Hawaii 2002 - Das Rennen ist gelaufen

von Sebastian Moll für tri2b.com für tri2b.com | 20.10.2002 um 09:21
Nach einem wie immer spannenden Rennverlauf glätten sich die Wogen um das Rennen in Kona, Hawaii langsam wieder. Jetzt kommt die Zeit der Analysen. Nina Kraft und Thomas Hellriegel sind die Stars aus deutscher Sicht...

Kailua Kona. Als Thomas Hellriegel auf den Queen Kaahumanu Highway einbog, wusste er plötzlich wieder, warum er Triathlon macht. Nach 16 Kilometern des Marathonlaufs beim Hawaii Ironaman war vor ihm nur noch der Führungswagen mit der übergroßen Digitaluhr auf dem Dach. Ansonsten war es totenstill auf der Betonpiste durch die erstarrte Lava des Hualalai-Vulkans. "Ich war mir gar nicht mehr sicher, ob hier überhaupt ein Wettkampf stattfindet", sagte er, Stunden später, auf der Massagebank am Strand liegend. "Da lief es mir kalt den Rücken runter." Seit seinem Sieg auf Hawaii 1997 hatte er dieses erhabene Gefühl der Einsamkeit an der Spitze nicht mehr gehabt. In diesem Jahr genoss er es fünf Stunden lang. Zwar wurde er auf der zweiten Hälfte des Marathons noch vom Amerikaner Tim de Boom abgefangen, der zum zweiten Mal in Folge in Kona gewann, sowie vom Kanadier Peter Reid, der 2000 in Hawaii gesiegt hatte. Sogar der Neuseeländer Cameron Brown lief fünf Kilometer vor dem Ziel noch an Hellriegel vorbei. Trotzdem fand der Karlsuher, dass sich die Trainingsfron der vergangenen Monate gelohnt hatte: "Es gibt nichts Besseres, als das Gefühl, der Erste unter den besten 1500 Athleten der Welt zu sein." Auch das Risiko, das er während des Rennens eingegangen war, bereute Hellriegel nicht. Zusammen mit dem 37 Jahre alten Koblenzer Jürgen Zäck und mit dem Australier Chris McCormack war er auf dem Rad in einem mörderischen Takt der Konkurrenz davon gestürmt: Weder McCormack noch Zäck schafften es danach, den Marathon noch zu beenden. Lothar Leder, der anfangs noch versucht hatte, Hellriegels Tempo zu halten wurde 38., seine schlechteste Plazierung in Hawaii seit 1992. Das mag allerdings auch daran gelegen haben, dass Leder in Hawaii bereits seinen fünften Ironman in diesem Jahr bestritt. Obwohl er den Zusammenhang auch nach dem Rennen in Hawaii noch bestritt: "Es gibt keine Entschuldigungen, das hat nichts miteinander zu tun." Zwei, die es wissen müssen, waren da jedoch sehr explizit anderer Meinung. Dave Scott, der sechs Mal Hawaii gewann: "Es ist völlig unmöglich in Bestform hier anzutreten, wenn man schon vier Rennen gemacht hat. Lothar hat so viel Talent. Aber wie er sich hier präsentiert hat, das war nicht gut für ihn." In die gleiche Kerbe schlug Mark Allen, ebenfalls sechsfacher Hawaii-Champion: "Es ist absolut unmöglich, nach vier Rennen noch fit genug für Hawaii zu sein." Das beherzigt Thomas Hellriegel seit Jahren und konzentriert sein ganzes Training auf das Rennen auf Big Island, der größten Insel des Vulkan-Atolls: "Hawaii", so Hellriegel, "muss man wirklich wollen. Das macht man nicht mal so im vorbei gehen." Und Hellriegel will, mehr denn je, nachdem er in diesem Jahr seit fünf Jahren erstmals wieder für ein paar Stunden Siegerluft atmen durfte. Allerdings gibt er zu, dass die Konzentration auf Hawaii ein hohes Risiko sei: "Da muss alles stimmen, da darf man in den Wochen vorher nicht einmal husten. Und wenn's nicht klappt war alles umsonst." Hellriegel wird die Entscheidung für Hawaii jedoch auch leichter gemacht als Leder. Seine Sponsoren sind Sportartikelhersteller die weltweit operieren. Leder hingegen hat vorwiegend deutsche Sponsoren, für die Auftritte zu Hause wichtiger sind als im Südpazifik. Immerhin war in diesem Jahr der Besitzer der Privatbrauerei Erdinger Werner Brombach, einer von Leders Hauptsponsoren, persönlich in Hawaii und ließ sich erweichen. Als Leder noch hinter der schnellsten Frau ins Ziel kam, gelobte der Brauer: "Von uns hat er die volle Unterstützung, wenn er sich in Zukunft mehr konzentrieren möchte." Die Schweizerin Natasha Badman konzentriert sich seit drei Jahren voll und ganz auf das "Big Race" und seither ist sie hier nicht mehr zu schlagen. Am Samstag gewann sie zum dritten Mal in Folge und zum vierten Mal in ihrer Laufbahn die Frauen-Konkurrenz. Ihre Dominanz ist für die Gegnerinnen derart erdrückend, dass sie es gar nicht mehr versuchen, dagegen aufzubegehren. "Ich habe nie daran gedacht, Natasha anzugreifen", sagte die Braunschweigerin Nina Kraft, die nach ihrem dritten Platz im vergangenen Jahr zweite wurde und damit das beste Ergebnis einer Deutschen in 34-Jährigen Geschichte des Rennens erzielte. Für Nina Kraft besteht die Gefahr, sich zwischen Sponsoreninteressen aufzureiben, indes gar nicht. Nach ihrem Dritten Platz im vergangenen Jahr sei die Finanzlage zwar "ein wenig besser geworden", sagt sie. "Aber Frauentriathlon, da muss man realistisch bleiben, ist in Deutschland eine absolute Randsportart." Immerhin lässt ihr das die Freiheit, ihre Entscheidungen nach sportlichen Gesichtspunkten zu treffen. Und da bleibt in der Triathlonwelt Hawaii das Nonplusultra.