Grundlagen: Energiebereitstellung im Körper

von Anette Gasper / swimpower.de für tri2b.com | 01.01.2003 um 16:19
Mit diesem Artikel eröffnen wir eine Mini-Serie von vier Beiträgen zu den physiologischen Grundlagen des Ausdauer-Trainings. Im ersten Teil geht es um die unterscheidlichen Energiebereitstellung-Mechanismen bei Belastung ...

Mit diesem Artikel eröffnen wir eine Mini-Serie von vier Beiträgen zu den physiologischen Grundlagen des Ausdauer-Trainings. Annette Gasper, die Autorin, veranstaltet nicht nur die Swimpower Seminare zusammen mit Steve Tarpinian aus den USA, sie ist auch Cheftrainerin bei den DSW 12 Triathleten im Bereich Schwimmen, der Trainingsgruppe von Nicole und Lothar Leder. Die weiteren Themen, die wir in den nächsten Wochen an dieser Stelle veröffentlichen werden, sind Herzfrequenz als Leistungsindikator, Bedeutung und Umgang mit Laktattests und Maximale Sauerstoffaufnahme. Die Energiebereitstellung Die Energie für sportliche Leistungen wird nicht unmittelbar aus der Nahrung (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) gewonnen. Die zentrale Rolle im Energiestoffwechsel der Zelle nimmt Adenosintriphosphat (ATP) ein, da die energiefordernden Prozesse und die Muskelkontraktion nur durch die Abspaltung eines Phosphatrestes aus ATP zu Adenosindiphosphat (ADP) ablaufen. Da in der Muskelzelle nur eine sehr geringe Menge an ATP gespeichert ist, muss diese chemische Energie ständig im Muskelstoffwechsel erzeugt werden, damit sie in mechanische Energie umgewandelt werden kann. Neben dem ATP gibt es noch ein zweites „energiereiches Phosphat“, das Kreatinphosphat, welches durch Spaltung sofort ATP aus ADP regenerieren kann, aber auch nur in einem kleinen Ausmaß vorhanden ist. Die energiereichen Phosphate als direkt verfügbare chemische Energie ermöglichen durch eine maximal mögliche Energieflussrate (ATP-Bildung pro Zeit) zwar eine sofortige körperliche Höchstleistung, jedoch nur für einige Sekunden. Energiequellen mit größerer Kapazität zur ATP-Gewinnung sind die Nährstoffe Kohlenhydrate und Fette. Kohlenhydrate sind als Glykogen (Speicherform von Glucose = Traubenzucker) in der Muskulatur und zu einem kleinen Teil auch in der Leber gespeichert. In Abhängigkeit von Trainingszustand und Ernährung können bis zu 500 Gramm Glykogen in die Muskelzellen eingelagert werden. Diese Energiequelle ermöglicht intensive Ausdauerbelastungen bis zu etwa eineinhalb Stunden. Den weitaus größten Energiespeicher stellen die Fette dar, die vor allem unter der Haut gespeichert sind (Unterhautfettgewebe), aber auch im Bauchraum um die inneren Organe. Damit sind stundenlange Ausdauerleistungen (mit allerdings geringerer Intensität) möglich. In welchem Ausmaß die Energiequellen „angezapft“ werden, hängt davon ab, wie schnell, wie viel und wie lange im Muskel Energie bereitgestellt werden soll bzw. kann - mit anderen Worten, wie intensiv und wie lange die körperliche Belastung erfolgt. Man unterscheidet zwei Hauptmechanismen der Energiebereitstellung:

  • Die aerobe (= oxidative) Energiebereitstellung: Bildung von ATP unter Verbrauch von Sauerstoff.
  • Die anaerobe Energiebereitstellung: Bildung von ATP ohne Verbrauch von Sauerstoff.

Die aerobe Energiegewinnung erfolgt durch vollständige Verbrennung (=Oxidation) von a) Kohlenhydraten (genauer: Glucose = Traubenzucker) und b) Fetten (genauer: Fettsäuren) jeweils zu Kohlendioxid und Wasser (CO2 + H2O), wobei die Glucose durch Glykogenabbau (Glykolyse) und die Fettsäuren durch Fettspaltung (Lipolyse) zur Verfügung gestellt werden. Die anaerobe Energiegewinnung erfolgt durch:

  • die Spaltung der gespeicherten energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphosphat = anaerob-alaktazide Energiebereitstellung
  • unvollständige Verbrennung von Glucose unter Bildung von Laktat (Salz der Milchsäure): anaerobe Glykolyse = anaerob-laktazide Energiebereitstellung.

Somit stehen dem Muskelstoffwechsel vier Mechanismen der Energiegewinnung zur Verfügung, die je nach Intensität und Dauer der körperlichen Belastung beansprucht werden. Primär bestimmt das Ausmaß der Belastungsintensität, nicht die Belastungsdauer die entsprechende Energiebereitstellung. Da bei sportlichen Belastungen verschiedene Mechanismen gleichzeitig genutzt werden, können unter der Voraussetzung einer optimalen Belastungsintensität gewisse Zeitbereiche mit dominanter Energiebereitstellung herausgestellt werden. Wie aus Abbildung 1 - Energiebereitstellung zu erkennen ist, spielt der Phosphatspeicher unter 10 Sekunden eine entscheidende Rolle. Ab ca. 25 Sekunden bis 2 Minuten dominiert die Glykolyse, der aerobe Glykogenabbau gewinnt an Bedeutung. Zwischen 2 und 10 Minuten steht dieser an erster Stelle, wobei die anaerob-laktazide Energiebereitstellung noch einen bedeutenden Anteil hat. Ab ca. 2 Minuten gewinnt der aerobe Weg die Oberhand, zunächst mit dominierender Glykogenverbrennung, ehe ab 45 bis 60 Minuten die Fettverbrennung die entscheidende Rolle spielt. Der anaerob-laktazide Weg wird weiterhin zu einem kleinen Teil in Anspruch genommen.
Zaehler