Faris Al-Sultan: Neun Jahre bis zum Lavathron

von H. Eggebrecht für tri2b.com für tri2b.com | 10.11.2005 um 14:14
Im Sommer 1996 hat der Hawaii-Sieger Faris Al-Sultan mit dem Triathlonsport begonnen. In den neun Jahren hat sich der Münchner Schritt für Schritt zum Weltklasse-Athleten entwickelt und dabei so manche Höhen und Tiefen erlebt ...

Über zwei Wochen sind ins Land gezogen seit dem unerwarteten Triumph von Faris Al-Sultan beim IRONMAN Hawaii. Gratulationen hier und dort. Fernsehauftritte und Radiointerviews und immer wieder dieselben Fragen nach Training, Ernährung und der Vereinbarkeit von Triathlon und islamischer Lebensweise. Al-Sultans langer und bisweilen unkonventionelle Weg bis zum wichtigsten Titel im Triathlonsport wurde dabei meist nur angerissen. Dabei waren die Jahre des Aufstiegs zum Triathlonstar alles andere als langweilig. Angefangen hat die Al-Sultan-Story an einem kleinen Badesee im Münchner Norden. Am 21. Juli 1996 gegen Mittag erzählt ein junger, vom Outfit noch nicht dem Triathlon-Clan zuzurechnender Teilnehmer des Karlsfelder Triathlons von seinen Eindrücken des ersten Triathlons. „Ich bin eigentlich Schwimmer und jetzt will ich mal in den Triathlon reinschnuppern“, so die Worte, die mir nun, am frühen Nachmittag des 15. Oktober 2005, wieder durch den Kopf schießen. Soeben ist der Führende des IRONMAN Hawaii vorbeigelaufen, wild gestikulierend und Splitzeiten zu seinen Verfolgern fordernd. Es ist wieder jener junge Triathlon-Einsteiger vom Karlsfelder See. Sein Name: Faris Al-Sultan. Und er hat über vier Minuten Vorsprung auf seinen Jäger, den dreimaligen Hawaii-Sieger Peter Reid. Keine behütete Kaderzugehörigkeit Gut neun Jahre liegen zwischen diesen beiden Begegnungen. Neun Jahre, die ganz anders verliefen als eine normale deutsche Triathlonkarriere. Schnell wandte sich der junge Münchner den extremen Ausdauerevents zu. Lanzarote war im zweiten Triathlonjahr seine erste Langdistanz. Zu früh nach der vorherrschenden Meinung der Trainingswissenschaftler. Inspiriert von den Erfolgen eines Thomas Hellriegel, dessen Erfolgsserie 1997 mit dem Sieg auf Hawaii ihren Höhepunkt fand, verschrieb sich auch der junge Al-Sultan der klassischen Triathlondistanz. Während die arrivierten deutschen IRONMAN-Stars Lothar Leder, Normann Stadler und auch Hellriegel schon zu Juniorenzeiten und auch später in den Kadern der DTU vertreten waren und fleißig Edelmetall für den Verband sammelten, suchte man nach dem Namen Al-Sultan vergeblich in den Listen der geförderten Verbandsathleten. Erstmals finishte der damalige Triathlonbär - Al-Sultan startete in den Anfangsjahren für die DAV Tribears Landsberg - 1999 am Alii Drive in Kailua-Kona. Rang 53 wurde es am Ende. Im Schwimmsplit war er ein paar Sekunden schneller als der Sieger Luc Van Lierde. Ein Jahr später folgte der erste nationale Titel. In Kulmbach, beim Iron-Mönch, hatten die bayerischen Triathlon-Urgesteine Roland Knoll und Sigi Ferstl keine Chance gegen den Newcomer. Am Anfang fehlte der Raddruck In der weltweiten IRONMAN Serie gab es 2001 dann mit dem dritten Rang in Brasilien erstmals ein Topergebnis zu feiern. Im gleichen Jahr, beim letzten IRONMAN Europe, dann ein Bild mit Symbolcharakter: Stark im Schwimmen und ebenso stark im Laufen musste Al-Sultan die Konkurrenz auf dem Rad ziehen lassen. „Ich hab von Anfang an gewusst, dass ich mit den Besten mitschwimmen und mitrennen kann. Beim Radfahren sind sie mir lange gehörig um die Ohren gefahren“, erzählte Al-Sultan damals in einem tri2b.com-Interview. Anschauungsunterricht in punkto Radfahren konnte sich Al-Sultan bei keinem Geringeren als bei Vorbild Thomas Hellriegel holen, mit dem er im Jahr 2001 für das neu gegründete Corpus Team Hilpoltstein startete. “Als Profi brauchst du regelmäßig Topergebnisse“ Ein Jahr später gab es einen weiteren DM-Sieg zu feiern. Auf den klassischen Immenstädter Strecken sicherte sich Al-Sultan den Mitteldistanz-Titel. Richtig Aufsehen erregte aber erst sein siebter Platz beim IRONMAN Hawaii 2003, als er das Rennen lange von der Spitze aus diktierte und nebenbei noch seinen „Lehrer“ Hellriegel erstmals bei einem großen Rennen schlagen konnte. Trotz dieses Erfolgs und der neuen Namensgebung „Junger Wilder“ blieb Al-Sultan auf dem Teppich. „Um als Profi bestehen zu können, brauchst du dreimal im Jahr so ein Ergebnis, sonst lebst du von der Hand in den Mund“, so die damalige Einschätzung. „Ich will in Roth und Hawaii alles versuchen, um noch weiter nach vorne zu kommen“, hieß die Marschroute für 2004. In Roth wurde Al-Sultan Zweiter, in Hawaii Dritter. Zwischenziel erreicht. Denn schon im Vorbereitungstraining auf die 2005er Saison war das nächste Ziel klar definiert. „Ich will mal einen IRONMAN gewinnen“ hieß die Vorgabe. In beeindruckender Weise siegte der 27-Jährige im März bei der Premiere des IRONMAN Arizona in Tempe. Für Roth waren nun alle Fans gespannt auf das Rematch mit Chris McCormack. Doch es kam bekanntermaßen anders: Verletzung bei der DM in Potsdam. Wettkampfpause und Trainingsausfall. Dementsprechend zurückhaltend klang dann auch die Einschätzung für den Auftritt in Hawaii. „Mein Ziel sind die Top-Ten, Normann ist der große Favorit“, gab Al-Sultan Anfang September zu Protokoll. Die Anfänge nicht vergessen Der Rest der Geschichte ist bekannt. Al-Sultan konnte mit seinen weit ausholenden Schritten den zuvor übermächtig erscheinenden „Angstgegner“ Peter Reid auf Distanz halten und als dritter Deutscher den IRONMAN Hawaii gewinnen. Bei der obligatorischen Dankesrede anlässlich der Siegerehrung gab es auch eine kurze Rückbesinnung auf die Anfänge. „Thanks to Thomas Hellriegel“, sprach der Bayer Al-Sultan ins Mikrofon und dankte damit seinem Motivator. Der neue „King of Kona“ zeigte sich so natürlich wie bei seinem ersten Triathlonrennen. Nur das Outfit hat sich inzwischen geändert.