Doping: Schumacher vermutet "Radflaschen-Affäre"

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 19.09.2004 um 21:56
Die wegen Testosteron-Dopings gesperrte Triathletin Katja Schumacher wirft dem Frankfurter IRONMAN und der Deutschen Triathlon Union „bedenkenswerte Unregelmäßigkeiten“ vor. Ihre Behauptungen könnten rechtliche Konsequenzen haben ...

Kurz nach der Verkündung ihrer Dopingsperre hat sich die Profi-Triathletin Katja Schumacher am vergangenen Wochenende erstmals im Detail zu den Analyseergebnissen geäußert. In einer persönlichen Erklärung, die von mehreren Internetportalen in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht wurde, wirft sie sowohl dem Veranstalter des Frankfurter IRONMAN als auch der Deutschen Triathlon Union „bedenkenswerte Unregelmäßigkeiten“ vor und eröffnet damit gleich mehrere Fronten. Schumachers Behauptungen könnten rechtliche Konsequenzen haben. Auf der Suche nach einer schlüssigen Erklärung für den ungewöhnlich hohen Testosteron/Epitestosteron (T/E)-Quotienten von 23,9 will die 36-jährige Heidelbergerin nun auf der Rennstrecke des IRONMAN fündig geworden sein: „Der extrem hohe T/E Quotient deutet auf eine Einnahme von Testosteron in der Zeit von 15 Minuten bis acht Stunden vor der Urinabgabe hin. Das müsste dann während des Rennens gewesen sein“, behauptet Schumacher, die als Zweitplatzierte für die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und 42,2 Kilometer Laufen 9:20:28 Stunden benötigt hatte, in ihrem Pressetext. „Die eigene Verpflegung ist am 11.7. beim Ironman in Frankfurt nicht überwacht worden. Könnte es möglich sein, dass mir beim Rennen in Frankfurt etwas in meine Trinkflasche gemischt wurde?“ Keine Quotienten-Rekordlisten „Das ist die übliche Ausrede erwischter Sportler“, sagt Prof. Dirk Clasing, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn gegenüber tri2b.com. „Die Abbau- und Ausscheidungsdauer von Testosteron-Zubereitungen richtet sich nach der Rezeptur der Präparate und ihrer Anwendungsart. Sie schwankt unter körperlicher Belastung mit Schwitzen und reichlicher Flüssigkeitszufuhr stark und ist nicht vorherzusagen.“ Ein auf das 24-fache der Norm erhöhter Hormon-Quotient sei zwar ein dringender Anhaltspunkt für Doping, erlaube aber überhaupt keine Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Hormonzufuhr, meint der Mediziner. „Es gibt auch keine Rekordlisten für T/E-Quotienten.“ - Mit einer aufwändigen Isotopen-Untersuchung (Isotope Ratio Mass Spectrometry, kurz IRMS) hatte das vom IOC akkreditierte Anti-Doping-Labor in Kreischa nachgewiesen, dass das in Schumachers Urin gefundene Testosteron von außen zugeführt wurde. Altes Depot feuert wieder Denkbar, so Clasing, sei schließlich auch, „dass ein altes abgekapseltes Hormondepot in der Muskulatur unter den Belastungen des langen Wettkampfes wieder anfängt zu feuern“. So könnten während des Rennens unerwartet große Mengen des Hormons aus Ölbläschen oder Kristallen freigesetzt werden, die vom Athleten Wochen zuvor in die Muskulatur gespritzt wurden. Die schlecht wasserlöslichen Sexualhormone und ihnen verwandte Anabolika werden gern in die tiefe Gesäßmuskulatur injiziert, weil nach oraler Einnahme in Tablettenform ein großer Teil des Wirkstoffs unmittelbar von der Leber eliminiert würde. “Sabotage ist nie auszuschließen“ Die schlechte Wasserlöslichkeit des Hormons macht dagegen nach Meinung des Dopingexperten Prof. Wilhelm Schänzer (DSHS Köln) Schumachers „These von der kontaminierten Radflasche weniger wahrscheinlich. Das Zeug lässt sich nicht so einfach unbemerkt untermischen und schmeckt ziemlich bitter, so was könnte ein Athlet merken.“ Auszuschließen sei aber auch solch ein Sabotageakt „bei sehr hoher krimineller Energie“ nicht, so Schänzer. Die anfangs von Schumacher selbst ins Spiel gebrachten, verunreinigten Nahrungsergänzungsmittel als mögliche Quelle des Hormons will der Kölner Experte nicht gelten lassen: „Mir ist bisher noch kein einziger Fall einer Kontamination mit Testosteron bekannt geworden.“ IRONMAN droht mit Unterlassungsklage Derweil sorgt Schumachers „Radflaschen-Theorie“ beim Veranstalter des IRONMAN Germany für große Verärgerung: „Eine des Dopings überführte Sportlerin stellt unsere freiwilligen Helfer in Misskredit, um die eigene Haut zu retten. Das werden wir nicht hinnehmen“, kündigt der Frankfurter IRONMAN-Präsident Kurt Denk rechtliche Schritte an für den Fall, dass Schumacher ihre Vorwürfe aufrechterhalten sollte. Die Heidelbergerin hatte der Organisation vorgeworfen, entgegen internationalen Regelwerks die „Eigenverpflegung“ der Sportler nicht bewacht und damit eine Manipulation der Radflaschen ermöglicht zu haben. „Die Vorwürfe sind nicht haltbar. Die Trinkflaschen der Athleten wurden an separaten Tischen bewacht, bis die Athleten sie aufgenommen haben“, sagt IRONMAN-Renndirektor Kai Walter gegenüber tri2b.com. Schwachstellen im Verfahren „Chancen, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, könnte Frau Schumacher am ehesten mit ihren Rügen gegen die Vorgehensweise der Deutschen Triathlon Union (DTU) haben“, meint der Essener Jurist und Triathlet Dr. Sebastian Longrée. „Verletzungen des Verfahrensrechts sind genauso gravierend wie Verletzungen des Sportrechts. Sollte Schumacher im Umgang mit ihren Doping-Proben tatsächlich einen Verstoß gegen geltendes Recht nachweisen können, dann droht der DTU nicht nur ein saftiges Ordnungsgeld, sondern die Niederschlagung des gesamten Dopingverfahrens.“ Mit einer Einstweiligen Verfügung hatte Schumachers Anwalt Michael Lehner versucht, die kurzfristig angesetzte Öffnung der B-Probe in letzter Minute zu verhindern. Als das Dokument in Kreischa eintraf, hatte die Untersuchung bereits vier Stunden zuvor begonnen. Einen Abbruch der weitgehend automatisierten Analyse lehnte der anwesende Jurist der DTU, Reinhard Wilke, ab, „weil die B-Probe dann ungültig geworden wäre. Die Experten des Dopinglabors haben mit großer Erfahrung agiert“, lobt Wilke, der nicht bezweifelt, „dass wir am Ende eine unanfechtbare B-Probe haben werden.“ Vor dem Beginn der Analysen hatte man in Kreischa die B-Probe nach einem in solchen Fällen üblichen Verfahren „geteilt“ und eine für die Wiederholung der Untersuchung ausreichende Menge zurückgestellt. Auch die IRMS sei auf Anregung der Sachsen durchgeführt worden, ohne Wissen und Zustimmung der Athletin. „Die ist auch gar nicht nötig“, meint Longrée. „Es wäre ja fatal, wenn der Athlet den Untersuchungen erst zustimmen müsste.“ Beratungen über Novelle der Anti-Doping-Ordnung Bis zuletzt hatte die Disziplinarkommission der DTU über mangelnde Kooperation der beschuldigten Athletin geklagt und am 8. September, wenige Tage vor Schumachers geplantem Start beim IRONMAN Wisconsin, eine einjährige Sperre verhängt. Das Höchstmaß nach der alten Anti-Doping-Ordnung der DTU. Die Neufassung, die am 1. Oktober in Kraft treten soll, sieht die sofortige Suspendierung der Sportler nach Bekanntwerden einer positiven A-Probe vor. Geplant ist auch eine deutlich längere Sperre, die im Höchstfall drei Jahre betragen soll und damit über denen von WADA, IOC und Internationaler Triathlon Union liegen würde. Das DTU-Präsidium berät die Novelle an diesem Wochenende.