ITU Weltmeisterschaften: Wohl härter umkämpft denn je

von Jacques/TRIATHLONINFORMER für tri2b.com | 05.12.2003 um 23:09
Kiwi-Reporter Michael Jacques hat sich wenige Stunden vor dem Beginn der Weltmeisterschafts-Rennen unter den Favoriten umgehört ...

TRIATHLONINFORMERs Kiwi-Reporter Michael Jacques hat sich wenige Stunden vor der Eröffnung der Weltmeisterschaftsrennen bei den Protagonisten der Elite-Wettkämpfe umgehört und herausgefunden: Es werden wohl die am härtesten umkämpften Titel seit langer Zeit. Die Stadt ist in der Hand der Ausdauermehrkämpfer: Annähernd 2.000 der weltbesten Triathleten haben am Freitag in Neuseelands Tourismus-Hauptstadt Queenstown den letzten Countdown begonnen. Rana nervös und wortkarg In der Mitte seiner Herausforderer wirkt Ivan Rana (ESP) nervös und angespannt. Auch ein paar lockere Sprüche des früheren Weltmeisters Greg Welch, in Queenstown als Fachmann für verschiedene Medien unterwegs, konnten den spanischen Titelverteidiger nicht lockern. Rana hat den Ruf, sein gesamtes Team als Edelhelfer in den Kampf um den Sieg einzuspannen und diese Taktik ging vor Jahresfrist in Cancun ebenso perfekt auf wie im vergangenen Juni im tschechischen Karlsbad. Doch diesmal ließ er sich nur einen Satz entlocken: „Ja, ich werde auch diesmal Hilfe haben, aber die Jungs kämpfen vor allem für sich selbst.“ Carter ist der „Favorit der Herzen“ Die Neuseeländer wollen das allemal tun, wie sie heute bestätigten: „Sicher, einige Teams werden eine Mannschaftstaktik wählen, doch darauf lassen wir uns nicht ein“, meinte Craig Watson, einer der großen Hoffnungsträger des ausrichtenden Verbands und Bronzemedaillengewinner des Jahres 2001. Die „Kiwis“ sind für starke Auftritte auf selektiven Kursen allemal bekannt – hier erwarten alle eine frühe Offensive der Gastgeber. „Ja, ich denke jeder von uns kann an einem guten Tag dieses Rennen gewinnen“, heizt der Weltranglistenvierte und damit bestplatzierte Neuseeländer Bevan Docherty derartige Spekulationen weiter an. Auf der Wunschliste der Gastgeber stünde – vielleicht eher aus Herzensgründen – allerdings „Veteran“ Hamish Carter. Noch nie konnte der sympathische Bronzemedaillengewinner der Weltmeisterschaften von Manchester (1993) den Titel gewinnen – im Heimspiel wäre es die Krönung seiner bislang so erfolgreichen Karriere. „Ein paar Mal war ich ganz dicht dran”, meint Carter, "aber wahrscheinlich ist der Sieg bei Weltmeisterschaften noch schwerer als bei den Olympischen Spielen. Immerhin ist die komplette Weltelite am Start, nicht nur die jeweils besten drei. Ich sehe mindestens Zwanzig, die das Rennen am Sonntag machen könnten. Einer davon bin ich!“ Lindquist „mit zunehmendem Alter immer besser" Genau wie Carter hofft auch Barb Lindquist endlich auf den ganz großen Wurf. Vor einem Jahr war es ganz eng, als die Britin Leanda Cave erst auf den letzten Metern an Lindquist vorbeizog und ihr den greifbar nahen Titel wegschnappte. Diesmal tritt Lindquist an, um ihrem bisher erfolgreichsten Jahr das Sahnehäubchen aufzusetzen. „Ich hatte unglaublich viel Spaß in dieser Saison und habe zehn wichtige Siege gefeiert. Das ist soviel wie noch nie. Am meisten Spaß und Motivation ziehe ich aber aus der Erkenntnis, dass ich mit jedem weiteren Jahr in der Spitze noch besser geworden bin.“ Der anspruchsvolle Kurs von Queenstown scheint in der Tat wie für Lindquist maßgeschneidert und das ist ihr bewusst. „Die Strecke kommt meinen Stärken und meiner Art, ein Rennen zu gestalten, perfekt entgegen”, macht die Amerikanerin keinen Hehl aus ihren Zielen für den kommenden Sonntag. „Meine besondere Stärke ist meine Kraft und ich werde dort draußen alles einsetzen, was ich habe. Vermutlich werde ich mit Sheila Taormina, Laura Reback und ein paar anderen Mädels schon nach dem Schwimmen vorn sein und dann werden wir ja sehen, wer nach einem so harten Radpart noch laufen kann ...“ Unfall sorgt für Schlagzeilen Am Tag vor den Rennen der U23 und Elite werden am Samstag zunächst die Junioren und Altersklassenathleten ihre Titelträger suchen. Sie haben ihre Räder längst an der Wechselzone in der Wechselzone am Lake Hayes eingecheckt. Rad- und Laufstrecke führen durch das nah gelegene Arrowtown Millbrook Resort. Doch während der kanadische Olympiasieger Simon Whitfield die „spektakuläre und einer Weltmeisterschaft würdige Streckenführung“ in den höchsten Tönen lobt, ist der Traum für den Brasilianer Marcio Cunha bereits zuende. Ein Lastwagen holte den 24-Jährigen in einer durch eine Baustelle verengten Straßenführung vom Rad, überrollte ihn, brach ihm einen Arm und zerquetschte seine Rennmaschine. „Der Helm hat ihm sein Leben gerettet“, sagte später ein Polizeisprecher, während die Organisatoren lediglich von einem „unglücklichen Zwischenfall“ sprachen. Die Sicherheit der Weltmeisterschafts-Teilnehmer ist in Neuseelands Sportszene ein großes Thema und der Unfall von Cunha sorgte am heutigen Tag für Schlagzeilen. Erst im August wurde der Veranstalter eines Radrennens der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden, nachdem eine der Sportlerinnen auf der eigentlich für den Autoverkehr gesperrten Rennstrecke von einem Auto angefahren worden war und verstarb. Bei annähernd 50.000 Zuschauern, die am Renntag in Queenstown erwartet werden, sind die Organisatoren nun bemüht, weitere derartige Vorkommnisse zu vermeiden: Für zwei komplette Tage werden die gesamten Rennstrecken für den Autoverkehr gesperrt – sogar Pressefahrzeuge dürfen nur mit Sicherheitseskorte auf den Kurs. Neuseeland will nicht nur die größten, sondern auch die sichersten Weltmeisterschaften aller Zeiten ausrichten. Whitfield „auf dem Rad unterschätzt“? Aussie Greg Bennett war ähnlich beeindruckt vom Streckendesign wie der Kanadier Simon Whitfield: „Es ist zweifellos einer der besten Kurse, auf denen ich je unterwegs war“, meinte er nach einer Besichtigung Anfang dieser Woche: Die Landschaft, das Schwimmen im See, die ländliche Streckenführung und die ruppigen Steigungen erinnern mich daran, wie Triathlon früher einmal war, und das mag ich.“ Whitfield schätzt den Kurs ebenfalls wegen seiner Selektivität. In einem exklusiven Interview mit TRIATHLONINFORMER meinte er am Morgen: „Ich denke, es ist für mich eine gute Strecke. Sicher bin ich ein Läufer aber ich bin auf dem Rad doch stärker, als die meisten denken und ich denke, der Schlüssel zum Sieg wird hier sein, dass man in einer guten Verfassung vom Rad steigt.“ Auch Whitfield fehlt ein Weltmeistertitel noch in seiner Sammlung. Seine ganze Saisonplanung ist auf diesen Erfolg ausgerichtet – noch vor einem Jahr hatte der Kanadier nach seinem Sieg bei den Commonwealth Games dagegen an Rücktritt gedacht: „Es stimmt, im vergangenen Jahr hatte ich hart zu kämpfen und habe eine dreimonatige Auszeit genommen. Mir wurde damals klar, dass das Leben aus weit mehr besteht als Triathlon. Doch mit den zweiten Olympischen Spielen so dicht vor der Nase und bisher ohne Weltmeistertitel wusste ich schließlich, dass ich noch einiges zu erledigen habe.“ “Erster Wechsel wird entscheiden“ Aufgeregt wie nie sei er, meinte Whitfield im Interview. "Die Strecke liegt mir und ich bin in der besten Form meines Lebens, aber eine Prognose ist fast unmöglich. Es sind einfach zu viele gute Leute hier. Ich schätze aber, das Rennen könnte schon in der ersten Wechselzone gewonnen oder verloren werden“, spricht der Olympiasieger auf den 250 Meter langen Weg zum Rad mit der steilen 100-Meter-Steigung direkt hinter dem Schwimmausstieg an. „Ich werde mich dort gleich an die Führenden hängen, denn auf dem Rad werden früh die ersten Löcher reißen. - Oh, da habe ich jetzt wohl meine geheimste Taktik verraten ...“. Übersetzung aus dem Englischen: Jens Richter
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