Kurzmeldung


Steife Böcke joggen sparsam

von Jens Richter für tri2b.com | 21.01.2003 um 22:17
Schon mal gesehen? Die Herrschaften mit den leicht krummen Knien und steifen Hüften – diese Lauf-Autodidakten, die nie wirklich schnell, aber umso sicherer ins Ziel gelangen? Ganz sicher, denn ob im Zehner von Duisburg oder im Hunderter von Biel, sie sind überall. Genaugenommen sind sie sogar in der Mehrzahl und noch viel schlimmer: Unter ihnen wimmelt es förmlich von Dreikämpfern. Für Laufästheten mag das eine Zumutung sein, vom energetischen Standpunkt betrachtet ist es offenbar recht effektiv. Überraschend wies eine Studie im International Journal of Sports Medicine jetzt nach, dass verkürzte Bein- und Beckenmuskeln helfen, kostbare Kalorien zu sparen. Mit Einschränkungen.

Minimale Amplitude, wenig Schweiß 
Kniehub und Hüftstreckung sind fraglos wichtige Faktoren für die Schrittlänge. Speedläufe von der Mittelstrecke bis zum Halbmarathon verlangen einen ganz anderen Raumgewinn, als das kleinschrittige Getrappel besagter Volksläufer. Doch wer regelmäßig brav „sein Lauf-ABC aufsagt“, weiß auch, wie schweißtreibend Kniehebeläufe und Anfersen sein können – sei man noch so geschmeidig in Hüfte und Oberschenkel. Weil der Körper sich bei immer wiederkehrenden und monotonen Belastungsformen in der Regel von selbst den kraftsparendsten Weg sucht, „degeneriert“ auf Dauer der Schritt, wo nicht Tempovariabilität, sondern schiere Ausdauer gefragt ist. 

Stabilität durch starre Muskeln 
Die zitierte Studie stellte nämlich fest, dass der Energieverbrauch der Läufer immer weiter abnahm, je geringer die Beweglichkeit und Dehnbarkeit der Beinmuskulatur (gemessen über den "Sit an Reach-Test") war. Das galt allerdings nur so lange, wie die getesteten Geschwindigkeiten unter der aeroben Schwelle blieben. Die Untersuchung wurde übrigens bei international konkurrenzfähigen Läufern durchgeführt, allzu bummelig dürften die Laufgeschwindigkeiten also nicht gewesen sein! Erklärungsansätze für die unerwarteten Ergebnisse mutmaßen, dass möglicherweise ein Teil der elastischen Energie aus der Dehnung kurzer Muskeln bei der Gegenbewegung wieder in den Vortrieb „zurückfließt“. Ein weiterer Gedankengang vermutet, die steifere Beckengürtel- und Hüftmuskulatur könne das gesamte Becken so sehr stabilisieren, dass die Muskeln weniger aktive Haltearbeit leisten müssten. 

Wenig Spielraum, keine Reserven 
Daraus nun zu schließen, Beweglichkeit sei grundsätzlich ein energieschleißender Nachteil im Streckenlauf, ist sicher nicht zulässig. Die Temporeserve steifer Böcke ist geringer, weil bei längeren Schritten die „passiven Bewegungswiderstände“ zunehmend bremsen. Und welche Auswirkungen die härteren Muskelzüge auf ihre knöchernen Verankerungen haben, wurde ebenfalls in dieser Studie nicht erfasst. – Vielleicht gibt die Untersuchung aber einen Hinweis, warum diese „unsäglichen Trippler mit dem starren Beinpendel“ regelmäßig so unbeirrbar ihr Ziel erreichen. 

Quelle: Running economy is negatively 
related to sit-and-reach-test performance 
in international-standard distance 
runners. 
A.M.Jones im Int. J. Sports Med 23[2002]