Rico Bogen ist der neue Ironman 70.3-Weltmeister, Frederic Funk und Jan Stratmann auf dem Podium

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 27.08.2023 um 10:14
Mit einem sensationellen deutschen Dreifachsieg endete das Männerrennen bei der Ironman 70.3 World Championship 2023 im finnischen Lahti. Der 22-jährige Rico Bogen lief nach 1,9 km Schwimmen, 90 km Radfahren und 21,1 km in superschnellen 3:32:22 Stunden völlig überraschend zum WM-Triumph. Eine Minute hinter dem Leipziger sicherte sich Frederic Funk (3:33:26) Rang zwei, gefolgt von Jan Stratmann (3:34:11), die beide auf den letzten Kilometern den Franzosen Mathis Margirier noch überholen konnten.

Von einem möglichen deutschen Triathlon-Spätssommermärchen war vor dem Rennen in Lahti nichts zu hören. Auf der Prerace-Pressekonferenz drei Tage vor dem Rennen waren keine deutschen Athleten geladen. Blummenfelt, Sanders, Kanute und Co gaben ihre Einschätzungen zu ihrer Form und einem möglichen Rennverlauf zum Besten und schoben sich die Favoritenrolle vor allem gegenseitig zu. Zumindest ein Name der Germans wurde genannt: Frederic Funk hatte man auch dort auf der Rechnung. Aber Rico Bogen?

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>> Die Bilder vom deutschen Dreifachsieg bei der Ironman 70.3 WM 2023 in Lahti ...

 

Dark Horse Rico Bogen

Der junge Leipziger, der im Vorjahr den Sprung von der Kurzdistanz auf die Mitteldistanz wagte und bei der Challenge auf Mallorca als 21. ein erstes internationales Ergebnis ablieferte, steigerte sich in diesem Frühjahr mit Rang vier zum Saisonstart beim schweren Ironman 70.3 Lanzarote. Ein erstes richtiges Ausrufezeichen folgte Ende Mai. Beim Ironman 70.3 Kraichgau rannte der 22-Jährige zum Sieg im Land der 1000 Hügel und ließ dabei u.a. den zweimaligen Ironman Hawaii-Sieger Patrick Lange hinter sich. Rein von den Saisonvorleistungen durfte man Rico Bogen also durchaus als Dark Horse für die Topränge in Lahti nennen.

Müder Blummenfelt verpasst früh den Anschluss

Nach den zuletzt gezeigten Leistungen war der Norweger Kristian Blummenfelt der Topfavorit. Viele trautem dem Olympiasieger und Ironman 70.3 WM-Titelverteidiger auch den dritten Kraftakt innerhalb von neun Tagen zu, nachdem er zunächst beim olympischen Testrennen in Paris Neunter wurde und drei Tage später in Singapur das PTO-Rennen dominiert.

Doch bereits nach dem Schwimmen im Vesijervi See, als sich der zuletzt schwimmstarke Blummenfelt eineinhalb Minuten Rückstand auf die Spitze einhandelte, war vorherzusehen, dass die Reisestrapazen wohl auch dem ansonsten unkaputtbaren Norweger zusetzten.

Mitteldistanz DM in Finnland

Vorne hatte wie erwartet Justus Nieschlag für ein schnelles Schwimmen gesorgt. In der ersten Gruppe mit dabei war auch Rico Bogen. Kurz dahinter kamen Johannes Sperl und Jan Stratmann, sowie weitere 20 Sekunden zurück, Frederic Funk aus dem Wasser. Alle schafften anschließend den Sprung in die aus sieben Athleten bestehende Spitzengruppe, so dass die ersten Radsplits den Anschein einer deutschen Meisterschaft hinterließen „Ich bin 10 min mit 380 Watt gefahren,“ beschrieb Stratmann diese vorentscheidende Rennsituation. „Ich wollte unbedingt in die erste Gruppe, da ich diese bei den letzten großen Rennen immer ganz knapp verpasst habe“.

In der Spitzengruppe war es neben dem Franzosen Margirier vor allem Funk, der für ein hohes Tempo sorgte. Mit dem Ergebnis, dass die große Gruppe der Verfolger, die sich nach ca. 30 Radkilometern formiert hatte und aus über 25 Athleten bestand, sogar Zeit verlor. Wer nun auf den Gegenangriff von Blummenfelt wartete, wurde enttäuscht. Der Topfavorit, der anscheinend im Vorfeld mit Magenproblemen zu kämpfen hatte, gehörte zu den ersten, der aus der Verfolgergruppe zurückfiel.

Sanders nach sehr fragwürdiger Penalty aus dem Rennen

Besser lief es zunächst bei Lionels Sanders, der sich nach der Radhalbzeit ganz vorne in der großen Verfolgergruppe zeigte und den aus der Spitzengruppe zurückgefallenen Sperl einsammelte.  Dort gab es dann Aufregung um Sanders. Der Kanadier wurde wegen des Überfahrens der Mittellinie disqualifiziert. Allerdings soll es in diesem Abschnitt gar keine Mittelline gegeben haben, wie Sanders später in den sozialen Medien mitteilte

Auf den letzten Radkilometern zurück nach Lahti konnten Funk, der in 1:55:14 Stunden die beste Radzeit des Tages vorlegte, und Magirier noch eine kleine Lücke zu Bogen, Stratmann und Nieschlag reißen.

Das deutsch-französische Spitzenduo ging die ersten Laufkilometer gemeinsam an. Rico Bogen lief aber bereits auf den ersten Kilometern heran, während Stratmann zunächst nicht folgen konnte und sich bei Nieschlag schon beim Anlaufen sein Achillessehnenproblem meldete. Bogen stellte Margirier und Funk gleich beim ersten Anstieg hinauf zum Salpausselkä-Hügel und baute seinen Vorsprung auf der ersten der zwei Laufrunden auf eine halbe Minute auf Margirier aus, der wiederum Funk etwas abschütteln konnte. Stratmann lag an Position vier und hatte ebenfalls noch Blickkontakt nach vorne.

Das deutsche Triathlon-Spätsommermärchen nimmt Form an

Bogen zeigte auch beim zweiten Anstieg keine Schwäche und lag fünf Kilometer vor dem Ziel mit einer guten Minute Vorsprung endgültig auf Siegkurs. Dahinter hatte Funk die Lücke zum nun etwas langsamer werdenden Margirier geschlossen. Als der höchste Punkt der Laufstrecke erreicht war, konnte der Franzose nicht mehr folgen, sah aber noch wie der sichere WM-Dritte aus. Während an der Spitze Rico Bogen seinen Überraschungscoup mit einem Gänsehautzieleinlauf zu Ende brachte und für den siebten deutschen Ironman 70.3 WM-Titel bei den Männern sorgte und auch Frederic Funk seinen zweiten Platz sicher nach Hause lief, wurde es dahinter auf den letzten drei Kilometern dramatisch. Stratmann sah den nun angeschlagenen Margirier vor sich und lief angepeitscht von den vielen Fans am Streckenrand noch zu WM-Bronze.

Die Platzierungen der weiteren Deutschen:

13. Jonas Hoffmann
14. Maximilian Sperl
18. Franz Löschke
24. Justus Nieschlag
39. Nicolas Mann

Kristian Blummenfelt, der nach dem Radfahren chancenlos zurücklag, blieb trotzdem im Rennen und finishte mit über 20 min Rückstand auf Rang 35.