IRONMAN Hawaii: Deutsche regieren die Kona Coast

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 17.10.2004 um 21:50
Zum ersten Mal in der Geschichte des IRONMAN Hawaii haben zwei deutsche Athleten das bedeutendste Rennen des Jahres gewonnen. Die erfolgreiche Flucht von Nina Kraft und Normann Stadler erinnert an die guten Jahre des IRONMAN ...

Zum ersten Mal in der Geschichte des IRONMAN Hawaii haben zwei deutsche Athleten das bedeutendste Triathlon-Rennen des Jahres gewonnen. Die frühe, und letztlich erfolgreiche Flucht von Nina Kraft und Normann Stadler erinnert an die guten, alten Jahre des IRONMAN, als Mut und physische Kraft mehr zählten als taktische Finessen. Den Anfang machte Jan Sibbersen: Ein weiteres Mal gewann der Schwimmweltbestzeit-Inhaber den Auftakt in der Bucht von Kailua-Kona mit großem Vorsprung, doch erneut gelang es ihm nicht, den sechs Jahre alten Rekord des Kaliforniers Lars Jorgensen (46:41) zu knacken. Daran mögen Orientierungsprobleme gleich zu Beginn der 3,9 Schwimmkilometer schuld gewesen sein, jedenfalls kreuzten Sibbersen und sein Gefolge auf den ersten Metern im Zick-Zack durch das unruhige Wasser. Kaum zurück auf der Ideallinie, wartete schon das zweite Missgeschick: Am Wendepunkt verfing sich der Coburger mit dem linken Arm in einer Begrenzungsleine und verlor weitere Sekunden. Dennoch – die wichtigsten Konkurrenten um den Etappensieg lagen am Pier um Minuten zurück. “Ein seltsames Rennen“ Auch danach bestimmten die „Germans“ das Geschehen: Erst Faris Al Sultan, dann Alexander Taubert und schließlich Normann Stadler übernahmen die Spitze des Rennens und setzten die laufstarken Favoriten aus Nordamerika und Australien frühzeitig unter Druck. Da half es auch nicht, dass der Titelverteidiger Peter Reid immer wieder versuchte, die Verfolgung zu organisieren: „Das Rennen war seltsam. Ich war in der Verfolgergruppe – da hat jeder jeden angeschaut und nichts unternommen. Es war extrem langsam“, meinte der Kanadier im Ziel. Den fast traditionell starken Radfahrern aus Deutschland kam es entgegen, dass die Organisatoren die unselige „Stagger-Rule“ nach einjähriger Erprobung wieder abgeschafft hatten und damit das kraftsparende Nebeneinanderfahren auf der Seitenwind anfälligen Strecke unterbanden. Stadler wusste diesen Vorteil am nachhaltigsten zu nutzen. Mit großer Konzentration, aber „nie am Limit“ ließ der derzeit wohl beste Radfahrer der deutschen Triathlon-Szene schließlich auch seinen routinierten Vereinskollegen Alexander Taubert und den couragierten Youngster Al-Sultan stehen. Siebzehn Jahre alter Traum Als Stadler zum zweiten Mal an diesem Tag die gigantische Wechselzone an Konas Prestige-Hotel King Kamehameha erreichte, lagen die stärksten Läufer fast aussichtslos zurück. Wenn sie überhaupt noch im Rennen waren, denn der zeitweise bis auf 40 Stundenkilometer zunehmende Seiten- und Gegenwind selektierte das Feld stärker als in früheren Jahren. Auch der hochgehandelte Brite Simon Lessing, ein fünffacher Weltmeister über die Olympische Distanz, platzte schon vor dem Wendepunkt der Radstrecke und stieg auf dem Rückweg aus. Stadler dagegen hatte den „Tag meines Lebens“ erwischt. „Ich habe zum ersten Mal vor solch einem Rennen gut geschlafen. Ich wusste, dass ich gut trainiert hatte und habe gehofft, dass es diesmal endlich klappt“, war der gebürtige Pforzheimer schon vor dem Start optimistisch. „Ich wollte beweisen, dass auch ein Radfahrer den IRONMAN gewinnen kann.“ Dass diese Selbsteinstufung eine gehörige Untertreibung war, mussten Stadlers Konkurrenten früh einsehen. Zum zweiten Mal in seiner sechsjährigen Hawaii-Karriere rannte der ehemalige Weltmeister im Duathlon die 42 Kilometer durch die Gluthitze der Kona Coast deutlich unter drei Stunden. Weder Reid, der mit 2:46 Stunden erneut Klassenbester war, noch irgendeinem anderen der hochdekorierten Verfolger gelang es, aus ihrem Rückstand von über 20 Minuten noch Druck auszuüben auf den führenden Stadler. In früheren Jahren war der Deutsche in ähnlichen Situationen oft eingebrochen, heute erfüllte er sich „einen 17 Jahre alten Traum. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass der endlich wahr geworden ist“, war Stadler noch Stunden nach seinem Sieg sichtlich bewegt. Deutsche Dominanz Zehn Minuten länger brauchte Reid, der den Münchner Faris Al Sultan auf der zweiten Marathonhälfte zwar mühelos abfangen, danach aber kaum distanzieren konnte. Der 26-jährige Student, im Vorjahr noch Siebter, belohnte sich mit Rang drei für sein couragiertes Rennen. Dahinter schon, wieder einmal völlig überraschend, der Mannheimer Alexander Taubert. Eine schwere Muskelverletzung, verursacht durch einen Radunfall Mitte Juni, hatte den 35-jährigen Routinier ausgebremst. Platz vier ist nun das beste Resultat seiner Karriere. "Wenn mir das jemand vor einer Woche erzählt hätte, hätte ich gesagt, 'Du kannst mich auch mal'. Ich war selbst überrascht, wie gut es für mich heute auf dem Rad lief. Beim Laufen wurde es allerdings zum Schluss sehr schmerzhaft – fünf Kilometer vor dem Ziel habe ich gemerkt, dass es Zeit wird, auf dem Alii-Drive anzukommen." Mit Timo Bracht auf Platz acht machten die Deutschen schon vor dem großartigen Sieg von Nina Kraft diesen IRONMAN Hawaii zum Rennen der Deutschen. “Nice, clean, fair“ Ein Tipp auf die IRONMAN-Weltjahresbeste aus dem norddeutschen Braunschweig hätte in den Wettbüros Konas sicher keine hohen Quoten erzielt. Die Deutsche, bereits dreimal in Folge auf dem Podium, war nach Meinung der Experten einfach dran. Anders als in den Vorjahren sprach sie das auch selbst offen aus, hatte über den Winter an ihrer allenfalls diskreten Laufschwäche gearbeitet, die sie nach eigener Sicht der Dinge im Vorjahr „den Sieg gekostet“ hatte. Doch vor allem die jüngsten Regeländerungen der veranstaltenden WTC, nämlich die Abschaffung der Stagger Rule und ein erstmals um fünfzehn Minuten vorgezogener Start aller Profis, dürften Kraft den Weg gebahnt haben. Zum ersten Mal in seiner Geschichte erlebte der IRONMAN Hawaii ein faires Rennen um den Sieg. Für die Besten freilich gegen den Preis unendlicher Einsamkeit zwischen den Lavafeldern. „Das ganze Rennen war anders: Nice, clean, fair", fand die Hawaii-Siegerin von 1997, Heather Fuhr (CAN). Umso mehr erstaunte eine neuerliche Penalty, die, wie im Vorjahr, übereifrige Kampfrichter auf der Radstrecke gegen Kraft verhängten. Die Deutsche konnte sich auch am Abend noch nicht erklären, wofür eigentlich und spekulierte, es gehe dabei wohl um andere Dinge als den Sport: „Es ist schon merkwürdig. Das trifft mit schöner Regelmäßigkeit Nichtamerikaner, und besonders oft uns Deutsche“, glaubt die verärgerte Kraft. Anders als im Vorjahr, als sie durch ihre mehrminütige Zwangspause in der „Penalty-Box“ aus dem Konzept geriet, nutzte Kraft diesmal die Auszeit zur Erholung. Und hatte immer noch einen fast 15-minütigen und somit komfortablen Vorsprung vor ihrer einzigen verbliebenen Rivalin um den Lavathron, Natascha Badmann. Teufel und Engel Schon im Vorjahr hatte sich die Schweizerin auf der Marathonstrecke durch ein tiefes Tal gekämpft und ihre manchmal sonderlich wirkende Gefühlswelt so beschrieben: „Auf einer Schulter trage ich den Teufel, auf der anderen einen Engel, und die beiden streiten um die Vorherrschaft.“ Der Engel, so ist es wohl zu verstehen, schlug dem Teufel dann irgendwo unten im Energy Lab ganz gehörig die Fittiche um die Ohren, und Badmann wurde noch Zweite – vor Kraft. Doch „am heutigen Tag“, erzählt Badmann „war der Teufel groß. Viel größer, als ich ihm je zugetraut hätte.“ Er hätte sie fast erdrückt. "Ich hatte einen sehr schlechten Tag. Aber die Leute haben mich unterstützt und ich habe es geschafft. Darüber bin ich sehr glücklich“, sagte Badmann, die auf der zweiten Marathonhälfte endlich ihren Rhythmus fand. “Von großem Druck befreit“ Auf den letzten Metern über den Alii Drive hinunter zum Pier wirkte Nina Kraft zum Jubeln fast zu müde. Ein leichtes Lächeln, eine kurze Verbeugung, für Sekunden hob sie auf der Ziellinie die Arme – großer Gefühlsüberschwang scheint der Deutschen auch nicht zu liegen. Doch die Erleichterung über den lange erwarteten Erfolg war auch aus ihren knappen Worten herauszuhören: „Es war heute das härteste Rennen meiner Laufbahn. Ich habe mich so gut vorbereitet, wie ich konnte und nun bin ich glücklich, dass es geklappt hat. Ich fühle mich von einem großen Druck befreit.“ Eine Ewigkeit von fast siebzehn Minuten betrug Krafts Vorsprung vor Badmann im Ziel, ihr Marathon von 3:06:50 Stunden war nur um Sekunden langsamer als jener der drittplatzierten Kanadierin Heather Fuhr, einer der besten Läuferinnen der Zunft. Die Siegerin von 1997 konnte im Ziel ihre Tränen kaum zurückhalten: „Ich bin sehr glücklich über meine heutige Leistung. Es ist wunderschön, dass ich zu so etwas noch in der Lage bin.“ – Zehnte wurde Tina Walter aus Bad Urbach, die damit die zweifache Roth-Siegerin Nicole Leder noch knapp auf Distanz hielt.