Jan Frodeno: Jeder wird den Olympiasieger schlagen wollen

H. Eggebrecht für tri2b.com | 17.11.2008 um 21:13
19. August 2008, kurz vor 6 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit: Auf dem zum Triathlonstadion umgebauten Staudamm des Shisanling-Stausees rennt Jan Frodeno wie um sein Leben und gewinnt in einem dramatischen Spurtfinale Olympiagold. Das Rennen in Peking veränderte das Leben des 27-Jährigen - vom hoffnungsvollen Nachwuchsathleten ist er binnen eines Rennens in den Reigen der Creme de la Creme der Weltklasse-Athleten aufgestiegen. tri2b.com hat mit Jan Frodeno knapp drei Monate nach dem denkwürdigen Tag im Reich der Mitte über das Leben als Olympiasieger und die Vorbereitung auf die neue Saison gesprochen.

tri2b.com: Am letzten Tag des Jahres 2007 hast du bei uns im Interview erzählt, dass praktisch jede Einheit bis zu Olympia geplant ist. Der Plan ist mehr als nur aufgegangen. Sind solche Rennen wie bei den Spielen in Peking aber wirklich planbar? 
Jan Frodeno (J.F.): Wir haben alles was in unserer Macht stehende für ein perfektes Rennen und für die persönliche Höchstform gemacht. Aber das Quentchen Glück gehört natürlich auch dazu. Alles, was die eigene Leistung betrifft, ist sicherlich gut planbar. Es gibt aber im Rennen auch noch andere, die bekanntlich die gleichen Ambitionen haben. 

tri2b.com: Sagt einem das Gefühl, dass man heute vielleicht den gewissen Tick besser drauf ist? 
J.F.: Ich war in Topform. Ich habe das in den letzten Tagen in der Vorbereitung in Südkorea schon gespürt. Besonders im Laufen haben die Trainingsergebnisse gezeigt, dass es hier noch etwas besser läuft als zuvor. Beim Schwimmen sah es anders aus, wenn ich voll austrainiert bin, hab ich nicht mehr das für mich optimale Schwimmgewicht. Das geringe Gewicht bringt natürlich was beim Laufen und auch beim Radfahren. Fürs Schwimmen war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob ich im Bereich der Bestleistung schwimmen kann. 

tri2b.com: Hat es im Rennen einen Zeitpunkt gegeben, an dem du gemerkt hast, heute geht richtig was? 
J.F.: Nicht wirklich. Ich war von dem ganzen Flair des Olympiarennens so fasziniert und hab mich dann einfach nur auf mich konzentriert. Hauptziel war einfach immer, Energie sparen, Energie sparen, denn die Hitze und Luftfeuchtigkeit war schon extrem. 

tri2b.com: Du warst im Weltcup 2008 nur zweimal am Start. Deine direkten Olympiakonkurrenten etwas öfter, aber auch deutlich weniger als in nichtolympischen Jahren. 2006 warst du selbst bei fünf Rennen im Weltcup dabei. Hast du von der Vorbereitung mit wenigen Wettkämpfen besonders profitiert? 
J.F.: Das ist halt Olympia. Es kommt auf ein einziges Rennen an, das zählt. Hamburg mit der WM war sozusagen die Generalprobe. Da haben wir auch schon versucht, alles auf den einen Tag auszurichten und die ganze Energie zu bündeln. Viele Reisen zum Wettkämpfen, obwohl ich das eigentlich sehr gerne mag, sind in so einer fokussierten Vorbereitung natürlich störend. 

tri2b.com: Ein Blick nach vorne. Wie wird das Programm im nacholympischen Jahr aussehen. Die neue WM-Serie der ITU ist sicher ein Ziel? 
J.F.: Klar ist das ein Ziel. Ich hab jetzt eine relativ lange Pause hinter mir. Es galt richtig zu regenerieren, damit die Muskeln und Gelenke wieder bereit sind für neue Trainingsreize. Momentan hab ich noch viele Termine außerhalb des Sport, die machen es nicht leichter, wieder ins Training zu finden. 

tri2b.com: Mit der neuen WM-Serie ist plötzlich nicht mehr nur ein guter Tag für den großen Sieg nötig. Vielmehr heißt es Topleistung erbringen von März bis September. Geht das überhaupt? 
J.F.: Ich liebe Wettkämpfe und die Spannung die damit verbunden ist. Auch das Reisen macht mir, wie schon erwähnt, nichts aus. Wir haben das Privileg an den schönsten Orten der Welt zu starten. Das ist Motivation genug für solch eine Serie. Mein Trainer Roland Knoll hat hier schon sehr penibel vorausgeplant und sich viele Gedanken gemacht. In der Vorbereitung wird diesmal alternativen Trainingsmitteln mehr Raum gegeben. Ich hab mir gerade eine neue Langlaufausrüstung zugelegt. Dazu wird es in diesem Winter mit einem Freund zusammen auf Skitour gehen. Außerdem mach ich auch mehr auf dem Mountainbike. Da ist jetzt keine Abfahrt mehr zu steil und kein Trail zu holprig. Man kann neue Sachen ausprobieren und der Spaß kommt definitiv nicht zu kurz. Wenn die genauen Termine der Serie stehen, dann geht es an die Feinplanung. 

tri2b.com: Im nächsten Jahr bist du, ganz egal bei welchen Rennen, "Der Olympiasieger". Oft gleichbedeutend damit – „der muss jetzt aber auch gewinnen“. Glaubst du mit dieser Situation klar zukommen? 
J.F.: Der Druck, den man sich selbst auferlegt, ist immer der stärkste. Es ist eine völlig neue Situation, vom Jäger zum Gejagten. Jeder wird den Olympiasieger schlagen wollen, das ist mir klar. Vor dem Rennen werden alle Kameras auf mich gerichtet sein. Ich hoffe, dass dies zumindest meistens auch nach den Rennen so bleibt. 

tri2b.com:Von sportlichen Ehren zum Geld verdienen: Wie lässt sich Jan Frodeno, Olympiasieger 2008, vermarkten. Sehr gut, gut, oder gut genug? 
J.F.: Im Allgemeinen wird der Triathlonsport immer interessanter für große szenefremde Unternehmen und als Olympiasieger sollte ich doch auch von dem Aufschwung profitieren können. lacht 

tri2b.com: Spielt der generelle Dopingverdacht in Ausdauersportarten hier eine Rolle? Sprich, mögliche Werbepartner sind einem Engagement dann doch aufgrund der aktuellen Diskussion abgeneigt und misstrauisch? 
J.F.: Überhaupt nicht. Ich hab nur positive Erfahrungen gemacht. Wobei man mit dem Wort „Positiv“ ja vorsichtig sein muss. (lacht ironisch) Im Ernst, nachdem es im Vorfeld der Spiele große Bedenken gab und ja immer wieder von Doping-Spielen die Rede war, hab ich mich nachher nie wegen meinem Sieg rechtfertigen müssen. Ich hab im Vorfeld wirklich alles getan, damit meine Leistung glaubhaft rüberkommt. 

tri2b.com:Am Samstag ist Verbandstag der DTU mit Neuwahlen des Präsidiums? Es scheint in der Verbandsführung weiterhin einiges im Argen zu liegen. Wie verfolgst du die Entwicklungen an der Spitze des Dachverbandes? 
J.F.: Mit Sicherheit verfolge ich den Ausgang. Ich würde auch gerne Einfluss nehmen, wenn ich könnte. Ich hoffe einfach nur, dass die Landesfürsten sich die Kandidaten und deren Teams genau ansehen und den Richtigen wählen. Auch wenn viele sagen, der Leistungssport ist nicht alleine im Verband, so ist es doch der Leistungssport, der einen Großteil der Fördergelder und Sponsoren akquiriert. Gut die Hälfte des Budgets fließt direkt wieder zurück in den Leistungssport, daher ist dies neben einer guten Führung der wichtigste Zweig in der DTU. Kontinuität ist hier der Schlüssel, denn die Position des Sportdirektors ist neu besetzt und somit sollte der Präsident genauso wie der zugehörige Vize für den Leistungssport, kein völlig dem Thema- bzw. dem Team-Fremder sein. Denn es gibt viel zu tun. Die Saison 2009 kommt mit großen Schritten und das neue Duo Knoll und Thiel sollte von dem Vize unterstützt und auf deren Entscheidungen vertraut werden. Wir waren erfolgreich in den letzten Jahren, wollen es auch bleiben und somit sehe ich keinen Grund für einen grundlegenden Richtungswechsel im Ressort Leistungssport. 

tri2b.com: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch. Wir wünschen dir alles Gute und viel Erfolg für die erste Saison als Olympiasieger und ganz persönlich noch mal vielen Dank für diesen wirklich sehr emotionalen Dienstagmorgen im August.