Story Katja Schumacher: "Der große Druck ist eigentlich weg!"

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 22.08.2002 um 06:30
Zwei große Ironman-Siege in neun Monaten - nun soll es auch in Kona einmal richtig rund laufen. "Ich freu' mich tierisch auf Hawaii", sagt Katja Schumacher.

Zur Zeit hört sie am liebsten Eminem. Hart, mit Power. Es ist wohl gerade nicht die Phase für beruhigendes, melodisches, für die alten Madonna-Scheiben. – Damals, der Unfall bei der Qualifikation für die olympischen Spiele in Sydney, das war wohl die größte Bewährungsprobe ihrer Karriere, frustrierend und verunsichernd. Für Olympia 2000 hatte Katja Schumacher alles auf eine Karte gesetzt, alles andere diesem Ziel untergeordnet und dann war sie nicht einmal qualifiziert. Der gute Rhythmus war gebrochen. Fast zwingend folgten fast zwei Jahre spärlichster Erfolge, dürre Jahre, solche wie ihre ersten „Berufsjahre“ damals, nach dem mutigen Entschluss, Profi-Triathletin zu werden. Kellnern und Putzjobs für Trainingslager und Wettkampfreisen. „Triathlonprofi ist definitiv kein Zuckerschlecken!“ Am letzten Sonntag hat Katja Schumacher den Ironman Germany in Frankfurt gewonnen und sagt wieder: „Ich habe verdammt viel Spaß!“ Man muss es ihr einfach glauben. Verlässlichkeit ist in Katja Schumachers Sportlerleben wohl ein wichtiges Element. Die Verbundenheit zum Heimatverein Nikar Heidelberg ist deshalb auch kein bloßes Lippenbekenntnis. „Ein paar von unseren Schwimmern waren in Berlin gut in Form, ein starkes Team! – Und Klemens hat sich für Hawaii qualifiziert“, erzählt sie und erinnert sich gerade nicht, wie der weiter heißt. Aber er ist aus ihrer Trainingsgruppe, mit der sie vier- bis fünfmal pro Woche unterwegs ist, da braucht’s keine Nachnamen. Heidelbergs Sportlerin des Jahres ist bei den Triathleten des Nikar die Lauftrainerin. Jeden Mittwoch geht es auf die Bahn, Katja steht meistens am Rand. Wenn sie mal nicht dabei ist, mal wieder zum Training in Kalifornien weilt, dann macht es ein anderer, doch sie schickt die Pläne per eMail. Schon der Tag nach Frankfurt gehörte, wie versprochen, ganz der Nachwuchsarbeit: In den städtischen Ferienaktionen leitet sie nämlich gerade ein Kindertriathlon-Camp. Vier Tage spaßorientierte Grundfertigkeiten, um Hütchen kurven und das Bremsen üben, Schwimm-Spiele, eine kleine Radausfahrt, Laufschule. Am vierten Tag gibt’s zur Belohnung einen kleinen Wettkampf für die sieben- bis zwölfjährigen Kids. Da ist die 34-jährige voll eingespannt. – Aber der Sieg in Frankfurt hat jetzt viel Kraft gekostet, nicht nur physisch. Total müde sei sie jetzt und leer. Und hat den Kopf doch schon wieder voll mit lauter entspannenden Aktivitäten, fast wie getrieben. Sie wird zum ersten Mal zum Bowling gehen, abends ein wenig feiern, morgen vielleicht Tennis, „Ski fahren geht ja leider derzeit nicht ...“ Volles Programm, vor allem, solange sie noch mit den amerikanischen Freunden in Heidelberg ist, in dem Haus, das ihren Eltern gehört. Montag geht es nach Kalifornien. – Heidelberg und San Diego, seit fast zwei Jahren nennt Katja Schumacher diese beiden Stützpunkte ihre Heimat. Vielleicht erklärt der hohe Energiefluss ja auch die jüngsten Erfolge: Zwei große Ironman-Siege in neun Monaten, dazu die beiden topbesetzten Mittelstrecken im Mai in Kalifornien, das ist schon so etwas wie ein zweiter Karriere-Durchbruch nach dem etwas einsam stehenden Roth-Sieg vor vier Jahren. Der Druck vor dem großen Heimatwettkampf in Frankfurt war deshalb auch ziemlich groß. Doch dass sie so nervös war, wie kaum je zuvor, erklärt Schumacher lieber mit der total verkorksten, letzten Vorbereitung. Bronchitis, Bettruhe, Antibiotika – sowas kann das Selbstbewusstsein einer tapernden Ausdauersportlerin ziemlich zerlegen. Dann passieren sogar mal richtige Dummheiten, wie die am Abend vor dem Rennen, als sie ein großes Loch in ihren Neoprenanzug brannte, der über einer eingeschalteten Lampe trocknete. Am Sonntag startete sie in einem Leihanzug. Normalerweise, denkt Katja, sei sie ausgeglichener, entspannter als die meisten ihrer Sportkolleginnen. Das sagt sie jedoch nicht, um Rivalitäten zu schüren, die sie angeblich kaum empfindet. Das hochgepuschte Gerede um die Erzfeindschaft zwischen Zäck und Leder findet sie ziemlich albern und auch nicht die einzige Möglichkeit, medial auf sich aufmerksam zu machen. Wenn sich Konkurrenz allein auf den sportlichen Wettkampf beziehen würde, könnte das Ansehen des Sports genauso steigen. „Freundschaft schließt ja harte Zweikämpfe bis zur Finishline nicht aus, schließlich leben wir Profis vor allem von Erfolgen“ meint die sechsfache deutsche Meisterin im Rugby und ehemalige Spielführerin der Nationalmannschaft. Dort wurde es am Ende allerdings etwas zu hart. Schumachers Schilderung des Karriereendes in dieser männerdominierten Sportart kommt dennoch eher unspektakulär daher: Mit einer „doppelt so großen“ holländischen Spielerin sei sie in einem Länderspiel zusammengeprallt und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. „Time for a change“, habe sie da empfunden und die körperliche Fitness gleich genutzt. Ute Mückel stand am Sonntag an Frankfurts "Heartbreak Hill" zur persönlichen Betreuung Schumachers in der Hitze, mit Nicole Leder trainiert sie gelegentlich. Nina Kraft trifft sie zwar nicht so oft, aber man habe sich schon wieder verabredet. Ihre Freundschaft mit Paula Newby-Fraser und der Frankfurt-Dritten Liz Vitai ist inzwischen bekannt – die Bezeichnung „Encinitas-Connection“ könnte diese eingeschworene Trainingsgemeinschaft gut beschreiben. Katja erzählt gern, wie sehr sie vor allem von der Erfahrung der achtfachen Hawaii-Siegerin profitiert, ihre Ernährung und ihr Training auf deren Rat hin umgestellt hat: Verzicht auf Schokolade und hartes Training für harte Wettkämpfe sind sicher nur eine sehr globale Umschreibung der offenbar erfolgreichen Veränderungen. Aber wer würde auch Details preisgeben wollen? Siege sind schließlich bares Geld. Schumachers Hauptsponsor, ein großer Finanzdienstleister, steht seit 1998 und ihrem ersten Ironman-Sieg zu ihr. Auch über die dürren Jahre, denn „die Verbindung ist eher familiär.“ Ihr jüngster Erfolg in der Börsen-Metropole Frankfurt dürfte aber auch dem Unternehmen gerade ganz gut tun. Andererseits, ein männlicher Kollege mit ähnlicher Erfolgsbilanz trüge vielleicht schon ein papageienbuntes Logo-Patchwork auf der Brust. Drei Zeitungen hat Katja Schumacher am Montag durchgeblättert, doch in keinem Bericht wurde das Rennen der Frauen auch nur erwähnt. Zum Weitersuchen verging ihr die Lust. Solche journalistische Ignoranz und Diskriminierung sei in Deutschland fast wie ein Naturgesetz, das macht sie wütend. Auch wenn sie zugeben muss, dass ein Lothar Leder in eigener Vermarktung wesentlich umtriebiger ist. Ihr liegt das nicht so. In den USA hat sie Murphy Reinschreiber damit beauftragt. Der ist die Nummer eins im Marketing der Top-Triathleten – Newby-Fraser vertritt er seit Jahr und Tag äußerst erfolgreich. Ungeachtet der großen Niederlagen 1995 auf Hawaii oder gerade vor wenigen Tagen in der Mainmetropole. „Ich weiß nicht, ob ich, so wie Paula, in Frankfurt gefinisht hätte. Aber ich bewundere sie dafür. Ein Riesen-Vorbild für unseren Sport!“ Ob sich die Queen of Kona allerdings neun Wochen vor dem Hawaii-Ironman einen Gefallen getan habe, weiß Schumacher nicht zu beantworten. Im Training der kommenden Wochen zählt sie wieder ganz auf die volle Kraft der 40-jährigen, vor allem aber für den Showdown in Kona. Weil sie beide so eine ähnliche Leistungsdynamik hätten, könnte sie sich erneut über weite Strecken ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorstellen – für ihr erstes rundes Resultat auf der Pazifikinsel. Dort hat es für Katja noch nie hingehauen, doch an der Angst vor der Hitze kann es ja nun nicht mehr liegen. Ein Platz unter den Top-Drei wäre ihr sportlicher Traum, auch wenn sie weiß, dass die Vorjahres-Dritte Nina Kraft tiefer stapelt und höher hinaus will. „Ich freu’ mich tierisch auf Hawaii“, sagt Schumacher nur 48 Stunden nach dem strapaziösen Finish am Römerberg. Würde das „Unternehmen Podestplatz“ gelingen, dann müssten die Madonna-CDs wohl noch etwas warten ...