Ironman Lanzarote 2004: Virginia Berasategui kämpft sich in die Weltspitze

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 24.05.2004 um 09:20
Seit ihrem Sieg beim "Härtesten IRONMAN der Welt" gehört Virginia Berasategui zu den besten Frauen der Welt auf der Triathlon-Originaldistanz ...

Mit ihrem Sieg beim IRONMAN Lanzarote gehört Virginia Berasategui seit Samstag zu den besten Frauen der Welt auf der Triathlon-Originaldistanz. Beeindruckend die Art und Weise, mit der die ITU Weltmeisterin von Ibiza ihre Premiere auf den Kanaren bestreitet und gewinnt: Mutig, kraftvoll und ohne einen Blick zurück. Immer wieder reißt Virginia Berasategui Luna im Ziel die Arme in die Höhe, jubelt und ringt sichtbar nach Fassung. Dann laufen erste Tränen des Glücks und der Erleichterung unter der dunklen Sonnenbrille hervor über die erhitzten Wangen der jungen Spanierin. Einsame 9 Stunden, 41 Minuten und 51 Sekunden hat die zierliche 28-Jährige gekämpft, gegen die unerwartete morgendliche Kühle zuerst, dann gegen den rauen Asphalt der Straßen hinauf in die faszinierend trostlosen Lava- und Sandwüsten Lanzarotes, mit ihren zahllosen Rampen und langen Anstiegen in den Norden der Insel und wieder zurück. Zuletzt gegen die Erschöpfung und die immer größer werdende Hitze beim Marathon. Da liegen ihre Verfolgerinnen längst kilometerweit zurück. Kampf gegen ein Phantom „Das ist mein Tag und meine große Chance. Ich hoffe, dass ich das durchhalte“, sagt sie und da sind gerade einmal drei Rennstunden vergangen. Berasategui ist wahrlich keine Stilistin, in keiner der drei Disziplinen sieht es bei ihr locker aus, eher ein wenig abgehackt und eckig, nach echtem Kampf eben. Aber es ist kraftvoll und ungemein effektiv. Nur um drei Minuten schrammt sie vorbei am neun Jahre alten Radstreckenrekord der großen Paula Newby-Fraser. Im Ziel stoppen die Uhren bei der drittbesten Siegerzeit in der 13-jährigen Geschichte des Rennens - auch hier war nur Paula Newby-Fraser schneller. Fast 35 Minuten liegen zwischen Berasategui und der zweitplatzierten Kanadierin Gillian Bakker. Die war eigentlich gekommen, um den „Härtesten IRONMAN der Welt“ im zweiten Anlauf endlich zu gewinnen. Schon einmal, vor zwei Jahren, war Bakker gegen eine Spanierin unterlegen, als Maribel Blanco mit einem Weltklasse-Marathon der Kanadierin auf den letzten Kilometern noch den sicher geglaubten Sieg weggeschnappt hatte. Diesmal ist es anders, von einem direkten Duell, oder wenigstens einem Fernduell, kann man da nicht reden. Es ist eher der Kampf gegen ein Phantom: Berasategui liegt bereits nach dem Schwimmen drei Minuten vor der nächsten Konkurrentin, sechs vor Bakker, und mit jedem Kilometer wird der Abstand größer. "Ich hatte das Rennen nicht so hart in Erinnerung", gibt Bakker später zu. Unterschätzt Wahrscheinlich erkannte die radstarke Kanadierin schon früh die Gefahr, doch für die meisten war Virginia Berasategui, die amtierende ITU Langdistanz-Weltmeisterin von Ibiza, bei ihrer Lanzarote-Premiere keine Favoritin. Seit dem vergangenen Herbst, so konnte man bei der Pressekonferenz am Vorabend erfahren, habe die Spanierin versucht, sich im Weltcup für Athen zu qualifizieren, doch für den Sprung in das Olympische Team fehlten ihr die Punkte. „Wir werden sehen, ob ihre Ausdauer für ein so hartes Rennen reicht“, meinten vor dem Rennen Tina Walter und Heidi Jesberger unisono. Ein rabenschwarzer Tag Passabel hatten die beiden deutschen Hoffnungsträgerinnen die erste Disziplin beendet. Jesbergers sechs und Walters acht Minuten Rückstand bedeuteten hier allenfalls eine Randnotiz. Beide hatten sich vorgenommen, verhalten loszufahren, um nicht schon vor der Einfahrt in die Feuerberge kostbare Körner zu lassen. Doch während Walter sich tatsächlich immer weiter steigert und am Ende die drittbeste Radzeit des Tages realisiert, erwischt Jesberger einen rabenschwarzen Tag und findet nie ihren Rhythmus. Schon nach 40 Kilometern auf den endlosen Wellen hinauf in den Timanfaya Nationalpark wirkt Heidi Jesberger angestrengt, und oben am Mirador del Rio, dem höchsten Punkt der Strecke fast gequält. Als sich dann im holprigen Bergab Richtung Arrecife auch noch der Zeitfahraufsatz ihres Lenkers löst und nicht mehr zu brauchen ist, beginnt die 26-Jährige wohl zu ahnen, dass es diesmal eher ums Ankommen denn um den erhofften Platz auf dem Podest und das Ticket nach Kona gehen würde. Sie liegt bereits 45 Minuten zurück, auf dem siebten Platz. „Es war einfach schrecklich“, sollte sie später tief enttäuscht sagen. Dark Horses Als Fünfte war Sonja Heubach auf den welligen Laufkurs gestartet und sie war auf Lanzarote so ziemlich das, was man gemeinhin als „Dark Horse“ bezeichnet. Es war ihre dritte Langdistanz nach Roth 2002, wo sie auf Anhieb Siebte geworden war, und Zürich im vergangenen Jahr. Ihren sechsten Platz im IRONMAN Switzerland hatte die Szene kaum registriert. Die Ziellinie an der Strandmeile Puerto del Carmens erreicht die für Amberg startende Studentin der Sportjournalistik als Dritte, dünne 56 Sekunden hinter Bakker, die sie mit ihrer Marathonperformance von 3:13:33 Stunden, dem zweitbesten Split des Tages, beinahe noch abgefangen hätte. Genauso wie einige Kilometer zuvor schon Tina Walter und Lori Lynn-Leach. Über den unerwarteten Erfolg ist sie selbst am meisten überrascht. „Als ich gesehen habe, wer hier startet, habe ich von einem Platz unter den Top 10 geträumt“, sprudelt es im Zielbereich aus der 28-Jährigen heraus. Jetzt bin ich plötzlich beste Deutsche und sogar für Hawaii qualifiziert.“ Immer wieder schaut sie ungläubig auf die laufende Uhr über der Zielllinie - nur um runde vier Minuten hat sie ihre Bestzeit von Zürich verfehlt, und das im schwersten IRONMAN-Rennen der Welt. „Einfach Wahnsinn“, jubelt sie immer wieder und wirft die Arme in die Luft. Ganz ähnlich wie eine gute halbe Stunde zuvor Virginia Berasategui Luna. Weinend vor Glück hatte die Spanierin vor laufenden Kameras und aufgeschalteten Mikrofonen als erstes ihren Vater angerufen. Eine Geschichte, schöner als jedes Interview: Senor Berasategui hatte vor vielen Jahren als erster Spanier in Kona gefinisht – nach ihrem überragenden Sieg gehört seine Tochter nun plötzlich zu den Favoritinnen für das Saisonfinale auf Hawaii. „Dort zu gewinnen wäre mein größter Traum, aber bis dahin habe ich noch einen weiten Weg vor mir.“ In Kona würde man sie kaum ziehen lassen, erst recht nicht nach dem heutigen Tag.