Fünf Ironmans in einem Jahr - Das Phänomen Lothar Leder

von Sebastian Moll für tri2b.com für tri2b.com | 16.10.2002 um 08:23
Lothar Leder startet am Samstag in Hawaii zu seinem fünften Ironman innerhalb eines Jahres. Wie reagiert der Körper auf diese Belastungen, hat Lothar Leder eine Chance auf den Sieg, und woher kommt das Phänomen Leder ...

Kailua-Kona "Doping", meint Isabelle Baumann, die Frau und Trainerin des verhinderten Marathonläufers Dieter, "würde in dem Fall gar nichts bringen." Nicht, dass sie sich damit auskenne, schiebt sie hastig nach, das wäre nur ihre Meinung als Trainingsmethodikerin. Das Phänomen Leder Die Rede ist von Triathlon-Star Lothar Leder und dem Phänomen seiner schier grenzenlosen Belastbarkeit: Am Samstag bestreitet Leder auf Hawaii seinen fünften Ironman-Wettbewerb in diesem Jahr. Zwei davon hat er gewonnen, zwei Mal kam er unter die ersten Drei und jetzt, beim großen Saisonfinale, will er sich endlich den wertvollsten Sieg seiner Sportart holen. Für eine solche Vielfachbelastung, meint Baumann, gebe es kein Mittel. Aber auch wenn sie Doping ausschließt, so richtig erklären kann sich Baumann das Phänomen Leder nicht. Höchstens zwei Marathons pro Jahr laufen heutzutage die besten Läufer, so Baumann. Leder hingegen läuft fünf und das, nachdem er jeweils vorher schon 3,8 Kilometer geschwommen und 180 Kilometer geradelt ist. Bestenfalls, so Baumann, sei dies mit der weit geringeren Intensität zu erklären, mit der die Triathleten den Marathon am Ende laufen: "Das Hauptproblem in der Regeneration", so Baumann, "sind die Schäden an den Muskelzellen. Die entstehen jedoch nur bei hoher Intensität." Das Defizit im Energiehaushalt, das eine Acht-Stunden Belastung wie ein Ironman mit sich bringt, sei bei einem gut trainierten Athleten wie Leder schnell wieder ausgeglichen. Kurzdistanz kann intensiver sein So erklärt auch Leder selbst, dass er eine solche Menge an Rennen scheinbar mühelos wegsteckt: "Die Jahre, in denen ich viele Kurzdistanz-Rennen gemacht habe, waren viel belastender, als diese Saison mit fünf Ironmans." Zumeist, so Leder, habe er die Rennen kontrollieren können, sei "locker ins Ziel gejoggt" und habe schon Tage danach wieder voll ins Training einsteigen können. Von harten Kurzstreckenrennen habe er sich hingegen zwei Wochen erholen müssen. Die Zeiten, die Leder bei seinen Ironman-Triathlons in diesem Jahr erzielt hat, sprechen für den Darmstädter: Nicht ein Mal blieb er unter Acht Stunden und 15 Minuten. Sein persönlicher Rekord steht hingegen bei Sieben Stunden und 56 Minuten. An seine Grenzen ist Leder also wirklich nie gegangen. Ausdauer- vs. Spitzenleistung Auch die Sportmedizin stützt Leders Eigendiagnose: "Von der reinen Dauerleistung her", meint Dr. Andreas Marka, Mannschaftsarzt der Deutschen Triathlon Union, "ist dem menschlichen Körper keine Grenze gesetzt." Die Regeneration, bestätigt Marka Leders Erklärungen, ziehe sich nur bei einer hohen Belastungsintensität in die Länge. Und Leder sei nun einmal ein so herausragender Athlet, dass er bei den meisten Triathlon-Rennen auch mit angezogener Handbremse ganz nach vorne kommen könne. Bleibt die Frage nach dem Warum. Leder selbst reagiert auf diese Frage gereizt. "Natürlich geht es auch um das Geld, dazu stehe ich. Schließlich bin ich ja Profi. Andererseits stünde ich bei zwei Rennen jährlich finanziell auch nicht viel schlechter da." Die Lust am Wettkampf, so Leder, spiele die weit größere Rolle als das Geld. Und dass ihm der Spass an seinem Beruf abgesprochen wird, findet er ungerecht. Ausserdem, so Leder, sei er mit seiner Vielstarterei bei weitem nicht alleine, sie sei im Triathlon ein regelrechter Trend. Ein immer größeres Wettkampfangebot biete den Athleten vermehrte Verdienstmöglichkeiten. Zusehends, so Leder, gehe sich die Weltspitze das ganze Jahr über aus dem Weg - ein stillschweigendes Abkommen, das es jedem der Top-Triathleten erlaubt, mit halber Kraft Siege und Prämien einzustreichen. Showdown der Favoriten in Hawaii Nur in Hawaii treffen sie aufeinander und nur dort müssen Stars wie Leder dann wirklich an ihre Grenzen gehen. Bislang konnte Leder in Hawaii noch nie gewinnen, zwei Dritte Plätze waren sein bestes Ergebnis. Viele glauben, dass er noch nie gewinnen konnte, weil er schon immer zum Tingeln neigte. Wenn das stimmt, wären seine Aussichten in diesem Jahr erneut trübe. Wolfgang Heinig, Trainer des Olympiazweiten im Triathlon, Stephan Vuckovic, glaubt hingegen nicht, dass die vielen Starts schädlich waren. Im Gegenteil: "Wenn er in den anderen Wettkämpfen wirklich nicht an seine Grenzen gegangen ist, war das das beste Training." Leder selbst glaubt auch, dass die vielen Starts für ihn ein Vorteil sind, allerdings mehr in psychologischer Hinsicht. Das Jahresgeschäft war jetzt schon ein Erfolg, er hat nichts zu verlieren und kann am Samstag früh gelassen in das Hafenbecken von Kailua-Kona springen. Eine Niederlage nach diesem Programm würde jeder nachvollziehen können. Ein Sieg hingegen würde ihn zur Triathlon-Legende machen.