Dirk Bockel: "Balance zwischen Beinen und Birne muss stimmen"

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 15.06.2003 um 17:05
Dirk Bockel ist seit 1992 Mitglied der Triathlon-Nationalmannschaft und studiert zur Zeit in den USA ...

Dirk Bockel ist seit 1992 Mitglied der Triathlon-Nationalmannschaft und absolviert zur Zeit ein Business-Studium in den USA. Nach seinem dritten Platz bei der DM am vergangenen Wochenende ist er am kommenden Samstag ein ganz heißes Eisen für einen Top-Platz bei der EM in Karlsbad (CZE). tri2b.com hat sich mit ihm über den Sport, das Training und Studium in den USA und über sein Verhältnis zur DTU unterhalten.


tri2b.com: Dirk, herzlichen Glückwunsch zu deiner tollen Leistung bei der DM am Breitenauer See. Hast du mit dem Erfolg gerechnet?
Dirk Bockel (D.B.): Insgeheim schon. Ich wusste, dass ich gut trainiert habe, außerdem mag ich selektive Radstrecken wie die bei Obersulm. Auch meine Ergebnisse bei den Rennen in den USA konnten sich sehen lassen. Leider lief es dann beim World Cup in Florida nicht richtig rund. Dort bin ich wirklich unter Wert geschlagen worden. Beim ITU Point Race in Clermont habe ich in einem ähnlich besetzten Feld den fünften Platz belegt. Deshalb war ich mir eigentlich sicher, auch bei der Deutschen Meisterschaft ganz vorne mitmischen zu können.

tri2b.com: Während die anderen Mitglieder der Nationalmannschaft von Trainingslager zu Trainingslager reisen, studierst du in den USA und musst Training und Studium miteinander verbinden. Wie gelingt dieser Drahtseilakt?
D.B.: Da gehört natürlich eine Menge Disziplin dazu. Um in die Trainingsgruppen der Schwimmer und Läufer an der Universität zu kommen, muss man als Vollzeitstudent eingeschrieben sein, mit genereller Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen. Da ist nichts mit einem Lümmelstudium! In den Trainingsgruppen wird dann richtig hart trainiert, wobei es denen völlig egal ist, ob ich als Triathlet noch müde vom Training in einer anderen Disziplin bin.

tri2b.com: Wie sieht also ein Tag des Business-Studenten Dirk Bockel typischerweise aus?
D.B.: Von Montag bis Donnerstag steht jeden Morgen um 6:00 Uhr Lauftraining mit der Leichtathletik-Gruppe auf dem Programm. Von 10:00 bis 14:00 Uhr ist dann Programm an der Uni. Ab 14:30 bis 17:00 Uhr geht es zum Schwimmen in die Schwimm-Gruppe. Zwischen 17:00 und 18:00 Uhr werden in der Mensa die Speicher auffüllt. Von 18:00 – 20:00 Uhr geht es dann noch mal zum Pauken.

tri2b.com: Der geschilderte Tagesablauf ist ja genauso voll wie der Terminkalender eines Managers. Würdest du da nicht lieber als Vollzeit-Triathlet nur für den Sport leben?
D.B.: Natürlich wäre dann das Leben etwas lockerer. Ich kenne das ja durch meine zwei Jahre bei der Bundeswehr. Trotz aller Erfolge im Triathlon ist es aber schwer, damit Geld zu verdienen. Mein Studium soll die Basis für einen späteren beruflichen Weg bilden. Außerdem stimmt so auch die Balance zwischen den Beinen und der Birne. Der momentane Erfolg ist dafür die Bestätigung.

tri2b.com: Zurück zu deinem Training in den USA, das du seit 1996 unter Steffen Grosses Regie absolvierst. Wie kommuniziert ihr miteinander?
D.B.: Meistens per eMail, für die Feinabstimmungen telefonieren wir auch häufig. Steffen hat immer zu mir gehalten, auch in meiner USA-Zeit und unsere Zusammenarbeit funktioniert toll. Auch neben dem Sport haben wir inzwischen eine sehr freundschaftliche Beziehung. Seine Trainingspläne sind allerdings hart und umfangreich, da ist er nun mal der Boss!

ri2b.com: Kannst du in den Uni-Trainingsgruppen dort seine Vorgaben einhalten?
D.B.: Steffen Grosse bekommt von den Coaches Einblick in deren Trainingsplanung und erstellt unseren Rahmenplan. Ich versuche dann, den einzuhalten, so gut es geht – das ist nicht immer leicht. Das Training im Lauf- und Schwimmclub ist nämlich echtes Spezialistentraining. Beim Laufen stehen zum Beispiel zwei Mal in der Woche Intervalle auf der Bahn auf dem Programm. Im Schwimmen kommst du oft erst nach acht Kilometern aus dem Becken. Ingesamt gesehen wird sehr intensiv trainiert. Für die Amis ist es das „on and off“ Prinzip – an und aus!

tri2b.com: Vom Radfahren und Koppeltraining haben wir noch gar nicht gesprochen ...
D.B.: Radfahren ist grundsätzlich nur von Freitag bis Sonntag möglich. Auch dort habe ich den Schwerpunkt auf die Qualität gelegt. Mit kurzem Koppeltraining habe ich aber erst vier Wochen vor den Wettkämpfen angefangen.tri2b.com: Du bist seit 1992 Mitglied des DTU-Kaders und hast schon oft das Nationaltrikot bei internationalen Meisterschaften getragen. Wirst du vom Verband unterstützt?D.B.: Leider überhaupt nicht, was für Außenstehende sicher kaum nachvollziehbar ist. Mein Studientrip in die USA wird ganz offenbar nicht gern gesehen, aber es geht um meine berufliche Zukunft. Ich habe mich entschlossen diesen Weg zu gehen und werde ihn auch mit Erfolg abschließen.

tri2b.com: Also Punkte holen für Deutschland, auf eigene Kosten und eigenes Risiko?
D.B.: Ganz genau: Ich starte für die DTU bei ITU-Rennen, beschaffe kostbare Punkte für deutsche Olympiastartplätze und weiß noch gar nicht, ob ich da nachher was von habe. Nur einen Bruchteil meiner Ausgaben habe ich bisher ersetzt bekommen. Ich nehme keine Lehrgänge und Trainingslager der DTU in Anspruch, die so eingesparten Gelder könnte mir der Verband doch eigentlich für mein Training und die Wettkampfreisen zur Verfügung stellen. Tut er aber bisher nicht – so ist die Realität. Ich denke, dass nach meinem DM-Ergebnis und einer hoffentlich erfolgreichen EM nun ein fruchtbares Gespräch zu dem Thema geführt werden muss – immerhin bin ich zweitbester Deutscher in der ITU-Rangliste. Eine Gleichstellung mit den Kaderkollegen wäre dringend angebracht und von mir auch dringend benötigt.

tri2b.com: Dieser Missstand fördert sicher nicht das Klima innerhalb der Nationalmannschaft. Wie schaut es im Team im Vorfeld der EM in Carlsbad aus. Ist eine spezielle Teamtaktik geplant?
D.B.: Ich komme mit allen Athleten gut aus, auch wenn sich Stephan Vuckovic in den letzten zwei Jahren ziemlich ausgegrenzt hat. Bei der EM fährt aber jeder für sich und versucht, ganz vorn zu landen. Wobei Maik Petzold oder Stephan Vuckovic sicher genauso denken und das ist ja auch in Ordnung. Viele Möglichkeiten zum Taktieren gibt es bei so einem Kurs wie in Karlsbad sowieso nicht.

tri2b.com:
Die Strecke ist sicher EM würdig, das jüngste Finanzdesaster und sportliche Notprogramm eher nicht. Unter anderem wurde die geplante Live-Übertragung in Eurosport gestrichen. Was geht da in einem Athleten vor, der mit Sponsorenunterstützung mehrere Monate hart auf dieses Ziel hingearbeitet hat?
D.B.: Da kommt gewaltig Ärger auf. Ich verstehe wirklich nicht, warum die wichtigsten Saisonrennen immer dorthin vergeben werden , wo im Vorfeld schon klar ist, dass die Finanzierung nicht gesichert ist. Ich versuche mich aber trotzdem voll auf meine Leistung zu konzentrieren – auch wenn wir nicht live auf Eurosport zu sehen sind.

tri2b.com:
Mit welcher Zielvorstellung gehst du in das EM-Rennen?
D.B.: Mein Training ist vom Tapering so ausgerichtet, dass ich in Karlsbad eigentlich noch stärker sein müsste als bei der DM. Ich freue mich auf den 23-Prozenter auf der Radstrecke, der sieben Mal überwunden werden muss. Da ist nichts mit Bummeltour und Gequatsche auf dem Rad. Wer am Berg nicht mitkommt, ist weg vom Fenster. Ein Fehler beim Schalten und Du kannst das Rad hochschieben.

tri2b.com:
Wenn es weiter so gut läuft, bist du ein heißer Kandidat für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr?
D.B.: Ja, ich bin in der Perspektivgruppe, der auch noch Maik Petzold, Daniel Unger, Stefan Vuckovic und Andreas Raelert angehören. Ich werde weiter hart an mir arbeiten um in Athen für Deutschland zu starten.

tri2b.com:
Zum Abschluss die obligatorische Frage die man einem Kurztriathleten stellt. Möchtest du dich auch einmal an der Langdistanz versuchen?
D.B.: Bis nach Athen 2004 ist das kein Thema. Danach wäre das aber durchaus denkbar. Bei einem Ausflug auf die Mitteldistanz im französischen Geradmer habe ich mit dem zweiten Platz gezeigt, dass ich auch auf längeren Strecken gute Leistungen bringen kann.

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