Nicole Leder: Das große Glück verfehlt

von Steffen Gerth für tri2b.com | 17.10.2004 um 22:25
Als Elfte ist Nicole Leder am Samstag ins Ziel auf dem Alii Drive in Kona eingelaufen – Weltklasse, und doch das schlimmste Ergebnis, was einem Triathlonprofi dort passieren kann ...

Moderne Mobiltelefone verbinden die Menschen über Tausende Kilometer, eben auch zwischen Kailua Kona, Hawaii, und Alcudia, Mallorca. Was wird Nicole Leder ihrem Mann Lothar gesagt haben, als sie ihn in seinem Trainingslager anrief, nachdem sie soeben die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii als Elfte beendet hatte? Sie muss bitter enttäuscht gewesen sein, denn ein elfter Platz dort ist das schlimmste Ergebnis, was einem Triathleten dort passieren kann. Nur die ersten Zehn dieses Rennens bekommen Preisgeld. Und: Nur diese ersten Zehn sind automatisch für das Rennen im Folgejahr qualifiziert. Nicole Leder muss also 2005 wieder irgendwo auf der Welt einen Ironman-Wettbewerb bestreiten, um sich ihren Startplatz für die Weltmeisterschaften in Kona im kommenden Jahr zu sichern. Das will kein Profi, denn dieser Aufwand kostet Zeit, Energie – und Geld. Nach 10:13:46 Stunden war Nicole Leder am Samstag ins Ziel auf dem Alii Drive in Kona eingelaufen, läppische 1:45 Minuten hinter Tina Walter aus Bad Urbach in Baden-Württemberg. „Ich habe alles gegeben“, sagt sie später, und sogar: „Ich bin zufrieden.“ Wirklich? Die Darmstädterin ist leider niemand, der Enttäuschungen und Jubel öffentlich mehr zur Schau stellt als nötig, nüchtern beschreibt sie stets ihre Rennen. So auch diesmal. Sie erzählt von „sauharten Bedingungen“, und das heißt: ein rauer Pazifik bei den 3,9 Kilometern Schwimmen (bei dem das Profifeld im Zickzackkurs durchs Wasser pflügte), böser Gegenwind auf den 180 Kilometern Radfahren über die Teerstraßen der Lavawüste – und 32 Grad Hitze beim finalen Lauf über 42,195 Kilometer. Bedingungen, mit denen deutsche Dreikämpfer stets bestens zurechtkommen, wie die Resultate der Männer und Frauen beweisen. Gerade der atemberaubende Wettkampf der Siegerin Nina Kraft (Braunschweig / 9:32) mag dafür sprechen. Hinter Kraft hätte eigentlich Nicole Leder zweitbeste Deutsche werden sollen, sie erkämpfte sich auch das beste Hawaiiergebnis ihrer Karriere, sie gehört zur IRONMAN-Weltklasse. Aber zweitbeste Deutsche in Kona wurde eben Tina Walter, eine vierfache Mutter, die beim diesjährigen Ironman in Frankfurt Dritte geworden war. War es der Kraftakt auf dem Rad, den Nicole Leder mit einem starken Hunger bezahlt hat? Waren es die fehlenden Colabecher bei den letzten Verpflegungsständen des Laufens, auf die sich die ausgezehrten Triathleten immer so freuen? Dass dieser internationale Standard in Kona nicht eingehalten wurde, ist bei einem Startgeld von 450 Dollar bedenklich, Nicole Leder sagt, „dass so etwas nicht sein kann“. Sie ist trotzdem den Marathon in 3:08 Stunden gerannt, man hat sie aber auch schon schneller erlebt. Dass sie wenigstens die Titelverteidigerin Lori Bowden auf Platz zwölf (10:16:03) verdrängt hat, ist ein schwacher Trost, zumal die Kanadierin beim Radfahren von einer Biene gestochen wurde, was ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt haben dürfte. Gerne wäre sie am Montag, bei der pathetischen Siegerehrung ebenfalls aufs Podium geklettert, sagt Nicole Leder. Nicht, weil sie dieses amerikanische Spektakel liebt, nein, mit Platz zehn und der Qualifikation für 2005 im Gepäck hätte sie ihre kommende Saison ganz anders angehen können. Nicole Leder hat sich dann am Sonntag erstmal mit einem Frühstück im legendären „Aloha Café“ belohnt, einem ehemaligen alten Kino, das vom jährlichen Ironman-Trubel in Kona verschont bleibt. Danach ging es an den Strand, Körper und Geist erholen. Auf der anderen Seite des Globus, auf Mallorca, wirkt Ehemann Lothar viel enttäuschter als seine Frau. Er erzählt, wie großartig Nicole trainiert habe, er erzählt von Einheiten im Regen, und von ihren besonderen Erschwernissen in der Rolle als Mutter. „Sie gibt viel mehr für die Familie als ich.“ Nachdem Lothar in diesem Jahr verletzt war, hatte Nicoles starke Saison die Ehre der Familie Leder hochgehalten, Hawaii sollte dann das große Glück bringen. Sie hat es um 1:45 Minuten verfehlt.