Lars Teutenberg: Aerodynamik noch nicht ausgereizt

von René Penno für tri2b.com | 26.04.2012 um 00:00
Aerodynamik spielt im Triathlon schon immer eine große Rolle. Auf dem Rad schnell sein, um vorne dranzubleiben, dabei aber nicht zu viele Körner zu verschießen – darum geht es vor allem bei der Langdistanz. Während Profis alle möglichen Vorzüge des Materials und an Tests genießen, ist es für Altersklassenathleten meist schwierig, neben dem eigentlichen Training auch noch die optimale Sitzposition zu finden. Lars Teutenberg, der mit vielen Spitzenprofis im Radsport zusammenarbeitet, verrät uns, dass nicht alles mit Zauberei zu tun hat.

tri2b.com: Wie groß wäre der Zeitunterschied, würde ein Topzeitfahrer beim Einzelzeitfahren der Tour de France statt eines Spezialrades seine normale Rennmaschine benutzt?
Lars Teutenberg (L.T.): Das wäre ein erheblicher Unterschied. Bei einer Stunde sind ein paar Minuten drin. Das ist aber auch abhängig von der Strecke. Bei einem bergigen Profil ist der Unterschied sicher nicht ganz so groß. Beim Triathlon wäre der Unterschied noch größer, weil das Rennen über ein paar Stunden geht. Ein Problem im Triathlon ist noch, dass anschließend ein Lauf obendrauf kommt – Radprofis können ihr Rad nach dem Rennen abstellen. Da muss man den goldenen Mittelweg mit der Position finden. Ich würde zum Beispiel keinem Triathleten die extreme Haltung von Bert Grabsch empfehlen.

tri2b.com: Wie kann ich denn als Amateur die beste Sitzposition herausfinden? Ist eine Sitzpositionsanalyse die einzige Möglichkeit?
L.T.: Theoretisch kann man in verschiedenen Positionen bergab rollen. So kann man selbst herausfinden, was effektiv ist. Ansonsten kann man Aerodynamik nicht pauschalieren. Manche sitzen tief, andere sind in einer höheren Position aerodynamischer. Schmale Ellbogen funktioniert auch nicht bei jedem, zumal Triathleten oft breitere Schultern haben. Das ist alles sehr individuell.

tri2b.com: Welche Möglichkeiten gibt es, um im Trainingsalltag die Wirksamkeit von Änderungen an der Aerodynamik zu überprüfen? Nicht jeder kann in einen Windkanal.
L.T.: Da ist eine Radrennbahn eine gute Alternative, weil man mit tatsächlicher Wettkampfkraft treten muss und es praktisch keine äußeren Einflüsse gibt. So merkt man, ob die Position fahrbar ist oder nicht.

tri2b.com: Es gibt zum Teil einfache Mittel und Materialien für eine günstige Aeroposition. Wo ist das meiste Potential versteckt.
L.T.: Sicher am meisten in der Position vom Oberkörper. Dann bei den Laufrädern bei höheren Geschwindigkeiten. Der Rollwiderstand spielt mehr eine Rolle bei langsamerer Fahrt. Und natürlich gibt es auch Unterschiede zwischen den einzelnen Aerorahmen. Da sind ja inzwischen mehrere Generationen auf der Straße.

tri2b.com: Welche Bereiche der Muskulatur sind Ihrer Meinung nach für eine bessere aerodynamische Haltung auf dem Rad besonders wichtig, welche sind bei Hobbyathleten meist unterentwickelt?
L.T.: Eine gute Rumpfstabilität ist sehr wichtig.

tri2b.com: Können Sie uns verraten, in welchen Schritten sich ein Radprofi an die beste Aeroposition herantastet?
L.T.: Viele fahren bei den Einzelzeitfahren während einer Rundfahrt nur von A nach B mit wenig Kraftaufwand. Das sind meist die Helfer in den Mannschaften. Die probieren eine Einstellung aus, das reicht oft schon. Die Spezialisten hingegen probieren schon mehrere Einstellungen, bis es passt. Die versuchen auch, mit neuen Ideen und Techniken mehr herauszuholen. Mit einem neuen Helm oder eine neue Kopfposition zum Beispiel.

tri2b.com: Wie weit ist das Thema Aerodynamik ausgereizt, gibt es im Rahmen der geltenden UCI-Regeln noch große, messbare Verbesserungsmöglichkeiten?
L.T.: Auf jeden Fall. Ich denke, da ist noch lange nicht Schluss. Es werden keine Sprünge mehr von zehn Prozent kommen, aber mit der ganzen Systemintegration wie den Bremsen zusammen mit den Laufrädern sind noch Fortschritte zu erzielen.

tri2b.com: Wie beurteilen Sie als langjähriger Profiradsportler die derzeitigen Leistungen der Toptriathleten wie Sebastian Kienle oder Andreas Raelert auf dem Rad?
L.T.: Das sind schon sehr sportliche Geschwindigkeiten auf der Radstrecke. Viele Radprofis würden vermutlich noch bessere Zeiten fahren können. Triathleten fahren aber mit angezogener Handbremse, weil der Sieg meistens beim Laufen vergeben wird. Aber Hut ab, nach solch harten 180 Kilometer hätte sicher kein Radprofi viel Lust, dann noch mehr Sport zu machen.