Augen sehen mehr als zwei, und es ist sicherer, weil im Falle gesundheitlicher Beschwerden stets eine helfende Hand zur Seite ist. Auch die Trainingsgestaltung ihrer Freiwassereinheit ist somit praxisnaher, schließlich dient das Training im offenen Gewässer der Gewöhnung an die Besonderheiten der ersten Disziplin im Wettkampf.

Training für den Waschgang

Der Auftakt eines Triathlons wird vom Chaos diktiert. Es spritzt und sprudelt wohin man auch schaut, zahlreiche Arme sind zu sehen, gelegentlich das Gesicht orientierungsloser und nach Luft ringender Teilnehmer. Das Wasser brodelt nach dem Start und nicht selten fängt man sich Fußtritte und Armschläge der Konkurrenz ein. Nach wenigen hundert Metern entsteht dennoch eine Ordnung und die Athleten schwimmen aufgefächert, wie an einer Leine gezogen mit dem Ziel, erste Boje. Doch oft gibt es Strömungen, Wellen, langsamere Mitstreiter oder eine schlechte Sicht, die es selten erlauben auf der Ideallinie zu schwimmen. Eine zwar verbesserte Wasserlage durch den auftriebsstarken Neoprenanzug erschwert zudem das Heben des Kopfes aus dem Wasser und den optimalen Blick nach vorne. Richtungsänderungen erfordern es, sich immer wieder zu orientieren. Wem es schwer fällt geradeaus zu schwimmen, der wird zwangsläufig Umwege machen. Der wird aber auch öfter die optimale Wasserlage verlassen, um zu schauen, wohin er schwimmt und dadurch noch mehr wertvolle Zeit schon in der ersten Disziplin verlieren. Der Schwerpunkt des Freiwassertrainings ist daher auf Orientierung, Schwimmen in der Gruppe und Start zu legen.

Möglicherweise kann bei längeren Trainingseinheiten im offenen Gewässer eine Begleitperson in einem Boot oder auf einem Surfbrett assistieren. Denn auch im Freiwasserschwimmen sollte regelmäßig Flüssigkeit aufgenommen werden, um die Leistung zu erhalten und Krämpfe zu vermeiden. Auch das Messen von Zugfrequenz, Tempo und Richtung, oder für gelegentliche Erholungspausen ist eine Begleitung von Vorteil. Vorneweg fahrend kann ein Boot auch für das Training der Orientierung helfen. Der Abstand zum Schwimmer kann im weiteren Verlauf nach und nach vergrößert und so ein Gefühl für die Entfernung trainiert werden. Der Kopf wird alle fünf bis sechs Züge zur Atmung vorne aus dem Wasser gehoben oder nach seitlichem Atmen kurz nach vorne geschaut. Das Tragen eines Neoprenanzugs erschwert das Heben des Kopfes aus dem Wasser. Er sollte daher nur kurz und wenig gehoben werden, um die optimale Wasserlage beizubehalten. Ist die seitliche Drift gering oder wird weniger, scheint der Armzug auf beiden Seiten gleichmäßig und das Atmen nach vorne kann reduziert werden.

Startklar für den Ernstfall

Zu Beginn eines Freiwassertrainings empfiehlt es sich natürlich gleich den Start zu üben. Hierfür nimmt man einen geeigneten Orientierungspunkt am anderen Ufer und schwimmt einige Minuten über der aerob-anaeroben Schwelle bei hoher Zugfrequenz und ohne nach vorne zu atmen. Nachdem man angehalten hat und lässt sich die seitliche Abdrift messen und der Armzug entsprechend korrigieren. Das wird wiederholt bis die Drift in einem Bereich liegt, in dem so wenig wie mögliche Atemzüge nach vorne notwendig sind, um Kurs zu halten. Das lässt sich auch in der Gruppe üben und man wird überrascht sein, in welch unterschiedliche Richtungen die Athleten jeweils schwimmen werden. Ein Indiz dafür, sich im Wettkampf nicht nur auf den Vordermann zu verlassen. Der Wasserschatten des Vordermanns ist natürlich sehr kraftsparend, ihn im Freiwasser zu halten ist jedoch schwerer als im Becken. Wie sich das anfühlt kann in Kombination mit dem Tempowechsel und körpernahem Überholen, wie zu Beginn eines Triathlons, geübt werden.

Land und Wasserstarts sollten ebenso Teil des Freiwassertrainings sein, wie das Umrunden von Bojen. In einem See gibt es davon meist genug, ansonsten kann auch der Trainingspartner oder ein Begleitboot umrundet werden. Viele Übungen können natürlich auch im Schwimmbecken trainiert werden, doch wie Eingangs erwähnt, unterscheiden sich die perfekten Bedingungen eines Trainingsbeckens erheblich vom offenen Gewässer und dem Ernstfall während eines Triathlons.

So wie man sich vor dem Sprung ins kühle Nass ausgiebig erwärmen sollte, um die Muskulatur vor dem Schwimmen auf Betriebstemperatur zu bringen, so sollte nach dem Training das Auskühlen vermieden werden. Um gerade im Frühsommer oder Herbst nicht zu erkranken, sollte nach dem Freiwassertraining warm geduscht und wärmende Kleidung angezogen werden. Warmer Tee oder Kaffee in einer Thermoskanne helfen zusätzlich sich schnell zu erholen und gesund zu bleiben.