Thomas Hellriegel im Interview

von Frank Ketterer für tri2b.com für tri2b.com | 13.10.2002 um 14:51
Als einer der Mitfavoriten für den IRONMAN Hawaii stand Thomas Hellriegel aus Büchenau bei Bruchsal Rede und Antwort. Vor seiner achten Teilnahme beim legendären Wettkampf gibt er Auskunft über seine Chancen, die der anderen deutschen Athleten und darüber, welche Überraschungen er erwartet ...

Es ist wieder soweit: Am Samstagmorgen um sieben Uhr, kurz nach Sonnenaufgang, werden sich rund 1.500 Triathleten im kleinen Hafenbecken von Kailua Kona in die Fluten des handwarmen Pazifiks stürzen. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Km Rad Fahren und ein Marathon stehen für die Ausdauersportler dann an, alles unter der sengenden Hitze und den orkanartigen Winden Hawaiis. Als einer der Mitfavoriten am Start steht dann auch wieder Thomas Hellriegel aus Büchenau bei Bruchsal, für den es die achte Teilnahme beim legendären Ironman Hawaii ist. Frank Ketterer unterhielt sich mit dem Triathlon-Profi, der 1997 als erster und bisher einziger Deutscher den bedeutendsten Triathlon der Welt gewinnen konnte. Frank Ketterer (FK): Herr Hellriegel, nachdem es in den Vorjahren mit den Plätzen acht und sechs beim schwersten Triathlon der Welt nicht ganz so optimal für Sie lief, standen Sie letztes Jahr endlich wieder auf dem Treppchen. Was darf man daraus für den Samstag ableiten? Was haben Sie sich vorgenommen? Thomas Hellriegel (TH): Mein primäres Ziel ist es, unter die ersten Zehn zu kommen. FK: Sorry, aber für einen ehemaligen Sieger hört sich das doch eher bescheiden an. TH: Naja, damit wäre ich wahrscheinlich auch nicht wirklich zufrieden. Gerade mein achter Platz vor vier Jahren hat mich doch arg gewurmt, weil da doch einige Konkurrenten vor mir platziert waren, die da normalerweise nicht hätten sein dürfen. Aber durch meinen Sieg 1997 war mir wohl die letzte Motivation etwas abhanden gekommen, dieses letzte Quäntchen Konsequenz im Training, das einen immer wieder dahin gehen lässt, wo es wirklich weh tut. Jetzt aber bin ich wieder richtig heiß auf Hawaii und das Rennen. Mnd mein dritter Platz aus dem Vorjahr hat mir zudem gezeigt, dass ich nach wie vor gute Chancen habe, ganz vorne zu landen. FK: Wie sieht Ihr Plan für den Samstag aus? TH: Flott wieder aus dem Wasser zu kommen, um dann möglichst schnell zur Spitze auf dem Rad auffahren und möglichst einen kleinen Vorsprung herausfahren zu können. Letztes Jahr hat das nicht so geklappt, da lag ich immer zwei bis drei Minuten hinter der Radspitze. Das hat die Sache unheimlich schwer gemacht, auch für den Kopf, weil ich fast die kompletten 180 km allein fahren musste und wusste, dass da noch ein paar Jungs vor mir liegen. Wenn man hingegen selbst vorne liegt, beflügelt es. Man kann das Rennen kontrollieren, auch später beim Laufen. Das wird am Samstag mein Ziel sein. FK: Wieviel auf der Schinderei über insgesamt 226 km ist überhaupt planbar? TH: Nicht so furchtbar viel. Es ist ein verdammt langes Rennen und in den über acht Stunden kann verdammt viel passieren, vor allem mit Wind und Wetter. Hawaii ist unberechenbar. FK: Was war Ihr schlimmstes Erlebnis auf der Insel? TH: Das war 1998, also ein Jahr nach meinem Sieg. Da war ich schon nach dem Radfahren vollkommen fertig und musste dann noch einen ganzen Marathon laufen. Das war vom ersten Meter an eine Wahnsinnstortour. FK: Das sind dann wohl die Momente, in denen man ans Aufhören denkt? TH: Klar, die Gedanken kommen einem schon - und das nicht nur einmal. Aber Hawaii ist der Saisonhöhepunkt, das letzte Rennen im Jahr, da gibt es eigentlich keinen wirklichen Grund aufzuhören, außer wenn man schwere gesundheitliche Probleme bekommt natürlich. Außerdem lag ich ja selbst 1998 stets unter den ersten Zehn. Da gibt man nicht auf. FK: Glauben Sie, dass es während des Rennens auf Hawaii noch irgendetwas geben könnte, das Sie überraschen könnte? TH: Klar. Aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte. Sonst wäre es ja auch keine Überraschung. Hawaii muss man einfach nehmen, wie es kommt. Und es kann verdammt hart kommen. FK: Bei Ihrem zweiten Platz 1996, damals hinter dem Belgier Luc van Lierde, haben Sie beide schon emsig an der Acht-Stunden-Marke gekratzt. Warum sind die Zeiten in den letzten Jahren eher langsamer geworden? Warum kann man plötzlich wieder auch mit Zeiten deutlich über acht Stunden gewinnen? TH: Zum einen waren die Bedingungen in den letzten Jahren extrem schlecht und hart. In der Tat ist es aber prinzipiell so, dass die Rennen, nicht nur auf Hawaii, nicht mehr so schnell sind, wie sie es schon einmal waren. Auch für mich ist das ein Phänomen, das ich nicht näher erklären kann. Denn eigentlich sind die meisten Top-Athleten schon ein paar Jahre dabei und sollten mit Anfang 30 auf dem Höhepunkt ihres Leistungszenits stehen. So gesehen gibt es keinen wirklichen Grund dafür, dass die Zeiten eher langsamer werden, außer dem, dass wir vielleicht alle schon auf dem absteigenden Ast sind. Dann aber müssten uns doch zumindest die Jüngeren davonlaufen. Aber das ist ja auch nicht der Fall. FK: Mit was für einer Zeit wird man am Samstag Abend auf dem Treppchen stehen? TH: Wenn das Wetter nur ungefähr so ist wie im letzten Jahr, sollte eine Zeit zwischen 8:20 und 8:30 Stunden für den Sieg ausreichen, was ich übrigens durchaus beruhigend finde. Bei einer Windstärke, wie sie letztes Jahr blies, ist es nämlich ziemlich ausgeschlossen, dass einer schneller radelt als 4:40 Stunden. Nur so zum Vergleich: Mein Streckenrekord steht bei 4:24 Stunden. FK: Gerade auf dem Rad, ihrer Schokoladendisziplin, aber ist dem "Helldrive", wie man Sie auf Hawaii fast ehrfürchtig nennt, die Souveränität in den letzten Jahren etwas flöten gegangen. Warum? TH: Früher befanden sich unter den Triathleten viele ehemalige Schwimmer und Läufer, die kaum ernsthaft Rad trainiert haben. Das hat sich, nicht zuletzt durch mich und meine Auftritte auf Hawaii, in den letzten Jahren aber grundlegend geändert. Die anderen Top-Athleten haben längst erkannt, dass sie auch auf dem Rad richtig trainieren müssen. Das macht es für mich natürlich schwer, mich bereits auf dem Rad ein wenig abzusetzen. Die Zeiten, in denen ich zehn Minuten oder mehr vor den Verfolgern vom Rad steigen konnte, sind vorbei. FK: Wieviel Vorsprung wären am Samstag nötig, damit Sie beim Marathon an den Sieg denken dürfen? TH: Mehr als fünf Minuten auf die besten Läufer sind nicht mehr drin. Das muss reichen. Oder besser gesagt: Ich muss halt so schnell laufen, dass es reicht. FK: Das heißt, der Marathon müsste deutlich schneller als drei Stunden sein. TH: Sicher. 2:50 Stunden muss man am Samstag bestimmt laufen, wenn man gewinnen will. Bei meinem Sieg 1997 war das ja auch der Fall. FK: Für Lothar Leder, einem Ihrer Hauptkonkurrenten um einen vorderen Platz, ist es bereits der fünfte Ironmanstart in diesem Jahr. Kann ein Mensch das tatsächlich verkraften? TH: Da bin ich auch mal gespannt. Seine ersten vier Starts waren ja schon mal sehr gut, unter anderem hat er ja in Roth und Frankfurt gewonnen. Zu was er am Ende dieser für ihn extrem langen Saison noch fähig ist, wird man am Samstag ja sehen. Für mich wären fünf Starts definitiv zu viel. Aber Lothar ist eben Lothar, für den gelten andere Maßstäbe. FK: Wen zählen Sie sonst noch zu Ihren Hauptkonkurrenten? TH: Natürlich Vorjahressieger Tim de Boom sowie den Australier Chris McCormack. Peter Reid sowie Luc van Lierde habe ich hingegen weniger auf der Rechnung. Die haben die ganze Saison über geschwächelt. FK: Oder geblufft TH: Das ist natürlich auch möglich. FK: Und was ist mit Jürgen Zäck, dem deutschen Altmeister? TH: Tut mir leid, aber Jürgen sehe ich diesmal nicht vorne mit dabei. Er ist ja schon beim Ironman Germany den Marathon deutlich über drei Stunden gelaufen. Das reicht nicht. Da muss man den Pforzheimer Norman Stadler doch schon eher auf der Rechnung haben. Der hat das Zeug für einen vorderen Platz und den Vorteil, in diesem Jahr noch gar keinen Ironman in den Knochen stecken zu haben. FK: Ab welcher Platzierung sprächen Sie von einem Erfolg? TH: Ein richtiger Erfolg wäre wieder ein Platz unter den ersten Drei. FK: Von da aus ist auch der Sieg nicht mehr weit entfernt. TH: Nein. Ich halte das durchaus für möglich. Schließlich weiß ich ja, wie man auf Hawaii gewinnt.