XTERRA Germany: Gut gepokert

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 12.09.2004 um 20:05
Das Weltklassefeld beim XTERRA Germany bekam am Samstag nicht einmal den Staub des Olympia-Achten Olivier Marceau zwischen die Zähne. Wie er, setzte sich auch Katrin Helmcke auf den ersten Radkilometern ab und war nicht mehr einzuholen ...

Zweieinhalb Wochen nach den Olympischen Spielen von Athen setzt der Franzose Olivier Marceau seinen Form-Höhenflug fort. Das Weltklassefeld beim XTERRA Germany bekam am Samstag nicht einmal den Staub des Olympia-Achten zwischen die Zähne. Der Sieger der Europatour will nun auf Maui auch noch nach dem WM-Titel greifen, was dem Titelverteidiger Eneko Llanos gar nicht schmeckt. Am Titisee wurde der Spanier Zweiter und als einziger Teilnehmer des rauschenden, europäischen XTERRA-Finales mit seinem Podiumsplatz wohl nicht so recht glücklich. Zur Bildergalerie vom 3. XTERRA Germany Gehörig leiden musste aber auch Marceau an diesem schönen Spätsommertag im Breisgau. Das war bereits in der ersten der beiden Laufrunden so offensichtlich, dass der Franzose froh sein durfte, in den steilen Rampen nicht mehr ins Visier seiner laufstarken Verfolger zu geraten. Das Ergebnis von 104 Minuten knochenharter Arbeit auf dem 38 Kilometer langen Radkurs, der nicht so sehr technisch, dafür aber konditionell zu den schwersten der Szene gehört. „Ich bin gleich vom ersten Meter an so hart gefahren, wie ich konnte, um von den Llanos-Brüdern und diesem deutschen Youngster wegzukommen“, gewährte Marceau im Ziel Einblick in eine Taktik, die beinahe noch nach hinten losgegangen wäre. Böcherer hilft den Spaniern Auf der allenfalls 1.200 Meter kurzen Schwimmstrecke im kabbeligen Wasser des Titisee sorgte zunächst Hector Llanos, der Bruder des XTERRA-Weltmeisters und im ITU Circuit einer der Edelhelfer des Spaniers Ivan Rana, für einen ersten Riss im rund 250 Athleten starken Feld. Eneko hing an seinen Großzehen, Marceau hielt Kontakt. Dahinter schwamm die deutsche Nachwuchshoffnung, der 21 Jahre junge Freiburger Heißsporn Andreas Böcherer, der vor dem Rennen vollmundig Ambitionen auf den vakanten deutschen Titel verkündet hatte. Böcherer seinerseits wusste „Ronny Dietz und die Anderen“ im Nacken. Und „dass die auf jeden Fall schneller laufen als ich.“ Diese Einsicht wiederum war gut für die Spanier, denn wo immer sich auf dem abwechslungsreichen Kurs die Gelegenheit bot, machte Böcherer die Pace und sorgte dafür, dass einzig dem Vorjahressieger Nicolas Lebrun nach gewohnt mäßiger Schwimmleistung noch der Sprung in diese Kleingruppe gelang. Der Franzose hegte wohl noch Hoffnung. "Schrecklicher Radkurs" Während das Verfolgerquartett allerdings zum zweiten Mal an den Steilstufen neben der Hochfirstschanze die Räder schultern musste, saß Marceau schon in der letzten, langen Abfahrt zum Titisee und mag sich halblaut den Kopf zerbrochen haben, wie er das Ding jetzt nach Hause bringen wollte: „Ich hatte keine Ahnung, wie viel Vorsprung ich herausgefahren hatte.“ - Es waren fast fünf Minuten und also ein ziemlich komfortables Polster, aber „da war ich schon ganz schön kaputt. Beim XTERRA“, sinnierte Marceau im Ziel, „da weißt du nie, was auf den letzten Kilometern noch alles passieren kann.“ Es passierte nichts. Aber ordentlich spannend wurde es noch, im Kampf um Platz zwei: Nachdem Hektor Llanos im ersten Steilstück der Laufstrecke dem Duell zwischen seinem Bruder und Nicolas Lebrun zum Opfer fiel, konnte der Weltmeister erst mit einem Gewaltantritt knapp drei Kilometer vor dem Ziel den Vorjahressieger vom Titisee abhängen. Hinter dem viertplatzierten Hektor Llanos schob sich noch David Henestrosa aus der spanischen Armada vorbei an Andreas Böcherer, der als Sechster seinen ersten Deutschen Meistertitel feiern durfte, damit den überraschend geländetauglichen Griesheimer Bundesligastarter Sascha Wingenfeld (Gesamtzehnter) auf Platz zwei verwies und den Adelsberger Titelverteidiger Ronny Dietz (Gesamtplatz elf) entthronte. Zur Bildergalerie vom 3. XTERRA Germany Später, in der Pressekonferenz, schien der Weltmeister Eneko Llanos über die Dominanz des Siegers ein wenig ins Grübeln geraten zu sein: „Der Kurs hat mir alles abverlangt, das war ein hart erkämpfter zweiter Platz“, ächzte der Spanier. Lebrun dagegen freute sich nach seinen zuletzt formschwachen Auftritten in der US-amerikanischen XTERRA-Szene über seinen dritten Rang, als hätte er das Ding gewonnen: „Ich bin sehr stolz auf meine Leistung. Nach diesem schrecklichen Radkurs waren wir alle sehr müde. Als Eneko in der zweiten Runde angetreten hat, konnte ich nichts mehr tun. Aber die Formkurve zeigt endlich wieder steil nach oben.“ Bei seinem Landsmann Marceau, am 26. August in Athen auf dem Gipfel seines Könnens, klingt der Ausblick sechs elendig lange Trainingswochen vor der WM so: „Ich werde einfach versuchen, meine Form bis dahin zu konservieren. Ich will endlich den Titel.“ Helmcke rauscht vorbei Insofern hat der Franzose etwas gemeinsam mit seiner amerikanischen Kollegin Jamie Whitmore, die im Breisgau ihre erste und einzige Niederlage in der XTERRA European Tour bezog. Dafür sorgte nicht nur eine Reifenpanne zur Unzeit sondern vor allem die Kirchzartener MTB-Spezialistin Katrin Helmcke und eine Wintertriathletin namens Sigrid Lang. Dabei war nach dem Schwimmen, das Whitmore als Dritte hinter der Bad Endorferin Angela Huy und der Niederländerin Ingrid van Lubeck beendete, noch alles im dunkelgrünen Bereich. Auch als die Vorjahreszweite Katrin Helmcke nach guter Schwimmzeit („eigentlich meine Schwäche“) im ersten Anstieg an Whitmore und Ute Schäfer („Das Tempo war zu hoch für mich“) vorbeirauschte, verfiel Whitmore („Ich gestalte meine Rennen progressiv“) nicht in Sorge. Zeugen berichten allerdings, die Amerikanerin habe sich in dieser Phase mehrfach über Helmckes frühen Krafteinsatz mokiert. Die erste Stufenpassage an der Freudenstädter Weltcup-Sprungschanze erkletterte die Lokalfavoritin bereits mit einer Minute Vorsprung, kurz darauf war sie außer Sicht. Hinter Schäfer und Whitmore arbeitete sich die Wintertriathlon-Weltmeisterin Lang („Letzte Woche habe ich noch auf dem Gletscher trainiert“) nach vorn, konzentrierte sich auf sich selbst und wusste, ihre allergrößte Stärke, das Laufen, würde noch kommen. Verwicklungen mit dem Felgenband „XTERRA ist für mich immer wie ein Pokerspiel“, sagt Helmcke über ihren Lieblingssport. „Wenn man ein gutes Blatt hat, riskiert man was, blufft ein wenig, und mit etwas Glück gewinnt man.“ Die 29-Jährige hatte sich konzentriert vorbereitet auf dieses Rennen, deshalb hatte sie an diesem Tag ein besonders gutes Blatt in der Hand. Dennoch war ihre Pace an der Schwelle zum Bluff. „Ich wusste am Ende der Radstrecke nicht, ob ich danach noch laufen könnte, ich musste es einfach probieren.“ – Whitmore dagegen hatte das schlechte Blatt gezogen und musste eingangs der zweiten Runde mit einem Reifendefekt vom Rad. „Dann hat sich auch noch das Felgenband verschoben und ich bekam das Ventil nicht rein. Ich hätte heulen können“, schimpfte die meistens gut gelaunte Amerikanerin im Ziel. „Mit viel Adrenalin im Blut“ kämpfte sich die Führende der Europatour bis zum zweiten Wechsel wieder an Ute Schäfer heran, hatte dabei aber Kraft gelassen. Und sie lag nur noch 20 Sekunden vor Lang, die nach ihren ersten Ausflügen in den XTERRA wusste, dass für sie im Laufen noch was drin ist. Ende der ersten Laufrunde verließen Whitmore die Kräfte und Lang zog vorbei auf Platz zwei. Von Helmcke, die im Ziel ausgelassen ihren ersten Sieg beim XTERRA Germany und die Verteidigung ihres Deutschen Meistertitels feierte, trennten Lang aber immer noch mehr als zwei Minuten. Gut gepokert, Katrin Helmcke. Die kompletten XTERRA Germany Ergebnisse