Christoph Mattner: Ist Profi-Triathlet wirklich ein selbstständiges Berufsbild?

Chris Ernst/Montefuego Sport Media, Lanzarote für tri2b.com | 09.09.2022 um 10:49
Am letzten Wochenende fand die Premiere des Ironman 70.3 Poznan statt. Der Schweriner Profi-Triathlet Christoph Mattner lief dort nach 3:48:46 Stunden ins Ziel, zum Podium fehlten ihm nur knapp zwei Minuten. 500.- EUR Preisgeld bekam der 32-Jährige für seine ausgezeichnete Leistung. Wie aber gestaltet sich das Leben, wenn man versucht sich als Triathlon-„Profi“ zu etablieren und von den sportlichen Leistungen leben möchte? Ein spannendes Thema, dem sich in diesem Interview Christoph Mattner stellt.

Frage: Die deutsche Leichtathletin und amtierende Europameisterin Gina Lückenkemper monierte sich bereits nach der diesjährigen Weltmeisterschaft über die unzureichende finanzielle Rückendeckung der Sportverbände in Deutschland. „Wenn man es einmal in Relation setzt, […] wie sie sich den Arsch aufreißen müssen, um gegen diese Vollprofis antreten zu können.“ – Nun sind Triathleten im Profibereich Individual-Sportler und werden weder über Verbände, noch über Anstellungsverhältnisse subventioniert. Wie risikoreich ist es da, wenn man sich heute als Sportler ‚selbstständig‘ macht und Profi wird?
Christoph Mattner (C.M.): Im Profibereich werden um die 30 Stunden pro Woche trainiert, da ist weder umziehen noch die Fahrt zum Schwimmbad mit dabei. Ich denke da kann man schon von einem ‚Beruf‘ sprechen.

Frage: Du hast als Agegrouper bereits regelmäßig Leistungen auf Profiniveau gezeigt. 2021 warst du in Roth als Gesamtsechster inmitten der namhaften Pros. Jetzt bist Du selbst zu den Profis gewechselt. Ist es nur eine sportliche oder auch eine berufliche Entscheidung?
C.M.: Für mich ist es aktuell tatsächlich mehr eine sportliche Entscheidung, da ich zwar Sponsoren habe, die den Sport finanziell möglich machen, was jedoch aktuell nicht darüber hinaus reicht, um meine Fixkosten, wie Wohnung oder Auto zu bezahlen. Daher gehe ich noch 30 bis 40 Stunden nebenbei arbeiten.

Frage: Triathlon ist eine Sportart, die eine globale Ausrichtung hat. Die Teilnahmen an den Wettkämpfen sind folglich mit hohen Kosten verbunden, die Preisgelder hingegen sind im Triathlon eher überschaubar. Das Preisgeld für Deinen fünften Platz beim Ironman 70.3 in Poznan am letzten Wochenende hat Dir stolze 500 US-$ gebracht, die Du noch versteuern musst. Zeitgleich hat Lee Westwood beim LIV GOLF Turnier, in Boston, auf einem ‚geteilten 4. Platz (der Viert- und Fünftplazierte waren punktgleich) mehr als eine Million US-$ erhalten.
C.M.: Ich habe ja spät angefangen (mit 28) und habe demnach mein Leben grundsätzlich ganz anders aufgestellt, daher bin ich nicht unbedingt darauf angewiesen. Das Preisgeld an sich ist schön und bezahlt die Spritkosten, das Hotel fällt dabei aber nicht mehr ab. Den Sport betreibe ich nicht des Geldes wegen. Preisgeld fühlt sich immer eher wie ein nettes Beiwerk an, 500 Dollar vor Steuern macht aber in meiner Situation nichts besser.

Frage: Ähnlich, wie bei den Boxern, der Formel 1 und im Tennis stehen auch hinter den Golf Tours und den Ironman Events global agierende mächtige Verbände oder Besitzer. Welche Rolle spielen da die einzelnen Profi-Athleten? Werden deren Interessen genügend berücksichtigt?
C.M.: Das kann ich noch schwer beantworten, da ich erst kurz dabei bin. Aus meinem ersten Eindruck würde ich sagen, dass wir für Ironman als Werbefiguren schon wichtig sind, allerdings muss man sagen, dass es neben dem wenigen Preisgeld nichts weiter an Unterstützung gibt, um es den Profis leichter zu machen nur Sport zu treiben. Das mag bei Athleten, wie Jan Frodeno, vielleicht zurecht anders sein, aber Neuankömmlinge, wie ich, müssen selber zusehen, wie man das Abenteuer „Profi-Triathlet“ gestemmt bekommt.

Frage: Beim Triathlon gehen auf den längeren Distanzen Profis und Amateure fast immer gemeinsam an den Start. Inwieweit macht dies in Deinen Augen Sinn oder ist sogar Teil des Spirits?
C.M.: Ich finde es erst einmal total cool mit den Agegroupern zusammen zu starten und ein gemeinsames Erlebnis zu haben. Ich meine andersherum war ich ja bis vor kurzem auf der Agegrouper-Seite und fand es immer total spannend auf die Pros zu schauen und meine Zeiten zu vergleichen.

Frage: Ein Aufreger ist in der Szene aktuell der auf zwei Renntage angesetzte Ironman Hawaii, was wohl auch in Zukunft beibehalten werden soll. Es gibt ein eigenes Frauenrennen bei der WM in Kona. Bisher starteten Frauen und Männer immer im gleichen Rennen. Jetzt an zwei verschiedenen Tagen. Ist dies eine sinnvolle Entwicklung eines emanzipierten Rennens oder die Degradierung der Damen ins Vorprogramm am Donnerstag?
C.M.: Zum Frauenrennen in Kona fällt mir ehrlich gesagt nicht viel ein, was dafür spricht. Ich gucke eigentlich alles an Triathlon-Events, was es gibt und sicher auch Donnerstagabend den Beginn des Frauen-Rennens. Ich kann mir aber an einem Donnerstag nicht die ganze Nacht um die Ohren schlagen und so geht es ja vielen Berufstätigen. Das Rennen wird also allein als Highlight-Recap stattfinden. Das ist für unsere Damen schon sehr schade.

Wir sollten es als eine WM belassen und wie bisher einen Wettkampftag (Samstag) finden, an dem die besten der Besten starten und es am Ende nicht dazu kommt, dass es nur eine Frage des Geldes wird, wer sich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft leisten kann.

Frage: Doping und Drafting sind seit Jahren im Triathlon in der Diskussion, nicht nur unter den Profis. Wie sportlich sind ‚Lutscher‘?
C.M.: Doping ist ein No-Go. Da wäre ich persönlich sogar dafür, dass man hier wirklich nur eine Chance im Leben hat, um sauber zu bleiben, weil dies für mich einer der wichtigsten Punkte im sportlichen Wettstreit ist: „Fairness untereinander.“

Das Thema Drafting ist da nicht ganz so einfach, weil es direkt in der Rennsituation geschieht. Wer absichtlich dauerhaft im Windschatten fährt, der sollte entsprechend bestraft werden. Das ist klar. Man sieht aber auch Wettkämpfe, in denen 20 Leute in Reihe fahren. Hier ist es manchmal gar nicht so einfach, weil ein kleiner Bremser des Vordermanns reichen kann, dass man kurz in die 12-Meter-Zone kommt. Abhilfe wäre hier generell eine 20-Meter-Windschattenzone, um den Effekt zu vermindern oder technische Unterstützung (die es ja bereits gibt), mit der man mit einem Rücklicht visuell darstellen kann, ob jemand zu lange in der verbotenen Zone unterwegs ist.

Was für mich verblüffend ist, dass wir mittlerweile ja sehr viele Live-Bilder und Videos zu sehen bekommen und trotzdem einige der Pros fünf Meter hinter dem Vordermann ‚kleben‘.  Das ist dann schon ignorant in meinen Augen.

Vielen Dank an Christoph Mattner für die persönlichen Einblicke in den Alltag eines Profi-Triathleten. Das Interview wurde von Chris Ernst (Montefuego Sport Media, Lanzarote) geführt.