Kai Hundertmarck: "Am Ende hat es richtig wehgetan"

Frank Ketterer/taz für tri2b.com | 13.07.2004 um 20:47
Kai Hundertmarck war neun Jahre lang Radprofi beim Team Telekom. Nun hat er in Frankfurt seinen ersten Ironman absolviert. Ein kurzes Gespräch über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und einen langen Marathon.

taz: Herr Hundertmarck, sie lagen gerade beim Physiotherapeuten auf der Massagebank. Gabs viel zu kneten? 
Kai Hundertmarck (K.H.): Nee, das ging gar nicht. Die Muskeln haben noch so wehgetan, da musste mehr gestreichelt werden. 

taz: Dann ist Ihr Körper nach dem Ironman wohl ein einziger Schmerz? 
K.H.: Nein, ich bin sogar überrascht, wie gut es mir am Tag danach geht. Nach einer schweren Tour-Etappe ist man anderntags jedenfalls ausgepowerter. Ich fühle mich derzeit hingegen relativ frisch. Was ich aber habe, sind extreme Muskelschmerzen. 

taz: Wie fühlt es sich sonst so an, ein Ironman zu sein? 
K.H.: Es ist ein schönes Gefühl, das geschafft zu haben. So ein Ironman ist eine Riesenherausforderung, und wenn man das dann beim allerersten Mal unter 9 Stunden hinbekommt, dann kann man damit zufrieden sein. Zumal es ja auch mein erster Marathon war. 

taz: Haben Sie mit Ihrer wirklich guten Zeit von 8:56,18 h gerechnet? 
K.H.: Bei weitem nicht. Zumal meine Ziele ja andere waren und ich im Rennen umdisponiert habe. 

taz: Nämlich? 
K.H.: Ich wollte ursprünglich ja als Erster vom Rad steigen, am besten mit Radrekord. Ich habe dann aber während des Rennens festgestellt, dass sich vorne eine Spitzengruppe gebildet hatte, die gemeinsam Dampf machte - und es ganz schwer für mich gewesen wäre, alleine da vorne reinzufahren. Deshalb habe ich umgeplant und gesagt: Okay, dann geh ich auf dem Rad eben nicht an die letzten Reserven ran, sondern probiere, insgesamt ein schönes Ergebnis zu machen. 

taz: Und deswegen sind Sie nur als Achter vom Rad gestiegen. 
K.H.: Genau. Der erste Rad-Platz wäre zwar schön gewesen, aber er war einfach nicht mehr erreichbar. Dafür bin ich beim Schwimmen zu sehr unter meinen Möglichkeiten geblieben. 

taz: Warum? 
K.H.: Ich bin ja noch nie mit 2.000 Menschen gleichzeitig losgeschwommen. Das ist schon eine ganz besondere Erfahrung. Ich war immer mittendrin im Gewühl und habe ständig Schläge und Tritte abbekommen. Deshalb kam ich erst gar nicht dazu, mich richtig freizuschwimmen und mich zu verausgaben. So ist auch zu erklären, dass ich erst als 166. aus dem Wasser kam, was gleich das nächste Problem mit sich brachte. 

taz: Als da wäre? 
K.H.: Ich musste viel überholen - und habe dabei viel Kraft gelassen. Zum Teil sind die mit 35 Stundenkilometern gefahren - und ich bin dann mit 48 Stundenkilometern angekommen und musste immer wieder runterbremsen, um anschließend wieder zu beschleunigen. Da habe ich wohl auch etwas überrissen, weshalb mir dann im Mittelteil etwas die Kraft gefehlt hat. Für die zweitbeste Radzeit hat es aber trotzdem noch gereicht. 

taz: Wie fühlt man sich nach alledem beim Marathon? 
K.H.: Nach dem Rad habe ich mich noch richtig gut gefühlt. Deshalb bin ich das Laufen auch ziemlich flott angegangen. Ich habe mir gesagt: Langsamer wirst du von alleine, am Ende wird es sowieso nur noch Kampf. 

taz: Ab wann war es Kampf? 
K.H.: Die letzten zehn Kilometer hat es richtig wehgetan. 

taz: Haben Sie mal ans Aufhören gedacht? 
K.H.: Nein. Nie! 

taz: Was ist härter: Eine Tour-Etappe oder ein Ironman? 
K.H.: Man kann das nicht vergleichen. Bei der Tour muss man jeden Tag an sein körperliches Limit gehen, gerade in den Bergen hat man ja manchmal einen Herzschlag, dass einem der Puls bis an die Schädelecke schlägt. Beim Ironman hingegen geht man nie so richtig ans Limit, hat aber auch nie eine wirkliche Phase der Erholung. Auf dem Rad beispielsweise kann man es nie mal rollen lassen, sondern muss ständig Druck aufs Pedal bringen und Tempo machen. Du hast neun Stunden lang keine Pause - und das ist schon sehr, sehr hart. 

taz: Bei der Tour wird am Tag darauf die nächste Etappe gefahren. Würden Sie heute wieder einen Ironman machen wollen? 
K.H.: 3,8 km schwimmen und 180 km Rad wären okay. Aber ich könnte heute garantiert nicht noch mal einen Marathon laufen. 


Mit freundlicher Genehmigung der "taz – die tageszeitung", Berlin