Nüchterntraining: Mit knurrendem Magen zur neuen Bestzeit?
tri2b.com: Nüchterntraining soll die Fettverbrennung verbessern. Heißt Nüchterntraining man darf gar nichts vor der morgendlichen Trainingseinheit essen, oder darf es eine halbe Banane oder zwei Bissen Energieriegel sein, damit der Magen nicht sofort knurrt?
Caroline Rauscher (C.R.): Beides ist möglich. Wichtig ist im Vorfeld den Begriff "Nüchterntraining" zu klären. Training, bei dem der Athlet während der Einheit keine oder wenig Kohlenhydrate zuführt, bezeichnet man üblicherweise als Nüchterntraining. Die andere Möglichkeit ist, das Training mit reduzierten Kohlenhydratspeichern (Glykogenspeichern) zu beginnen und währenddessen nichts oder wenig an Kohlenhydraten zuzuführen. Diese zweite Vorgehensweise bezeichnet man als „train low/smart-compete high“ Strategie. Was die Durchführung anbelangt, gibt es hierzu verschiedene Schemata. Also wichtig: nicht alles über einen Kamm scheren, was irgendwie mit dem Begriff „nüchtern“ zu tun hat.
tri2b.com: Wie effektiv ist Nüchterntraining im Vergleich zu sehr langen Ausdauereinheiten jenseits der Drei-Stundenmarke, die bekanntermaßen den Fettstoffwechsel verbessern?
C.R.: Bei Ausdauereinheiten hängt die Wirkung auf den Fettstoffwechsel davon ab, wie sie versorgt werden: Sprich werden Kohlenhydrate zugeführt oder nicht. Werden keine oder wenig Kohlenhydrate zugeführt, dann wird diese Einheit zur Fettstoffwechsel-Trainingseinheit. Wird sie ausreichend versorgt, dann spielt der Fettstoffwechsel eine nicht so dominante Rolle bei der Energiegewinnung. Ausgeschaltet ist er nicht, das ist sehr wichtig!
tri2b.com: Wie lang sollte ein Nüchterneinheit sein und ab wann ist es kontraproduktiv?
C.R.: Das kann man nicht pauschal beantworten, da verschieden Faktoren Einfluss drauf haben, ob und wann es kontraproduktiv wird. Grundsätzlich kann man als Richtgröße annehmen: 60-90 min. lockeres Training stellen in der Regel kein Problem dar. Übrigens ist bei top trainierten Athleten die Fettverbrennung auch kurzen hochintensiven Einheiten (HIT-Training) von Bedeutung für die Leistungskapazität.
tri2b.com: Wie schaut es mit der Intensität aus. Darf man auch etwas intensiver trainieren, als im Vergleich zu den ruhigen langen Fettstoffwechsel-Einheiten?
C.R.: Man darf durchaus auch mal intensiver trainieren. Gerade bei sehr gut trainierten Athleten weiß man, dass der Fettstoffwechsel auch bei höheren Intensitäten einen beträchtlichen Teil zur Energieversorgung beiträgt (HIT Training). In diesem Zusammenhang ist sehr wichtig, dass sich der Athlet vorher immer überlegt, welche Intention seine geplante Einheit gerade hat: steht das Training des Fettstoffwechsels im Vordergrund, oder geht es um eine anspruchsvolle Einheit, bei der z.B. die Verbesserung der Technik das Ziel ist.
tri2b.com: Wie oft macht Nüchterntraining Sinn?
C.R.: Fettstoffwechseltraining ist im Ausdauersport und Triathlon ein wichtiges Trainingsinstrument, das allerdings mit Bedacht einzusetzen ist. Das bedeutet, dass es keine dauerhafte Art der Versorgung darstellen soll. Phasen in der frühen Trainingsvorbereitung mit vielen lockeren Grundlageneinheiten bieten sich hierfür an. Am besten solche Einheiten immer wieder einstreuen oder in einen ruhigen Trainingsblock einbauen. Die Häufigkeit hängt auch vom Athleten selbst ab, wie stabil ist sein Immunsystem, hat er z.B. generell Probleme mit der Aufnahme von Kohlenhydraten. Fixe Zahlenangaben über die optimale Häufigkeit gibt es nicht, da auch die Wissenschaft noch keine allgemeingültige Antwort gefunden hat.
tri2b.com: Wie sollte die Ernährung am Vortag eines Nüchterntrainings ausschauen?
C.R.: Wie schon erwähnt, gibt es herzu verschiedene Strategien. Nach dem „Train low“ Schema, soll der Athleten am Vortag nur so viele Kohlenhydrate zuführen, dass er mit leeren oder teilentleerten Speichern in die Einheit startet.
tri2b.com: Welche Gefahren birgt Nüchtern-Training in sich? Stichwort Verstoffwechselung von Eiweissbausteinen?
C.R.: Die Dosis macht das Gift. Wird es übertrieben, dann werden Eiweißstrukturen angegriffen, es kommt zu einem stärkeren Anstieg von Stresshormonen. Ein erhöhter Stresshormonspiegel hat negative Auswirkungen auf das Immunsystem und begünstigt das Entstehen von Übertraining. Führt ein Athlet während des Trainings nie oder nur wenig Kohlenhydrate zu, dann kann das möglicherweise im Wettkampf zu Problemen bei der Energieaufnahme führen.
tri2b.com: Ist es typbedingt, ob einem Nüchtern-Training liegt, oder kann man es erlernen?
C.R.: Es gibt schon individuelle Unterschiede, was die Toleranz anbelangt. Trainierbar ist der Fettstoffwechsel aber auf jeden Fall.
tri2b.com: Für wen ist Nüchterntraining empfehlenswert? Einsteiger oder erfahrener Triathlet, austrainiert oder etwas übergewichtig?
C.R.: Es kann für jeden Athleten empfehlenswert sein, nur die Vorgehensweise ist zu individualisieren. Sprich man muss eine Strategie finden, die zum Alltagstraining, der Trainingsphase und zum Athleten selbst natürlich passt.
tri2b.com: Eignet sich in diesem Zusammenhang Nüchterntraining auch als Instrument zur Gewichtsreduktion, z.B. wenn man mit etwas mehr Pfunden auf den Rippen aus der Winterpause kommt?
C.R.: Ja, aber es besteht die Gefahr, dass der Athlet durch diese Strategie am Ende der Einheit in den Unterzucker kommt und dann in der anschließenden Regenerationsphase eine Heißhunger-Fressattacke entwickelt. Dann wird unterm Strich sogar mehr Energie zugeführt als zuvor verbraucht wurde. In punkto Abnehmen tut sich dann auf der Waage nichts.
tri2b.com: Was ist von Nahrungsergänzungsmitteln zu halten, die die Wirkung von Nüchterntraining noch verbessern soll?
C.R.: Die Zufuhr von Koffein, wie sie auch in den diversen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind, hat sich in diesem Zusammenhang recht gut bewährt und zwar weil Koffein positive Effekte auf das Motivationszentrum im Gehirn hat und dadurch das Nüchterntraining leichter durchgehalten werden kann.
tri2b.com: Was kann man als Fazit zum Thema "Nüchterntraining" festhalten?
C.R.: Nüchterntraining ist ein sinnvolles Instrument, um den Fettstoffwechsel zu verbessern. Der Einsatz und die Häufigkeit muss jedoch, wie andere Maßnahmen auch, gut durchdacht sein. Wird es übertrieben kann dies negative Auswirkungen haben auf das Immunsystem, die hormonellen Systeme und auf den Wettkampf selbst, v.a. was das Thema Magen-Darm-Problematik anbelangt.
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Caroline Rauscher hat Pharmazie studiert, zahlreiche Weiterbildungen in den Bereichen Offizinpharmazie und Ernährung gemacht und bietet individuelle Sporternährungs-Konzepte an. Sie betreut mit ihrer Firma Nutritional-Finetuning (www.nft-sport.com) u.a. die Biathletin Andrea Henkel, Ski-Langläufer Tobias Angerer, Alpin-Star Viktoria Rebensburg sowie die Triathleten Andreas Böcherer, Julia Gajer, Daniela Sämmler, Stefan Schmid, Andi Giglmayr, Eva Wutti und Yvonne van Vlerken.