10:30 Uhr an einem verregneten Apriltag am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Das tägliche Schwimmtraining der DTU-Kaderathleten steht auf dem Plan. Steffen Justus, Andreas Raelert und Katrin Müller spulen mit dem Rest der Mannschaft gemeinsam das Programm herunter. 5.500 Meter waren es an diesem Vormittag. Ein lockeres Programm, wie Cheftrainer Wolfgang Thiel versichert. Auch die schon fest für Peking nominerten Jan Frodeno und Daniel Unger sind dabei. Während die zweitgenannten täglich ihren persönlichen Olympiatraum leben können, werden die kommenden Maiwochen zumindest sportlich die so harmonisch erscheinende Trainingsgruppe entzweien.
Denn der gemeinsame Trainingsweg in Richtung Olympia endet am kommenden Samstag bei der Europameisterschaft in Lissabon. Die Vorgaben sind für alle gleich. Nur wer einen Rang unter den ersten 15 in der portugiesischen Landeshauptstadt erreicht, bleibt im Olympiarennen. Zwei Wochen darauf kommt es dann in Madrid zum Showdown. Die dort bestplatzierte deutsche Frau und der bestplatzierte deutsche Mann wird dem Deutschen Olympischen Sportbund als Olympiastarter vorgeschlagen. Wir haben klare Vorgaben, die frühzeitig allen Athleten bekannt waren, Ausnahmen wird es keine geben, erklärte Sportdirektor Rolf Ebeling, der seit den 80iger Jahren als Sportfunktionär bei Olympischen Spielen dabei ist.
Es könnte freilich kuriose Konstellationen geben. Ein Athlet wird Europameister und erwischt aber in Madrid einen schlechten Tag, dann würde Olympia ohne den amtierenden Europameister stattfinden. Für einen anderen Fall hat die DTU schon vorgesorgt. Sollte am Samstag in Lissabon keine Athletin unter die ersten Fünfzehn kommen, dann wird Joelle Franzmann für Olympia vorgeschlagen. Ein kleines Zugeständnis an die konstanten Leistungen der Saarbrückenerin, die im letzten Jahr nur um Sekunden als Achte bei der WM in Hamburg an der vorzeitigen Olympiaquali vorbei schrammte.
Franzmann will kein zweites Hamburg erleben
Die zweimalige Olympiastarterin sieht die nahende Entscheidung in erster Linie sportlich: Wenn eine besser ist als ich, dann ist es in Ordnung. Damit kann ich leben. Doch einen Wunsch hat sie dann doch noch. Wenn ich es nicht schaffe, dann soll die Entscheidung deutlich sein. Noch einmal Hamburg möchte ich nicht erleben.“ Von der Papierform ist Franzmann dem Ticket am nächsten. Joelle kann sich eigentlich nur selbst schlagen, ist sich Kathrin Müller sicher, die schon jetzt auf das Fernziel Olympia 2012 in London schielt. Anders sieht es bei Christiane Pilz aus. Die Rostockerin ist seit 1997 Mitglied der Nationalmannschaft und möchte sich mit Peking ihren sportlichen Traum erfüllen. Als vierte Deutsche wird die Rotherin Rebecca Robisch bei der EM starten. Die Dritte der Juniorinnen-WM von Hamburg kann ohne Druck die Olympiaausscheidung gehen.
Der dritte Mann wird gesucht
Ähnliche Vorzeichen gibt es bei den Männern. Die meiste Erfahrung bringt sicher Andreas Raelert mit. Zweimal war der 31-jährige Soldat der Sportfördergruppe bei Olympia am Start und hofft auch diesmal noch, auf den Olympiazug aufzuspringen. Für den Fall, dass Raelert die Quali verpasst, ist schon ein Ersatzprogramm für die Zukunft geplant. Ein Wechsel auf die Langstrecke wäre die neue Herausforderung. Bei Steffen Justus ist die anstehende Phase Neuland. Für den Athleten des Hansgrohe Teams Schwarzwald steht erstmals der Event unter den fünf Ringen im Blickfeld. Für die nahende Entscheidung im Team und mögliche Zwistigkeiten hat er vorgesorgt. Ich werde während den Rennen in Lissabon und Madrid nicht in Saarbrücken trainieren. So ist ausgeschlossen, dass man mal ungewollt aneinander gerät. Komplett auf eine Vorbereitung ohne das Team hat Maik Petzold gesetzt und sich in Australien auf die Saison vorbereitet. Mit zwei respektablen Weltcup-Ergebnissen in Mooloolaba und New Plymouth hat der Bautzener gezeigt, dass er eine sportliche Antwort auf sein DNF bei der WM in Hamburg geben will. Zusätzlich schickt die DTU noch Sebastian Rank und Christian Prochnow in die Olympiaausscheidung. Rank war Fünfter der letzten U23-WM und hat sich frühzeitig für die EM qualifiziert. Prochnow wurde nach seinem zweiten Platz beim ETU Cup in Pontevedra das letzte EM-Ticket zu teil.
Es wird also spannend werden am 10. und 25. Mai. Große Emotionen sind fast vorprogrammiert. Sport kann so schön, aber auch sehr gemein sein, bringt es Franzmann auf den Punkt.