Bewegungsmangel: Der Killer Nummer 1 in der westlichen Welt

von S. Kräftner für tri2b.com für tri2b.com | 04.03.2006 um 09:48
Es ist eine Tatsache, die nicht zu verdrängen ist: zu wenig Bewegung und einseitige Ernährung sind ungesund. Schlimmer noch, viele Krankheitsbilder können dadurch noch zusätzlich gefördert werden ...

Die Fastfood essende »Couchkartoffel« ist eine extrem gefährdete Kreatur. Sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann in ihrem Leben von einer chronischen Erkrankung eingeholt, deren Charakteristikum es ist, nicht heilbar zu sein. Jüngste Schätzungen ergaben, dass im Jahr 2000 Bewegungsmangel und schlechte Ernährung nicht weniger als 400.000 Menschen das Leben kosteten. In den letzten Beiträgen stand vor allem die Leistungsgrenze des Organismus im Mittelpunkt. Es war die Rede davon, wie man die Leistungsgrenze verschieben kann und dabei möglichst gesund bleibt, und was passiert, wenn man sich chronisch überfordert. An dieser Stelle geht es nun um das Risiko der Unterforderung, die unheilbaren Folgen und was man dagegen tun kann. Sie können sich also zurücklehnen, diesen Beitrag überfliegen, und sich gut fühlen. Denn Sie gehören zu der immer noch vergleichsweise kleinen Gruppe, die aktiv den todbringenden chronischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft vorbeugt. Zahlen beschreiben ein Horrorszenario Kardiovaskuläre Erkrankungen sind noch immer die Todesursache Nummer 1 in der westlichen Welt. Dazu gehören kranke Herzkranzgefäße, Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte. Sie schlagen mit etwa 39 Prozent aller Todesfälle zu Buche. An zweiter Stelle folgen bereits die Krebserkrankungen mit 23 Prozent. Die Diabetes-Typ-2-Fälle nehmen beängstigend rasant zu. In den USA erkrankten in den Jahren zwischen 1958 und 1993 um 600 Prozent mehr Personen als zuvor. Die Wachstumsdynamik des Diabetes verhält sich somit wie die einer Epidemie. Mit Epidemien assoziieren wir eigentlich immer noch ansteckende Erkrankungen. Diese spielen jedoch in modernen Gesellschaften nur noch eine untergeordnete Rolle. Diabetes-2 war vor nicht allzu langer Zeit eine typische chronische Erkrankung alter Menschen. Vor 1992 waren vier Prozent der neu diagnostizierten Fälle unter 19 Jahre alt. 1994 waren es bereits 16 Prozent. Zwischen 1982 und 1994 stiegen die Diabetes-Erkrankungen um das Zehnfache. Ähnliches gilt für die erst sehr junge Krankheitseinheit des metabolischen Syndroms (erste Erwähnung 1966). Sie umfasst das so genannte tödliche Quartett Hyperinsulinämie (zu hoher Insulinspiegel im Blut), Bluthochdruck, zu hohe Blutfette (LDL) und Fettleibigkeit, vor allem im Inneren des Bauchraumes. Eine Studie in den USA ergab, dass gegenwärtig etwa 25 Prozent der Amerikaner an einem metabolischen Syndrom leiden. Das metabolische Syndrom erhöht das Erkrankungsrisiko für alle chronischen Erkrankungen, die bereits genannt wurden, entscheidend. Diese fragmentarische Skizze macht überaus deutlich, dass wir vor einer gigantischen Herausforderung stehen, mit diesen bis heute unheilbaren Erkrankungen und den damit verbundenen Kosten fertig zu werden. Dabei wäre Vorbeugen so einfach: regelmäßig bewegen und gesund essen. Das wäre eigentlich schon alles. Bewegungsmangel und einseitige Ernährung fördern chronische Erkrankungen Chronische Erkrankungen entwickeln sich sehr langsam und fußen auf chronischen Entzündungen. Wenn die Symptome auftreten, dann schlich die Krankheit bereits über Jahrzehnte unter der spürbaren Oberfläche unseres Körpers dahin. Im Allgemeinen sind wir immer noch der Ansicht, dass solche Erkrankungen einen genetischen Ursprung haben. Das ist nur bedingt richtig. Ausbruch und Progression einer chronischen Erkrankung entstehen durch die Interaktionen zwischen genetischen und Umwelt-Faktoren. Auf genetischer Ebene können kleinste Veränderungen (Punktmutationen) vorliegen, die aber nur dann zu Krankheitssymptomen führen, wenn sie mit bestimmten Umweltkonstellationen interagieren. Unter Umweltkonstellationen versteht man vor allem Aspekte des Lebensstils wie körperliche Bewegung, Essgewohnheiten, Zigaretten- und Alkoholkonsum sowie Umweltgifte und Stressfaktoren. Diese Faktoren können wir alle beeinflussen und damit maßgeblich bestimmen, welchen Verlauf unser Leben nimmt. In diesem Zusammenhang noch eine Zahl aus den USA: 50 Prozent aller Todesfälle sind vermeidbaren Ursachen zuzuschreiben. Genetische Faktoren disponieren für eine chronische Erkrankung, aber unser Lebensstil bestimmt letztlich, ob es zum Ausbruch der Erkrankung kommt. Über Jahrzehntausende waren wir Menschen als Jäger und Sammler aktiv. Wir sind täglich gewandert und haben uns ballaststoffreich ernährt. Alle Feldstudien, die prüften, ob sich unser genetisches Grundmuster verändert hat, ergaben eine negative Antwort. Es sind die Umweltfaktoren, die den Ausschlag für unseren bedenklichen Gesundheitszustand geben. Und das sind in erster Linie mangelnde Bewegung, einseitige Ernährung und schlechte Essgewohnheiten. Wir essen heute zum großen Teil prozessiertes rotes Fleisch, raffiniertes Getreide, Süßigkeiten und versteckte Fette in Fertiggerichten und Fast Food sowie mit einer Vielzahl von Substanzen stabilisierte Nahrungsmittel und Milchprodukte. Die meisten von uns bewegen sich kaum und sind übergewichtig.

Immunsystem wird beeinträchtigt Die Folgen sind zunächst Regulationsstörungen durch ein beeinträchtigtes Immunsystem. Die unterschwelligen Entzündungsprozesse, die in jedem gesunden Organismus ständig ablaufen und die vom Immunsystem gleichzeitig initiiert und kontrolliert werden, entgleisen und werden chronisch. Man kann dies auch mittels Laborparametern nachweisen. C-reaktives Protein und entzündungsfördernde Zytokine können erhöht sein. Fettgewebe ist dabei ein wichtiger Akteur, der chronische Prozesse anheizt. Denn Fettgewebe produziert entzündliche Zytokine. Als erstes leiden die Gefäße an diesen im ganzen Körper ablaufenden deregulierten Entzündungen. Ihre Durchlässigkeit erhöht sich. Es kommt langfristig zu Ablagerungen im Gefäßbett, die als Atherosklerose bekannt sind und eine zentrale Ursache für alle kardiovaskulären Erkrankungen darstellen. Auch chronische Schmerzen sind nicht selten auf Permeabilitätsstörungen der Gefäße zurückzuführen. Tumore entstehen ebenfalls auf dem Boden chronischer Entzündungsprozesse. In diesem Zusammenhang verändert sich auch die Sensibilität der Gewebe, in erster Linie die des Skelettmuskels für Insulin. Normalerweise werden 75 Prozent der Glukose im Blut vom Muskel verwertet. Eine Insulinresistenz der Muskeln ist einer der vorrangigen Defekte, die zu Diabetes führen. Alle diese Erkrankungen sind Folgen unseres Lebensstils und das Beruhigende ist, dass wir sie deshalb auch selbst beeinflussen können. Regelmäßige Bewegung moduliert das Immunsystem und beugt vor Bewegung moduliert die Aktivität des Immunsystems und unterstützt die Aufrechterhaltung des Immungleichgewichts sowie die Wiederherstellung eines gestörten Immungleichgewichts. Es gibt eine Reihe an Untersuchungen, die belegen, dass moderate sportliche Aktivitäten chronische Entzündungsprozesse lindern können. Die positiven Ergebnisse reichen von der Multiplen Sklerose über Rheuma bis hin zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Diese in Schüben verlaufenden Erkrankungen nehmen bei regelmäßiger Bewegung und entsprechender Ernährung meist einen langsameren und/oder abgeschwächten Verlauf. Tumorwachstum kann ebenfalls durch regelmäßige Bewegung gebremst werden, da ein intaktes Immunsystem für die Kontrolle des Tumorwachstums in jedem Stadium von großer Bedeutung ist. Außerdem nimmt die Infektanfälligkeit ab. Um diese Effekte zu erzielen, gibt es allgemeine Richtlinien, die eine halbe bis eine Stunde Sport im Grundlagenbereich täglich empfehlen, was einem Kalorienverbrauch von 3,5 bis 7 kcal/Stunde entspricht. Zusammen mit einem ausgewogenen Essensplan reduziert körperliche Aktivität auch die Freisetzung freier Radikale, die im Überschuss produziert, Gewebe und DNA schädigen können und zur Entstehung von chronischen Entzündungen und Tumoren beitragen. Wenn wir also gesund alt werden möchten, dann sollte Sport von Kindesbeinen an Programm sein. Wir sollten unter allen Umständen dafür sorgen, dass wir unser Immunsystem fit halten. Sobald Sie bemerken, dass Sie für Infekte, Verletzungen oder andere Beschwerden anfällig werden, denken Sie an Ihr Immunsystem.