Regeneration: Die Entscheidung fällt im Kopf (Teil 2)

von S. Kräftner/biestmilch.com für tri2b.com | 03.01.2006 um 23:27
"Ich war im Kopf nicht frei" - ein von Athleten aller Leistungsklassen oft zitierter Satz, wenn ein Rennen unerklärbar schwach verlaufen ist. Dabei spielt das Gehirn tatsächlich eine entscheidende Rolle beim Abrufen den maximalen Leistungsfähigkeit ...

Von vielen Athleten hört man am Ende einer langen Saison: „Im Kopf fühle ich mich leer und kraftlos, eigentlich schlimmer als in meinem Körper.“ Auch ein Wettkampf, bei dem man Höchstleistungen erbracht hat, kann einem unter Umständen mental mehr zusetzen als körperlich. Wie ist das möglich? Untersuchungen haben gezeigt, dass mit steigender körperlicher Belastung und umso ausgeprägter man an die eigene Leistungsgrenze herankommt, die Aktivität des Gehirns zunimmt. Bei extremer Neuronenaktivität kann der Energiebedarf auch hier die Energieproduktion übersteigen. Ein solches Ungleichgewicht kann vorübergehend in den Gehirnarealen auftreten, die für den Wettkampf Höchstleistungen erbringen müssen. Die Kohlenhydratspeicher des Gehirns werden entleert und als Folge wird der Wettkampf abgebrochen. In einem der letzten Beiträge habe ich Ihnen den Schrittmacher im Gehirn vorgestellt, der alle Reize aus den verschiedensten Regionen in der Peripherie des Körpers verarbeitet, ein Ergebnis errechnet, das wieder an die Außenstellen gesendet wird, um den Organismus immer aktuell an die Gegebenheiten anzupassen. Unmittelbar angeschlossen an den Schrittmacher sind Neuronennetze, die zu unterschiedlichen Regelkreisen verschaltet sind und die unterschiedlichen Organsysteme und ihre Funktionen kontrollieren und aussteuern. Dazu gehören Körpertemperatur, Herzfrequenz, Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Flüssigkeitshaushalt, Muskelkoordination und Gleichgewicht und vieles mehr. Diese Neuronensysteme arbeiten mit hohen Sicherheitsmargen für die Außenstellen, deshalb bricht ein Athlet auch am Rande seiner Leistungsfähigkeit nicht tot zusammen, sondern ist innerhalb von Minuten wieder fit.

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Maximale Anstrengungen fordern den Geist Diese Aktivität des zentralen Nervensystems benötigt sehr viel Energie und verbrennt vor allem Glukose und Laktat. In speziellen Bindegewebezellen des Gehirns befinden sich Kohlenhydratspeicher. Zudem wird Glukose und Laktat aus der Peripherie ins Gehirn transportiert. Der Energieverbrauch steht in enger Beziehung zur Willensanstrengung, die für die Leistung aufgebracht wird. Je näher sich der Athlet an seine Maximalleistung heranbewegt, desto größer ist die gemessene Nervenzellen-Aktivität im Gehirn und umso größer die verbrauchte Energie. Im Gehirn führt ein Energiedefizit offensichtlich zu einem Gefühl der Ermüdung bzw. Erschöpfung und zu einer bewussten Abbruchentscheidung des Wettkampfes oder der Trainingseinheit, bevor uns die periphere Stoffwechselsituation zum Aufgeben zwingen würde. Aus Untersuchungen mit teilweise durch Medikamente gelähmte Muskel-Motorneuronen-Einheiten konnte gezeigt werden, dass für die Probanden große mentale Anstrengungen erforderlich waren, um eine bestimmte motorische Leistung zu erbringen. Beim Abschluss der Übungen war keiner der Probanden trotz großer Willensanstrengung mehr in der Lage, die Arbeitsleistung zu erhöhen. Dennoch empfand keiner das Gefühl totaler Erschöpfung, wahrscheinlich deshalb, weil dieses Gefühl für uns an das Vorhandensein von Muskelschmerzen auf das Engste verknüpft ist. Vielen Athleten wird jene Müdigkeit vertraut sein, die einem nicht das Gefühl der Erschöpfung vermittelt, sondern eher das Gefühl: „Eigentlich fühlte ich mich körperlich gut, das Training lief auch gut und trotzdem ging im Wettkampf einfach nichts mehr. Ich weiß nicht warum.“ Offensichtlich können aufgrund mentaler Erschöpfung bzw. reduzierter Nervenzell-Aktivität keine zusätzlichen Muskel-Motorneuronen-Einheiten aktiviert werden. Der Muskel ist somit bei weitem nicht ausgelastet, so jedoch das Gehirn. Da das erschöpfte Gehirn nicht schmerzhaft ist wie ein erschöpfter Muskel, nehmen wir unseren Zustand in dieser Situation anders wahr, eben in Form eines „Da-Geht-Einfach-Gar-Nichts-Mehr“. Auch der Kopf muss trainiert werden Aufgrund seiner zentralen Rolle im Kampf um den Sieg braucht auch das Gehirn Training wie ein Muskel, Training, das sich aus aktiven und Ruhephasen zusammensetzen sollte. Bei den heutigen Trainingsbedingungen scheinen immer weniger Unterschiede bei der maximalen Sauerstoffaufnahme über Sieg oder Niederlage zu entscheiden, sondern die Fähigkeit die Sicherheitsmarge, mit der das eigene zentrale Nervensystem arbeitet, zu verschmälern. Ein unter Umständen gefährliches Spiel! Deshalb sollte man im Training darauf achten, nicht nur Kilometer abzuspulen und Trainingsmonotonie vermeiden, denn das Gehirn braucht die Herausforderung, um seine Dynamik und Flexibilität zu bewahren oder besser auszubauen. Auch im Training sollte man vor seinem „geistigen Auge“ Wettkampfsituationen nachspielen und beobachten wie der Körper damit umgeht. Training sollte auch den Kopf müde machen und Regeneration sollte ihn ebenso berücksichtigen. Wenn man den Gegner im Rücken fühlt, sollte die Kraft nicht aus den Muskeln weichen, wenn man Einsamkeit und Schmerzen auf dem langen Weg ins Ziel zu spüren beginnt, sollte der Kopf eine Strategie bereit halten. Wie heißt der schöne Spruch den jeder kennt: „Letztlich wird ein Rennen im Kopf entschieden“. In der Ruhe liegt die Kraft Der Anpassungsprozess an ein höheres Leistungsniveau ist für den Organismus harte Arbeit. Wenn wir ihm also keine Ruhe gönnen, dann lässt er diese Arbeit einfach sein. Die Folge ist, dass sich unser Leistungsniveau trotz harten Trainingseinsatzes nicht mehr verändert oder sogar abfällt. Damit auch die Regenerationsphasen erfolgreich verlaufen, ist das perfekte Zusammenspiel der großen Regulationssysteme Nervensystem, Immunsystem und Hormone genauso gefordert wie unter Belastung. Es gibt unzählige Produkte, die die Regeneration fördern sollen. Ich habe im ersten Teil dazu Stellung genommen, warum deren Wirkungen für den Einzelfall schwer vorherzusagen sind. Deshalb ist man bei der Wahl des Produktes mehr oder weniger auf seine subjektive Beurteilung angewiesen. Jedenfalls kann keine der verfügbaren Substanzen Ruhephasen ersetzen, sie können bestenfalls die Prozesse optimieren helfen und damit etwas verkürzen.