Interview mit Benjamin Sonntag: "Wir wollen das IOC für uns begeistern"

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 16.01.2003 um 17:00
Spannung und Vorfreude auf den verspäteten Saisonauftakt klingen aus jedem Satz: Für das Rennen am Kniebis am kommenden Sonntag vermutet Benjamin Sonntag mehr Chancen-gleichheit ...

Spannung und Vorfreude auf den verspäteten Saisonauftakt klingen aus jedem Satz: Für das Rennen am Kniebis am kommenden Sonntag vermutet Benjamin Sonntag zwar mehr Chancengleichheit als in vergangenen Jahren, weil auch der Alpenraum für die Konkurrenz zuletzt nicht schneesicher war. Aber die simulierten Tempoeinheiten im sauerländischen Medebach und auf der Kunstschneeloipe von Westfeld sind keine optimale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt Mitte Februar in Oberstaufen. Dabei darf sich der frühere Langlaufspezialist im Kampf um einen WM-Podiumsplatz durchaus Chancen ausrechnen – wenn die Tempohärte bis dahin den letzten Schliff bekommen hat. tri2b.com: Benjamin, die Freude über den frischen Pulverschnee ist nun auch schon wieder Geschichte. Wie sehr bringt das einen Wintertriathleten aus dem Takt? Benjamin Sonntag (B.S.): Glücklicherweise stehen am Kniebis Schneekanonen. Die Deutschen Meisterschaften werden unsere erste Standortbestimmung – Training und Titelkämpfe in einem. Ich habe schon versucht, mich mit dem einen oder anderen Langlauf-Wettkampf an die hohen Intensitäten zu gewöhnen, aber mit einem normalen Vorbereitungsrhythmus hatte es in diesem Winter nichts zu tun. tri2b.com: Mit dem geplanten vermutlich erst recht nicht. Was empfiehlt Bundestrainer Günter Pauli in diesen Tagen? B.S.: Er gibt uns gute Hinweise, wenn wir sie brauchen, obwohl er den Job auch nur ehrenamtlich ausübt. Andererseits haben wir unsere eigene Trainingsfreiheit. Das ist auch ganz gut, weil wir innerhalb der Nationalmannschaft ziemlich unterschiedliche, sportliche Vorgeschichten haben – und unterschiedliche Trainingsmöglichkeiten. tri2b.com: Wie hast Du in den letzten Wochen das Schneeproblem gelöst? B.S.: Laufen und Radfahren kann ich ganz gut zuhause. Ich mache sowieso sehr viel Training auf dem Ergometer, das ist effektiv. Für das Loipentraining auf der 1,8 Kilometer-Runde in Westfeld fahre ich allerdings bei den derzeitigen Wetterbedingungen mindestens eine halbe Stunde pro Strecke. Das war auch schon mal leichter. tri2b.com: Wer sorgt dabei für die richtige Motivation und die maßgeschneiderten Trainingsvorgaben? B.S.: Da habe ich Glück! Mein Vater ist ausgebildeter Ski-Langlauftrainer – er hat seinen Trainerschein zum Ende seiner Aktiven-Zeit in Schweden gemacht. Weil er außerdem als Leichtathlet aktiv war, kann er mir im Laufen ebenfalls gute Vorgaben machen. Er ist mein Heimtrainer. tri2b.com: Alles im Alleingang zu trainieren könnte im hohen Intensitätsbereich aber auch mal zäh werden ... B.S.: Ja, das ist wirklich nicht immer leicht. Da ich aber früher bei den Hessen im Langlauf-Kader war, kann ich weiterhin an deren Lehrgängen teilnehmen. tri2b.com: Die Ergebnisse waren ja auch vielversprechend. Woher wird bei den Deutschen Meisterschaften, dem COOLMAN, der größte Druck kommen? B.S.: Hoffentlich von allen! Beim letzten Treffen waren sie fast alle stark drauf – das war im November bei unserem zwölftägigen Lehrgang in Norwegen. Seitdem weiß ich aber nicht viel dazu zu berichten, denn sonst treffen wir uns nur noch in den Rennen, leider! Wir verstehen uns alle sehr gut. Ich glaube, dass die beiden Jüngeren, Daniel Hehle und David Roderer, noch etwas Zeit brauchen, um ganz nach vorn zu kommen. Das wäre ja normal. Die Älteren – vor allem Falk Göpfert, Walter Ernst und Thomas Schrenk – sind aber sicher die stärkste Konkurrenz. Genaueres kann ich Dir erst in vier Tagen sagen. tri2b.com: Der Liechtensteiner Marc Ruhe könnte Dir in Freudenstadt einen schweren Tag bescheren. Was wäre Dein Lieblings-Szenario? B.S.: Wenn ich beim Lauf vorn dran bleiben kann, wäre ein gemeinsamer Bike-Part ein riesiger Vorteil. Wir sind etwa gleich stark und in der Loipe könnte ich gut das bessere Ende für mich haben. tri2b.com: Ein Sieg gegen den amtierenden Weltmeister wäre dann wirklich ein gelungener Auftakt – die Wiederholung des nationalen Titels dafür das Minimalziel? B.S.: Das würde ich nie so sagen, denn dazu sind die Jungs zuletzt einfach zu stark gewesen. tri2b.com: Bei der WM soll’s dafür – wenn wir den Bundestrainer hören – mindestens einmal das oberste Treppchen werden? B.S.: Ja, im Staffelrennen können wir uns wirklich Chancen ausrechnen. Wir waren ja im letzten Jahr schon Vizeweltmeister. Wir werden was `drauf legen! tri2b.com: Dann kann ich Dir wohl auch für die Einzel-entscheidung in Oberstaufen eine klare Ansage entlocken … B.S.: Wenigstens so klar: Um das Podium will ich mitkämpfen, aber der Titel hängt wohl sehr hoch! tri2b.com: Herrscht international Chancengleichheit? B.S.: Die Schweizer sind wohl mit ihrer nationalen Förderung ein Stück weiter, doch dann stehen wir ganz gut da. tri2b.com: Ehrenamtlicher Bundestrainer, nur 16 Tage Lehrgänge mit finanzieller Eigenbeteiligung, Leistungsdiagnostik aus der eigenen Tasche – das sind aber schwierige Bedingungen im Kampf um Olympische Weihen. B.S.: Uns Aktiven wäre es vor allem wichtig, dass sich die nationalen Verbände zusammentun, um mit einer hochrangigen Serie das IOC für uns zu begeistern. Unser Sport ist doch sehr attraktiv – wer ihn gesehen hat, ist immer fasziniert! tri2b.com: Also fordert Ihr von der DTU vor allem strukturelle, weniger die finanzielle Unterstützung? B.S.: Auf jeden Fall kann man das so sagen. Von dieser Sportart zu leben, ist sowieso sehr schwer. Das wird erst mit der Aufnahme ins olympische Programm leichter werden, denn dann gibt es auch für uns die Chance auf Sporthilfe. tri2b.com: Bis dahin müssen wohl regelmäßig Preisgelder erkämpft werden? B.S.: Ja, ich habe für mein Equipment zum Beispiel mit Madshus eine guten Ausrüster und meine Sponsorenkontakte habe ich in die Hände der Agentur gegeben, die auch meine Homepage betreut. Das ist ein guter Anfang, aber kein bares Geld. Andererseits: Vorn mitmischen kann ich nur als Profi und mein BWL-Studium an der Fern-Uni in Lohr am Main steht im Winter auch hinten an. – Da muss eben einfach weiter viel Schnee fallen. Ohne den gibt’s bei uns keine Resultate und ohne Resultate keine Preisgelder ... tri2b.com: Dann wünschen wir Dir und dem gesamten Team einen erfolgreichen Einstieg in die Saison – endlich!
Zaehler