Ironman Frankfurt: Kienle gewinnt den badischen Ironwar vor Böcherer

von tri2b.com | 03.07.2016 um 16:41
Sebastian Kienle hat sich wieder Europas Ironman-Krone aufgesetzt. Bei der European Championship in Frankfurt gewann der Knittlinger das bisher engste Männerrennen in der 14-jährigen Geschichte in 7:52:43 Stunden mit 57 Sekunden Vorsprung vor Andreas Böcherer (7:53:40) , der lange gleichauf mit Kienle lag und so seine Wunschansage eines "badischen Ironwar" in die Tat umsetzte. Rang drei ging nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen an den Spanier Eneko Llanos (8:09:08), der den Marathon noch gleichauf mit Kienle und Böcherer in Angriff nahm, deren Tempo aber schon auf den ersten Kilometern nicht mitgehen konnte.

Es lief nicht alles nach Plan auf dem Weg zum zweiten Frankfurt-Sieg für Sebastian Kienle. Über vier Minuten Rückstand handelte er sich beim Schwimmen auf die Besten ein. Der Este Marko Albert (48:11 Minuten) führte die Profis, die auf den wärmenden Neoprenanzug aufgrund der Wassertemperaturen von gut 22 Grad verzichten mussten,  vor dem Franzosen Denis Chevrot und dem Kölner Johann Ackermann nach dem Schwimmen im Langener Waldsee an. Als 13. folgte Andi Böcherer mit 48 Sekunden Rückstand.

Ackermann bestimmte für die ersten Radkilometer durch die Frankfurter City das Rennen an der Spitze, während sich Böcherer und auch Kienle auf den Weg an die Spitze machten. Nach 30 Kilometern war Böcherer vorne und führte eine Gruppe mit Albert, Joe Gambles aus Australien, Ackermann, Eneko Llanos, Bas Diederen aus den Niederlanden und dem Brasilianer Igor Amorelli an.

 

Kienle fährt zweimal an die Spitze

 

Weitere 30 Kilometer später, als erstmals nördlichste Punkt der Radstrecke in Friedberg durchfahren wurde,  waren diese Sieben immer noch dicht beisammen, spürten aber schon Kienles Atem im Nacken. Nach 104 Kilometern war der Sieger von 2014 zum ersten Mal an der Spitze. Aber nicht lange: Ein Defekt zwang Kienle, ihm fiel die Kette vom Kettenblatt, vom Rad. Das Malheur war zwar schnell behoben, aber die Gruppe war schon wieder weg, die Aufholjagd begann von vorne. Diesmal brauchte Sebastian Kienle nicht lange und reihte sich hinten wieder ein. Bis zum zweiten Wechsel taten sich Böcherer, Kienle und Llanos zusammen und fuhren ihrem ersten Verfolger Marko Albert 5:41 Minuten davon, dahinter folgten Igor Amorelli und Johann Ackermann mit bereits 15 Minuten Abstand in die zweite Wechselzone am Frankfurter Mainkai.

 

Ironwar auf badisch am Main

 

Nun sollte der von Böcherer im Vorfeld mehrmals als Wunschszenario zitierte badische Ironwar, in Anlehnung an das legendäre Hawaii-Duell von Mark Allen und Dave Scott im Jahr 1989, Gestalt annehmen. Im Wechselzelt saßen sich Böcherer und Kienle gegenüber, dieses erste kleine Duell entschied Kienle für sich und ging als Erster auf die Laufstrecke. Böcherer folgte im Sekundenabstand. Direkt dahinter rannte Llanos, der aber schon auf der ersten Schleife in Richtung Westhafen der Laufperformance der beiden Deutschen nichts entgegen setzen konnte und schnell zurückfiel.  

Bei einsetzendem Regen lief Kienle lange wie an einem Gummiband vor Böcherer, das langsam immer etwas länger wurde. Waren es anfangs rund 20 Sekunden Abstand zwischen den beiden von Lubos Bilek trainierten Athleten, so wuchs der Vorsprung Kienles zur Halbmarathonmarke auf eine gute Minute ab, bei Kilometer 30 waren es dann sogar eineinhalb Minuten Vorsprung. Wer nun vermutete, Böcherer, würde nun locker zu Rang zwei laufen, da von hinten keine Gefahr mehr drohte, der irrte. Als es letztmals auf der Sachsenhausener Mainseite hinauf bis auf Höhe des Osthafens ging, verringerte der Vorjahresdritte seinen Rückstand schnell auf eine Minute. Erst als es letztmals über die Alte Brücke ging, hatte Kienle seinen zweiten Frankfurt-Sieg fast in der Tasche, da nun auch Böcherers Schritte wieder kürzer wurden und ein Schlussangriff nicht mehr zu erwarten war. Kienle blieb konzentriert und nahm erst auf den letzten Metern vor dem Zielstrich das Tempo raus, nachdem er mit einem letzten Schulterblick seinen Vorsprung nochmals überprüfte.

 

"Sebi, du bist ein Arsch"

 

Nach 7:52:43 Stunden, nur knapp drei Minuten über Jan Frodenos Streckenrekord aus dem Vorjahr, hob Kienle das Zielband in den wolkenverhangenen Frankfurter-Himmel, um sich anschließend entkräftet auf den Zielteppich fallen zu lassen.  "Die letzten vier, fünf Kilometer waren nicht mehr ganz so schön. Ich hatte das Gefühl an der Himmelpforte geklopft zu haben. Ich war am Ende im Paralleluniversum," so ein sichtlich gezeichneter Kienle im hr3-Interview. "Gerne hätte ich die letzten Kilometer etwas mehr genossen. Wenn man mir grad in die Augen schaut, dann steht da: ich hör jetzt auf mit dem Sport. Aber morgen schaut es schon wieder anders aus." 57 Sekunden später ließ sich Böcherer für ein sensationelles Rennen von den Zuschauern auf dem Römerberg feiern. "Ich bin super zufrieden. Ein Traum war zu gewinnen, und der Zweite war ein richtiger Ironwar gegen Sebastian, Baden gegen Baden. Meine Endzeit ist hammergeil. Ich habe meine Marathonbestzeit um 10 Minuten verbessert. Danke Sebi, du bist ein Arsch," waren die ersten Worte des Freiburgers im Ziel.

Eneko Llanos, der 2013 an gleicher Stelle triumphierte, wurde Dritter (8:09:08), spürte aber zum Schluss fast schon den Atem des viertplatzierten Marko Albert (8:11:38). Dahinter ging es noch für drei weitere Deutsche in den Top Ten. Christian Kramer (8:18:14) rannte mit einem guten Marathon hinter dem Briten Will Clark auf Platz sechs.  Marc Dülsen (8:26:59) wurde Neunter, Johann Ackermann (8:31:06) Zehnter.