Schneller Rad fahren: So funktioniert Aerooptimierung auf der Radbahn

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 14.01.2019 um 19:20
Wer schneller mit dem Rad unterwegs sein will, der muss neben viel Trainingsfleiß vor allem an einer Verbesserung der Aerodynamik feilen. Dieses Wissen ist in den Köpfen der Triathleten mehr und mehr angekommen. Die Radindustrie macht mit dem Aerohype gute Geschäfte und bringt alljährlich neues aerodynamisch optimiertes Equipment auf den Markt. Angefangen von aerodynamisch optimierten Rahmen und Laufrädern, Lenkern, Helmen, Bekleidung, Trinksystemen und weiterem Zubehör versprechen Watteinsparungspotenzial und dadurch schnellere Radsplits oder mehr Power für den sich anschließenden entscheidenden Lauf. Patrick Lange hat dies bei seiner geglückten Ironman Hawaii-Titelverteidigung gekonnt vorgemacht. Allerdings ist die beste Aerodynamik beim Radfahren nicht einfach so zu erkaufen. Alle Komponenten können sich gegenseitig beeinflussen. Was bei dem einen Athleten funktioniert, das kann bei einem anderen Athleten der falsche Ansatz sein. Zudem bietet die Position des Athleten meist das größte Einsparpotenzial. Grischa Janorschke und Fritz Meingast, die Macher von Aero-Fitting, können davon unzählige Geschichten erzählen. Beide haben sich der Aerooptimierung auf der Radbahn verschrieben und geben ihr Wissen als Dienstleistung an interessierte Triathleten und Rennradfahrer weiter. Unsere tri2b.com A|N Athletin Petra Paule hat sich auf dem Augsburger Velodrom einer Komplettanalyse unterzogen.

Der Ansatz von Grischa Janorschke und Fritz Meingast ist eine möglichst ganzheitliche Optimierung, denn insbesondere im Triathlon bringt die beste aerodynamische Lösung nichts, wenn dadurch die Leistung im Laufen negativ beinflusst wird. Los geht es deshalb schon vor dem eigentlichen Testtag. Grischa Janorschke und Fritz Meingast wollen wissen, mit welchem Rad und Ausgangssetup der Testproband nach Augsburg kommt. Außerdem wollen die Aerotüftler erfahren, auf welches Ziel hin optimiert werden soll. So stellen sich bei Petra mit ihrem 2019er Wettkampfziel Ironman Lanzarote und der dortigen bergigen und eher langsamen Radstrecke ganz andere Anforderungen als beispielsweise für einen Highspeedkurs wie in Roth.

 

Vom Triathleten zum Bahnfahrer

 

Für eine möglichst genaue Messung der Wattwerte müssen bei Aero-Fitting die Daten mit einem verlässlichen Powermeter aufgezeichnet werden. Bietet das eigene Wattmessgerät nicht die nötige Genauigkeit oder ist kein eigenes vorhanden, stellen die beiden entsprechende Geräte zur Verfügung. Grischa Janorschke baut dafür in wenigen Minuten ein passendes SRM-System an Petras Rad.  Dann wäre da noch die Radbahn, ein eher unbekanntes Trainingsrevier für Triathleten. Steile 45 Grad Neigung misst die Holzbahn in den Kurven. Wer erstmals direkt davor steht, fragt eher nach Seil und Haken, als nach einem Zeitfahrrad mit nur 2,5 cm breiten Reifen. Janorschke, der die Erfahrung einer zehnjährigen Radprofi-Karriere mitbringt,  ist entsprechend auf die "Bahn-Rookies" aus dem Triathlonlager vorbereitet. Behutsam dreht er zusammen mit den Testpiloten erste Einführungsrunden. "Du musst überhaupt nicht lenken, das Rad fährt allein um die Kurve," erklärt der Ex-Radprofi Petra, die dies dann gleich auch gekonnt in die Tat umsetzt und nach wenigen Minuten schon problemlos um das 200 Meter lange Holzoval düst.

 

Daten, Daten, Daten ...

 

Bevor es richtig los geht, wird das Rad exakt vermessen - Gewicht und alle weiteren relevanten Rahmenmaße werden erfasst. Meingast, im Hauptberuf Mathematik- und Physiklehrer ist der Herr der Daten. In jahrelanger Arbeit hat der Zeitfahrspezialist einen eigenen Bahntest entwickelt, mit dem bei Aero-Fitting erfolgreich gearbeitet wird.

Los geht es mit der Basismessung - die sogenannte "Baseline" - bei der das Ausgangssetup zum Einsatz kommt. Petra muss nach 2 Einführungsrunden 10 Runden lange in möglichst gleichbleibendem Tempo fahren, wobei als Tempovorgabe  das Wettkampfzieltempo gewählt wird. Bei Petra sind das 31 km/h. Auf der Holzbahn, die deutlich besser rollt und zudem äußere Einflüsse (z.B. Wind) fehlen, entspricht dies ca. 35 km/h. Schließlich soll so realistisch wie möglich optimiert werden. So kommen im Highspeed-Zeitfahrtempo jenseits der 50 km/h ganz andere aerodynamische Einflüsse zum Tragen, als beim fast schon gemächlichen Triathlon-Langdistanz-Tempo.  111,3 Watt Gesamtwiderstandsleistung werden für Petras "Baseline"-Messung notiert.

Petra fährt erst seit gut zwei Jahren auf einem Zeitfahrrad und sitzt noch eher aufrecht auf ihrem Rad. Dementsprechend  ist eine der ersten Optionen: Lenker runter und damit tiefer und flacher sitzen. Mit gekonnten Handgriffen verstellt Janorschke die Lenkereinstellung. Meingast dokumentiert die Veränderung sofort. Schließlich soll im Nachgang jede getestete Einstellung exakt reproduziert werden können.

 

Prinzip Versuch und Irrtum - nur so lässt sich das beste Aerosetup ermitteln

 

Dann heißt es wieder Bahn frei für Petra. Präzise fährt sie Runde um Runde im vorgegebenen Tempo, wobei von der ersten Messung an immer die exakt selbe Übersetzung gekettet sein muss. "Verschiedene Trittfrequenzen haben Auswirkungen auf die Qualität der Daten", erklärt Meingast. Nur so lassen sich später exakte Aussagen zu möglichen Unterschieden machen. Sofort im Anschluss des Laufs wird das SRM ausgelesen und Fritz Meingast überblickt sofort das Ergebnis. Nur ein mickriges Watt (110,2 Watt Gesamtwiderstand) ist diese Einstellung besser - wohl eher der falsche Weg? Ebenso nur minimale Verbesserungen ergeben sich durch einen steileren Winkel der Extensions. Also nächster Lauf und weitertesten.

Ist die engere Padposition auch fahrbar?

Wenn schon nicht tiefer sitzen, dann vielleicht eine engere Armposition? Schließlich fahren einige Toppros nur noch mit einer superschmalen Mono-Armauflagenschale. Nacheinander wird die Padbreite, die Griffbreite und die Lenkerlänge variiert. Vier Läufe später ist klar: Die um 5 cm schmäler gestellten Armpads bringen 3,1 Watt Ersparnis beim Luftwiderstand.

Als nächstes sind die Laufräder dran. Anstelle Petras eigener Veltec Speed Laufräder werden nacheinander drei exemplarische Laufrad-Setups aus dem umfangreichen Aero-Fitting-Testpool gefahren. Während die bei vielen Triathleten beliebte Profile Design-Kombi aus 58er Vorderrad und 78 Hinterrad so gut wie keinen Effekt erzielt, tun sich mit einem HED Trispoke Vorderrad und dem neuen DT Swiss ARC 1100 Laufradsatz in der 80 mm-Variante wieder was. Insbesondere die DT Swiss Wheel-Kombi ist satte 5 Watt besser hinsichtlich des Luftwiderstands.

Für Zahlenfreaks: Die Auswertung vom Petras 17 Testläufen

Zu guter Letzt rückt die Bekleidung der Athletin, sprich der Helm und der Zeitfahranzug, in den Blickpunkt. Auch nach 15 Testläufen - 180 absolvierten Runden bzw. 36 gefahrenen Kilometern - fährt Petra immer noch exakt wie ein Schweizer Uhrwerk ihre Tempovorgabe. Mit Erfolg, denn sowohl der Wechsel zu einem Uvex Race 8 Helm und zu einem RenéRosa Triathlon-Einteiler zeigen mit 2,3 und sogar 5,1 Watt nochmals deutliches Leistungseinsparungspotenzial.

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Die Bahntest-Termine von Aero-Fitting im Frühjahr 2019 auf der Radrennbahn Augsburg

  • 6. - 9. März 2019 (Mittwoch - Samstag)
  • 15. - 18. April 2019 (Montag – Donnerstag)
  • 6. - 9. Mai 2019 (Montag - Donnerstag)
  • 20. - 23. Mai 2019 (Montag – Donnerstag)
  • und weitere auf Anfrage!

>>Mehr Infos zum Angebot gibt´s unter www.aero-fitting.com

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Fazit:

 

In Summe könnte Petra mit allen festgestellten Optimierungspotenzialen ca. 13 Watt bei ihrer Zielgeschwindigkeit einsparen. Außerdem wären mit einem anderen Reifensetup (Wechsel vom Conti GP 4000 S zum Leichtlauf-Primus Vittoria Corsa Speed Tubeless) noch weitere 5,5 Watt Einsparung beim Rollwiderstand drin, allerdings einhergehend mit einem deutlich verringerten Pannenschutz. Auf den 180 Kilometern eines Ironman würde das ermittelte optimale Aerosetup in ihrem Zieltempo von 31 km/h bei gleicher Leistung rein rechnerisch ca. 16 min. Zeitersparnis bedeuten.

Je näher an der x-Achse, desto aerodynamischer! Die Laufräder (DT Swiss/Lauf 13  & HED Trispoke/Lauf 14) und das Helm-/Zeitfahranzug-Setup (Uvex-RenéRosa/Lauf 17) ragen heraus

Die Option der Leichtlaufreifen wird Petra bei ihrem Zielwettkampf auf den teils etwas ruppigen Straßen Lanzarotes wohl eher nicht ziehen. Sicher war sich Petra hingegen schon während des Bahntests, dass die engere Armpad-Stellung definitiv fahrbar ist, ebenso die etwas steilere Neigung der Extensions. Im Training heißt es nun sich an die veränderte Einstellung zu gewöhnen, damit auch möglichst dauerhaft die optimierte Position gefahren werden kann.  Die Möglichkeit ein verändertes Setup sofort in der Realbewegung testen zu können ist auch der große Vorteil des Bahntests gegenüber Messungen im Windkanal. Allerdings muss dafür die Einschränkung in Kauf genommen werden, dass ein Bahnaerotest keine Aussagen über seitliche Anströmungen (Seitenwindverhältnisse)  treffen kann.