Einsinken, aushebeln: Laufschuhstress an der Achillessehne

von M. Marquardt/J. Richter für tri2b.com | 16.04.2003 um 23:00
<br>Führt der moderne Sportschuhbau in die orthopädische Sackgasse? Matthias Marquardt beleuchtet die speziellen Probleme, die aktuelle Laufschuh-Modelle an der Achillessehne verursachen können ...

Stoßdämpfung war jahrelang das Synonym für einen guten Laufschuh – immer weiter perfektioniert, um die oft langwierigen Entzündungen der Achillessehne zu verhindern. Notfalls sollte ein Fersenkissen den Sehnenstress mindern. Doch oft geschah das genaue Gegenteil, wenn der Fuß dann führungslos aus der Achse kippte. Unkritisch Stützen verordnet Nächste Gegenmaßnahme der Schuhindustrie: die Pronationsstütze, eine Überhöhung des inneren Sohlenrandes, die den Fuß am Einsinken hindert. Unglücklicherweise neigten Schuhverkäufer dazu, diese Stützen im Übermaß zu „verordnen“ – und vergaßen manches Mal, dass eine gewisse Pronationsbewegung in der Biomechanik des Laufes unverzichtbar ist. Die Stütze wird besonders problematisch, wenn sie den Fuß in der Gegenrichtung aushebelt. Auch das passiert und es führt ebenfalls zu Scherkräften an der Sehne. So kommt es, dass die so genannten Achillodynien in letzter Zeit vermehrt durch eine Supination des Fußes (Abrollen auf der Außenkante) ausgelöst werden. Barfußlauf als Orientierung Neben der Forderung nach korrekt bemessenem Stützbedarf des Schuhwerks sind Forscher zwischenzeitlich dazu übergegangen, den Lauf auf Asphalt zu empfehlen. Die Kippbewegungen des Fußes auf den hohen Sohlen würden geringer ausfallen als auf unebenen, natürlichen Bodenbelägen, meinen sie. Kritik an dieser Behauptung sei erlaubt. Vergleicht man nämlich die Bedingungen des „modernen Läufers“ mit dem naturnahen Barfußlaufen auf natürlichem Untergrund, so fallen zwei Dinge auf: Erstens entfallen barfuß sämtliche Kipphebel unter der Fußsohle, weshalb die Pronationsbewegung physiologisch ausfällt. Überbeweglichkeiten sind wesentlich seltener. Das bedeutet: Besonders die Bauhöhe des modernen Laufschuhs im Rückfußbereich sollte verringert werden. – Entsprechende Modelle lassen sich jedoch aus marketingstrategischen Gründen nur schwer am Markt platzieren und die Tendenzen zeigen genau in die Gegenrichtung: Ausgerechnet die Bauhöhe des Rückfußes ist bei einigen Modellen eher größer als kleiner geworden (Nike Shox, adidas a³, New Balance N-ergy). Zweitens wird der Barfußläufer auf einem natürlichen Belag vermehrt mit dem Vor- oder Mittelfuß Kontakt zum Untergrund suchen und deshalb unter aktiver Wadenmuskulaturspannung den Sprunggelenksbereich besser stabilisieren. Dagegen: Weiche, hohe Schuhe fördern einen fersenlastigeren und somit für das Sprunggelenk instabileren Laufstil. Natürlich ist besser als Hightech? Es scheint also, als führe der moderne Sportschuhbau den Läufer in zweierlei Hinsicht in eine Sackgasse: durch ungünstigere Hebelverhältnisse unter der Fußsohle und durch ein unnatürliches Fuß-Aufsetzverhalten mit all seinen Konsequenzen, die im Übrigen nicht nur die Achillessehne betreffen. Progressive Stimmen sehen dagegen in einer natürlichen Laufbewegung und einem entsprechenden Kraft- und Koordinationstraining die größte Chance, der schmerzenden Sehne beizukommen. Argumente mit Zündstoff: In einem Interview mit dem Fachportal laufschuhkauf.de nimmt der Autor dieses Beitrags Matthias Marquardt wenig Rücksicht auf Marktstrategien und Trendsetting großer Schuhhersteller. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift triathlon widmet sich der B-Lizenz Triathlontrainer ausführlich der Schuhwahl unter sportorthopädischen Gesichtspunkten
Zaehler