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Faris Al-Sultan: "Ich muss nicht den Bayern heraushängen lassen"

von Steffen Gerth für tri2b.com für tri2b.com | 22.10.2004 um 14:26
Der 26-jährige Münchner Faris Al-Sultan, in Deutschland gern als "Junger Wilder" tituliert, gilt auch in der internationalen Triathlonszene längst als origineller Typ. Zurecht, wie das <i>tri2b.com</i>-Interview zeigt ...

Faris Al Sultan ist 26 Jahre alt, Münchner, hat einen irakischen Vater und dürfte im internationalen Triathlon längst die Rubrik „origineller Typ“ ausfüllen. Ins Trainingslager fährt er nicht nach Mallorca, sondern in die Wüste des Nahen Ostens. Und als einer der wenigen Spitzenathleten findet er deutliche Worte gegen Doping.
tri2b.com: Beim diesjährigen Quelle Challenge in Roth sind sie zum ersten Mal unter der magischen Acht-Stunden-Grenze geblieben, Hawaii beendeten sie auf Rang drei. Dürfen wir sie nun offiziell in der Weltklasse der Ultradistanz begrüßen? Faris Al-Sultan (F.A.): Das würde ich schon sagen. tri2b.com: Auf den ersten Blick scheint ihr Weg dorthin ziemlich geradlinig verlaufen zu sein. Angefangen hatte er ebenfalls auf Hawaii 1999, als sie Dritter der Juniorenklasse wurden. F.A.: Na ja, so ganz geradlinig war das nicht, es gab immer wieder Rückschläge. Aber spätestens im Jahr 2000, als ich bei den Deutschen Meisterschaften in Kulmbach Sieger in 8:22 Stunden wurde, war klar: Da ist irgendwas, ich bin nicht nur ein Mitläufer. tri2b.com: Und deswegen haben sie am 16. Oktober 2004 in Kailua Kona die Wachablösung im deutschen Triathlon mit eingeläutet? Hellriegel und Zäck sind ausgestiegen, Leder war nicht qualifiziert – heißen die Männer der Zukunft Stadler, Al Sultan und Bracht? F.A.: Das weiß ich nicht. Jürgen Zäck hat immer noch eine Menge drauf, und Lothar Leder wird auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder dabei sein. Auf jeden Fall ist es für den deutschen Triathlon gut, dass neue Leute die Szene beleben. Deutschland ist doch mittlerweile die beste Triathlon-Nation der Welt, das ist beeindruckend, aber auch hart, wenn man sich auf Wettkämpfen mit den eigenen Leuten herumschlagen muss. tri2b.com: Was hat sich jetzt schon für sie verändert, nach diesem dritten Platz? F.A.: Man wird einfach besser behandelt. Alle geben sich vielmehr Mühe mit einem, denn jeder weiß, ich bin jetzt ein Klasseathlet. Außerdem führe ich ständig Interviews, heute waren es schon drei. Jeder ruft an, vom Moosacher Anzeiger bis zur Süddeutschen Zeitung. Zwei wildfremde Jungs haben bei uns daheim geklingelt weil sie wissen wollten, ob ich wirklich derjenige bin, der auf Hawaii Dritter geworden ist. Und als ich an der Uni zu spät in den Hebräischkurs kam und mich dafür beim Professor entschuldigen wollte, hat der das gar nicht hören wollen. Stattdessen schwärmte er, dass er von mir an diesem Tag in der Zeitung gelesen habe. tri2b.com: Aber die ganz große, deutschlandweite Show gehört am Samstag den Siegern Nina Kraft und Normann Stadler. Beide sind Gäste im ZDF-Sportstudio. Neidisch? F.A.: Nein. Jeder träumt davon, berühmt zu sein. Wer hart trainiert, soll auch dafür belohnt werden. Nina und Normann haben sich diesen Abend wirklich verdient. Man muss aber in solchen Momenten an die Leute denken, die auf Hawaii auf Platz 25 ins Ziel kommen. Die trainieren nicht weniger als wir, sind auch internationale Klasseleute – aber praktisch nicht in der Lage, von ihrem Sport zu leben. tri2b.com: Wer Al Sultan heißt, aber mit Münchner Akzent redet, fällt auf. Sie haben beim Zieleinlauf in Kona mit einer bayerischen Fahne gewedelt. Könnte diese arabisch-bayerische Verbindung eine Vermarktungsidee werden? F.A.: Ich muss nicht gewaltsam den Bayern heraushängen lassen. Immerhin: Zum besten Deutschen habe ich es diesmal nicht geschafft, wenigstens bin ich bester Bayer. Aber das ist nur spaßig gemeint. Vielmehr steht doch meine Person für Integration von Ausländern in Deutschland. Mit meiner arabischen Abstammung komme ich klar, auch wenn ich nur einen deutschen Pass habe. tri2b.com: Haben sie eigentlich einen Manager? F.A.: Nicht wirklich, das meiste mache ich alleine. Mein Ziel für 2005 lautet: einen zusätzlichen Hauptsponsor zu finden. Einen großen, denn ich will nicht mit 90 Logos auf dem Trikot herumrennen, das ist unglaubwürdig. tri2b.com: Auf jeden Fall sind sie seit diesem Jahr ein interessanter Mann für die Veranstalter. Wie halten sie es denn 2005 mit ihren Wettkämpfen? Wieder Roth oder diesmal Frankfurt? F.A.: Beide Veranstalter haben mich bereits auf Hawaii kontaktiert. Kurt Denk (der Veranstalter des Ironman Germany in Frankfurt, Anm. d. Red) noch vor dem Rennen. Zusagen habe ich aber niemandem gegeben. Wo ich starte, entscheide ich Anfang nächsten Jahres. Frankfurt gefällt mir schon, aber die haben dort schon so viele Superstars, da brauchen die eigentlich den Sultan nicht auch noch. tri2b.com: Es heißt immer, dass sich Roth und Frankfurt gegenseitig den Markt kaputt machen. Sehen sie das auch so? F.A.: Nein. Ich würde es sogar begrüßen, wenn es noch einen dritten Weltklasse-Wettkampf geben würde – aber nicht auch noch in Deutschland. Denn im Triathlon ist Hawaii dermaßen übergewichtet, dass gute Leute, die mit diesen speziellen Bedingungen dort nicht zurecht kommen, kaum Chancen haben, auf sich aufmerksam zu machen. Stefan Holzner ist doch das Paradebeispiel. Dem liegt Hawaii nicht – jetzt hat er zweimal Frankfurt gewonnen, das hat sein Leben verändert. tri2b.com: Also steht Deutschland vor einem Aufschwung in Triathlon? Nicht zuletzt seit Hawaii? F.A.: Den richtigen Push haben unserem Sport Athleten wie Hellriegel (dem ersten deutschen Hawaii-Sieger, Anm. d. Red), Zäck und Dittrich gegeben. Zäck ist ein Charaktertyp, der bringt Würze in die Sache – und solche Entertainer brauchen wir. tri2b.com: Ist Normann Stadler auch so ein Entertainer? Seine abenteuerlichen Pannen bei den Rennen der vergangenen Jahre hat die Triathlon-Szene irgendwann ja nicht mehr für ernst genommen. F.A.: Diese Pannen sind wahrlich komisch, denn Normann ist unglaublich siegbesessen. Der braucht auch im Training immer diese Bestätigung, und wenn es mal nicht so läuft, dann nimmt er es gleich persönlich. Er ist nicht locker. Ich bewundere es, wie er auf Hawaii Rad gefahren ist – er wird trotzdem nicht einer meiner besten Freunde werden. tri2b.com: Wie hat eigentlich die Triathlonszene reagiert, nachdem unmittelbar nach dem Rennen in Kona der Belgier Rutger Beke als Dopingsünder überführt worden ist? F.A.: Es ist eine Frechheit vom belgischen Verband, Beke auf Hawaii starten zu lassen (wo er Fünfter wurde, Anm. d. Red.). Der war doch schon im September aufgeflogen. tri2b.com: Dieses Prozedere wirft kein gutes Licht auf den Umgang mit Doping in ihrem Sport. Katja Schumacher hat es vor ein paar Wochen erwischt, und dann gab es ja auch noch diesen merkwürdigen Fall Thomas Braun. Das lässt auf eine hohe Dunkelziffer vermuten. F.A.: Ich glaube nicht, dass bei den Profis viel gedopt wird, diese Dunkelziffer dürfte aber bei den Amateuren groß sein. Und genau das ist lächerlich. Thomas Braun wurde Sechster in Géradmer – das schafft man auch ohne Doping. tri2b.com: Sie sind trotzdem bereits als Kritiker der Dopingkontrollen des deutschen Verbandes aufgefallen. F.A.: Stimmt, die DTU hat das ein bisschen schleifen lassen. Als ich in diesem Jahr in Roth deutscher Meister geworden bin, wurde ich nicht kontrolliert. Das ist ein Unding. Erst als ich mich darüber in einem Zeitungsinterview beschwert habe, kamen die Kontrolleure. Drei Wochen nach dem Rennen. Braun flog ja sogar ein Jahr nach dem Rennen auf. Das ist doch absurd. tri2b.com: Merkwürdigerweise sind sie einer der wenigen Triathleten, die vehement gegen Doping wettern. Warum sind Ihre Kollegen so verschwiegen? F.A.: Weil jeder Angst hat, positiv getestet zu werden – egal, ob er etwas genommen hat oder nicht. Ich rede viel mit meinen Freunden über Doping, einige sind Nachwuchsradfahrer. Wir bedauern das alles zutiefst. Für mich muss zum Beispiel bei der Tour de France nicht jedes Jahre ein Geschwindigkeitsrekord aufgestellt werden, wenn Sie verstehen, was ich meine. tri2b.com: Oder sechsmal hintereinander Hawaii gewinnen ... Wenigstens ein Sieg dort dürfte auch auf ihrem Wunschzettel stehen? F.A.: Ich habe wohl das Potenzial dafür, auf jeden Fall werde ich an mir arbeiten. Dazu gehört, dass ich mich meiner Sitzposition auf dem Rad widme, denn die soll recht mies sein, wurde mir gesagt.