ITU-WM 2003: Alle sprechen von Athen

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 30.11.2003 um 19:34
Für die WM in Queenstown (NZL) gelten die Deutschen als Mitfavoriten – ein netter Nebeneffekt Olympischer Pläne ...

Rund zehn Jahre nach den Kurzstrecken-Erfolgen von Ralf Eggert und Thomas Hellriegel gehören die Deutschen wieder zur Weltspitze, feierten im Spätsommer mit Anja Dittmer sogar drei Weltcupsiege in Folge. Für die Weltmeisterschaften im neuseeländischen Queenstown am kommenden Wochenende gelten sie deshalb als Mitfavoriten – ein netter Nebeneffekt Olympischer Pläne. Sehr viel schwerer als andere Nationen taten sich die Deutschen mit der Einführung des Drafting-Formats Mitte der neunziger Jahre. „Wir waren chancenlos“, sagt Bundestrainer Ralf Ebli. „Im abschließenden 10-Kilometer-Lauf fielen unsere radstarken Athleten regelmäßig um Minuten zurück.“ So waren vor den Olympischen Wettkämpfen von Sydney deutsche Athleten nur ausnahmsweise unter den besten Zehn im Weltcup zu finden, die sensationelle Silbermedaille des „abtrünnigen“ Stefan Vuckovic durfte sich Eblis Amtsvorgänger ohnehin nicht auf die Fahnen schreiben: Vuckovic trainierte damals beim umstrittenen Leichtathletik-Coach Thomas Springstein. Zwei Jahre lang Löcher geschlossen Im Gewaltmarsch ließen sich die Leistungslöcher zur Weltspitze freilich nicht schließen, „da mussten wir die Athleten behutsam hinführen“, weiß Ralf Ebli. Dabei ist offenbar der Führungsstil des Bundestrainers ein wichtiger Schlüssel zu jüngsten Erfolgen: Ebli sucht die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Athleten, will, „dass die Sportler verstehen, warum sie so trainieren und welche Rolle begleitende Maßnahmen und der gesamte Lebensstil spielen, wenn man in der absoluten Weltspitze mitmischen will. Da haben alle viel dazugelernt.“ Nach langwierigen Verletzungsproblemen kehrten auch Vuckovic und seine Freundin Anja Dittmer zurück in den Schoß der DTU und an den neuen Olympiastützpunkt in Saarbrücken, wo Ebli in der Zwischenzeit noch ein ganz anderes Loch schließen musste: Nach dem Wechsel Hellriegels, Eggerts und Lothar Leders auf die Ironman-Distanz und dem allmählichen Rückzug der berufstätigen Familienväter Roland Knoll und Arnd Schomburg hatte die DTU im Männerbereich nach Sydney 2000 ein Nachwuchsproblem. Den Generationswechsel und den Anschluss an die Weltspitze haben Talente wie Daniel Unger, Maik Petzold und Sebastian Dehmer erst im vergangenen Jahr vollzogen. “Generalstabsmäßig“ geplant „Unser Plan heißt Olympia 2004, und es sieht derzeit ganz so aus, als ob der aufgehen würde“, prognostiziert Ebli und meint Medaillen. Im Sommer reiste er gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Rolf Ebeling nach Athen, um die Wettkampfstrecken für den 24. und 25. August 2004 genau zu vermessen. „Um in Athen Siegchancen zu haben, müssen die Sportler einen sehr anspruchsvollen Radkurs so gut verkraften, dass sie im Laufen noch taktische Reserven haben. Das berücksichtigen wir in unserer langfristigen Trainingsplanung“, verrät Ebli. Man habe die Qualität des Radtrainings gesteigert und im WM-Trainingslager vor zwei Wochen auf Lanzarote auch die Spitzenbelastung noch einmal erhöht. „Aber wir haben uns die Kräfte gut eingeteilt“, meint Ebli. “Jeder kann in die Top-Ten“ Das glaubt auch Daniel Unger, Sprecher der Nationalmannschaft und mit zuletzt fünf Top-Ten Platzierungen im Weltcup ein ganz heißes Eisen für Queenstown. „Ich bin überzeugt, dass wir mit einer guten Form im Gepäck ans andere Ende der Welt reisen. Jeder von uns hat das Zeug, unter die besten Zehn zu kommen.“ Neben Unger ist Stefan Vuckovic in Neuseeland dabei, außerdem der Deutsche Meister Maik Petzold und der DM-Zweite Andreas Raelert. Der qualifizierte sich erst kürzlich als vierter Mann für das WM-Team, als er in der Olympia-Generalprobe von Athen Platz neun erreichte. Mit mannschaftlicher Unterstützung, denn „das Team wollte ihn unbedingt dabei haben“, erzählt Ralf Ebli. „Da stimmt es auch menschlich.“ Für Athletinnen wie Anja Dittmer ist das Klima in der Mannschaft zur Zeit besonders wichtig. Die öffentlichen Erwartungen an die dreifache Weltcup-Siegerin sind hoch, höher als sie das je zuvor erlebt hat. Dittmer ist vielleicht die spurtstärkste Läuferin des ITU-Circuit, darum ist ihr alles zuzutrauen, wenn sie über den schweren Radkurs von Queenstown den Anschluss halten kann. „Natürlich kann sie mit einer guten Portion Glück auch ganz vorn landen, aber sie weiß, dass ich das nicht von ihr erwarte. Ein Platz unter den besten Zehn ist schon die Qualifikation für Athen, und den hat sie drauf“, relativiert Ebli den Druck. Frühe Tickets erleichtern die Planung An und auf ihrer Seite weiß Dittmer Joelle Franzmann, eine der stärksten Schwimmerinnen und Radfahrerinnen der Szene. Eine ganze Serie von Top-Five Platzierungen im Weltcup kann Franzmann vorweisen in dieser Saison, der ersten, die sie vollkommen unverletzt überstand. Anders als Christiane Pilz, die sich nach langwierigen Verletzungssorgen erst wieder auf dem Weg nach ganz oben befindet und sich deshalb als Dritte im Bunde vielleicht sogar in den Dienst ihrer Kolleginnen stellen könnte. Es spricht vieles dafür, dass die deutsche Rechnung in Queenstown aufgeht und bereits in einer Woche die ersten deutschen Olympiateilnehmer feststehen. Für sie ein trainingsmethodischer Vorteil, sie könnten sich im kommenden Jahr ausschließlich auf das Rennen von Athen vorbereiten. Alle anderen bekommen noch eine Chance: Anfang Mai geht es für sie bei den Weltmeisterschaften auf Madeira in die letzte Runde.
Zaehler