Running in Kalifornien #2: Wenn im März ins neue Jahr gesprintet wird

von Sven Weidner für tri2b.com | 07.03.2018 um 10:02
Moment...haben wir nicht schon März? Ja schon, aber es gibt ja auch noch das Neujahr nach chinesischem Mondkalender und wie sich das gehört, gibt es dazu in San Francisco auch einen passenden Volkslauf. Also meine Chance nach dem 24h-Lauf noch einmal so richtig zu leiden? Dazu später mehr J

Nach dem letzten 5 km-Lauf war ich dann doch irgendwie geknickt, weil die Platzierung nicht wirklich die Zeit wiedergespiegelt hat. Da war es wirklich gut, dass wenige Tage später Teile meiner Familie zu Besuch kamen. Leider haben sie auch das kalte Wetter mitgebracht. Es war tatsächlich so kalt und stürmisch das kein einziger Seelöwe am berühmten Pier 39 Lust hatte sich blicken zu lassen...Wie gut, dass wir Flugtickets nach Hawaii hatten :D

 

Kona ganz ohne Ironman

 

Big Island ist wirklich ein Traum und ich kann jedem nur empfehlen, auch ohne Ironman Teilnahme, der Insel mal einen Besuch abzustatten. Hier sieht man wirklich die Buckelwale von der Terrasse freudig vor der Küste aus dem Wasser springen. Leider habe ich eine Erkältung mitgebracht, weshalb deutlich weniger Sport als gewünscht auf dem Trainingsplan stand. Wenigstens konnte ich meine Zoggs-Ausrüstung beim Schnorcheln und Schwimmen auf Herz und Nieren prüfen und kann sagen: Test bestanden. Irgendwie hat das Ganze aber nicht die erwartete Motivationsspritze gebracht. 

Wahrscheinlich kennen das einige von euch, wenn nach einem Rennen ein bisschen die Luft raus ist. Dabei habe ich doch eigentlich noch ein großes Rennen vor meiner Abreise in die Heimat auf dem Plan. Also habe ich auch mit Blick in den Spiegel (mangelnde Bewegung und jeden Tag Essen gehen mit der Familie definitiv keine gute Idee) gedacht, dass ein kleines Rennen "just for fun" doch eine gute Idee wäre. So habe ich mich letzte Woche mehr oder weniger kurzentschlossen für den 40. Chinese New Year Run angemeldet. 5bkm und nur einige kurze Hügel vor der Kulisse zwischen Wolkenkratzern und Embarcadero klang da wirklich zu verlockend. 

Die restliche Woche verging dann auch ziemlich flott. Am Wettkampfvorabend war ich dann noch mit meinem guten Freund Michael die kleinste Portion italienisches Essen zum maximalen Preis essen (San Francisco ist wirklich kein Schnapper). Hier habe ich dann ununterbrochen darüber gemeckert, dass ich immer noch die Erkältung an der Backe habe und die Lust auf den Lauf so tief wie die erwarteten Temperaturen war. So hatte er es auch fast geschafft, mich davon zu überzeugen,  mit ihm lieber die Clubs der Stadt unsicher zu machen. Aber der Deutsche in mir konnte nicht akzeptieren das Startgeld umsonst bezahlt zu haben.

 

Drachentanz zum Start

 

So klingelte der Wecker am Sonntag um 5:30 Uhr, um mich um 6 Uhr auf den Weg Richtung San Francisco-Downtown zu machen. Die knackigen 4 Grad haben mich dann auch zum spontanen Warmlaufen angetrieben. Gegen 7 Uhr war die Busfahrt dann auch überstanden und ich ging zu Fuß auf den letzten Metern zur Kleiderbeutelabgabe. Da diese im Gebäude des Chinatown YMCA (ja das gibt es in den USA wirklich und ist keine Erfindung der Village People, sondern das amerikanische Pendant zum CVJM) stattfand, habe ich mich auf Grund der Kälte entschieden bis 10 min. vorm Start im Warmen zu sitzen. Leute aus San Francisco haben ein spezielles Temperaturempfinden, denn ich war gefühlt der einzige, der so lange gewartet hat und so dick eingepackt war. Naja egal, habe ich mir gesagt und versucht den Motor mit einem 6-7 min. Kurzprogramm auf die nötige Betriebstemperatur zu bringen. Auf dem Weg in die erste Startreihe noch schnell die Startnummern abgecheckt, wer denn so meine Konkurrenz in dieser ist. Aus den Gedanken über mögliche Rennstrategien wurde ich dann durch plötzlich einsetzendes Feuerwerk gerissen. Diesem folgte eine Horde wild tanzender Drachen. Ich kann nur sagen Respekt, da wird’s einem beim Warten auf den Startschuss nicht langweilig.

 

Fast allein in den Straßen von San Francisco

 

Dann endlich der richtige Knall und die Leute rannten wieder so richtig hart los. Aber diesmal wollte ich direkt mit reinhalten. Also auf die Zähne beißen und schauen wie weit ich mitlaufen kann. Nach kurzer Flachpassage ging es dann in die ersten kurzen Anstiege und von dort runter an den Embarcadero (Küstenhighway ). Wer schon mal hier war weiß, wie ein kurzer Anstieg in San Francisco aussieht...20 % Anstieg sind da eher Durschnitt als erwähnenswert. Dementsprechend war das nach den ersten schnellen Metern ein richtiger Schlag ins Gesicht. Wenigstens haben die anderen auch ziemlich hart leiden müssen, sodass zwei 10 km-Läufer und ich an der Spitze übriggeblieben sind als es auf das lange Flachstück ging.

Das waren dann auch die wohl schlimmsten 2,5 km meines Lebens, denn nach Laufen hat sich das gar nicht mehr angefühlt. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so schlechte Beine in einem Wettkampf hatte. Da ist wirklich kein schönes Gefühl, wenn du fast 3 km Zeit hast darüber nachzudenken, dass du vom Meer irgendwie zurück hoch nach Chinatown laufen musst und keine Ahnung hast, was hinter dir passiert. Irgendwann war es dann soweit, dass wir rechts wieder in die Hochhausschluchten abgebogen sind und da hat einem der absolut gerade Schlussanstieg ins Gesicht gelächelt. Ufffffff, das ist aber nochmal ein Brett...Mit ordentlich knautschen und Schmerzen in den Beinen konnte ich dann endlich rechts auf die Zielgerade abbiegen, während meine Kollegen geradeaus auf die zweite Runde mussten (die Armen...). Ich war so richtig stehend KO. Da sind auch 250 m flach und geradeaus schlimmer als jeder Km 42 beim Marathon. Was ich gemacht habe, hatte gefühlt nichts mehr mit Laufen zu tun, sodass ich mich ca. 150 m vorm Ziel das erste Mal umgedreht hatte, um meinen Verfolgern zum Sieg zu gratulieren. Doch kurioser Weise war da keiner!? DER WAHNSINN!!! Das Ding kann ich sogar nach Hause gehen. Irgendwie habe ich dann sogar noch einen Zielsprung nach 17:17 min. über die Linie gezaubert.

 

Nach der Laktatshow folgt der Händeschüttel-Marathon

 

Die Zeit ist jetzt wirklich für mich nicht gerade schnell und Triathleten neigen ja bekanntlich dazu immer eine Entschuldigung/Ausrede zu suchen warum keine neue PB auf der Uhr steht oder das Duell mit dem gehassten Teamkollegen verloren wurde. Auch ich könnte jetzt Gründe über Gründe anführen angefangen bei der Streckenbeschaffenheit, über das Wetter bis hin zum heimtückischen Krampf im kleinen Zeh. Stattdessen freue ich mich einfach, dass trotz vielleicht eher mäßiger Leistung das Ergebnis gestimmt hat J. Und in einem amerikanischen Rennen zu gewinnen ist wirklich etwas Besonderes. Ich habe heute einen Muskelkater von den ganzen Händen, die ich geschüttelt habe. Ab einem Punkt hat es sich schon angefühlt als wäre ich einer dieser TV-Politiker auf Wahlkampf. Da hat wirklich nur noch das Baby gefehlt, dass ich hätte küssen sollen (auch das hätte ich wohl gemacht im Freudentaumel). Nachdem ich dann auch wirklich jedem in der Orga meinen Dank für das tolle Event ausgesprochen habe, hat mich dann auch meine Erkältung wieder eingeholt und ich habe wohl Dreiviertel meiner Lunge in Downtown San Francisco ausgehustet. Naja, jetzt kann ich ja ohne Druck in mein finales Rennen auf amerikanischem Boden gehen und auch mal ein paar Tage die Beine hochlegen. In diesem Sinne einen guten Start in die neue Woche und ein wenig Vorspannung auf meinen nächsten Bericht.