Vor Hawaii: Interview mit Nina Kraft

von Jens Richter für tri2b.com für tri2b.com | 25.09.2002 um 00:10
Diesen Gefallen tut Nina Kraft im Interview sicher nicht: Es gab weder starke Sprüche noch gut verkäufliches Gesäusel für’s Diktafon. Dafür aber klare Einschätzungen und gut durchdachte Antworten ...

Eine Faustregel sagt, vergleichbare Leistungen der Spitzenathletinnen lägen im Olympischen Triathlon rund dreizehn Minuten hinter denen der Männer. Doch im großen NRW-Finale in Krefeld retteten sich gerade einmal 20 Männer vor Nina Kraft ins Ziel und der überlegene Tagessieger Olaf Sabatschus war auch nur sieben Minuten schneller. – Nina Kraft ist in bester Verfassung und kurz vor dem Start am Elfrather See konnten wir mit der 33-jährigen Braunschweigerin noch ein längeres Gespräch führen ... tri2b: Nina, Dein überlegener Sieg in Fredericia (Anmerkg. d. Red.: dort siegte Kraft mit großem Vorsprung auf einer Mitteldistanz) erinnert, wie schon so viele Rennen in diesem Jahr, an den Auftritt in Roth. Wo liegt da noch Spannung, wo Dein Anreiz? Nina Kraft (NK): Es sieht vielleicht nachher alles so klar aus, aber das täuscht. Das Gemeinsame von Roth und Fredericia war, dass ich in beiden Wettkämpfen 100 Prozent gegeben habe – ich gehe immer an die Grenze, dazu ist der Wettkampf da. Und es zählt für mich auch die Gesamtplatzierung, die Endzeit und ob ich ein gutes Rennen habe. So was ist vorher nie klar und es bleibt immer spannend. In Fredericia war ich aber auch sehr zufrieden. Ich kam als Zweite aus dem Wasser und konnte Marie Overbye schon nach drei Kilometern hinter mir lassen. Zum Laufen hatte ich bereits einen guten Vorsprung und der Kilometerschnitt blieb dann unter vier Minuten, wie ich mir das vorgenommen hatte. Es war sehr heiß – ein guter Test für Hawaii! Ich glaube, ich bin wirklich in Form. tri2b: Dann reden wir doch noch mal über Roth. Der Blick auf die Ergebnisse ist da ja noch eindeutiger, als der tatsächliche Rennverlauf das war. Immerhin hätte Nicole Leder ohne die Magenprobleme starke Konkurrenz werden können – ja, wenn Du nicht auf dem Rad schon so weit entkommen wärest. NK: Ja, eigentlich musste ich auch mit mehr Gegenwehr rechnen, vor allem bei Nicole. Ich hatte mich auf dem Rad aber auch nicht so stark eingeschätzt, denn entweder trainiere ich allein oder mit den Männern. Und da hänge ich eh immer hinterher. Dann war ich vorher noch krank, da wusste ich auch nicht, was bei 'raus käme. – Ich war selbst begeistert, dass ich im Vergleich zum Vorjahr noch einen Sprung gemacht habe, dafür habe ich auch hart gearbeitet. tri2b: Ach, das ist jetzt wohl das neue Geheimrezept, sich mit einer Erkältung vor dem Wettkampf ins Bett zu legen und den Trainingsplan damit zu kippen?! Vielleicht war Katja Schumacher ja auch deshalb so gut ausgeruht in Frankfurt ... NK: Ist vielleicht nicht so schlau, aber ich gehe auch manchmal krank auf's Rad. – Das sollte man aber nicht nachmachen. Nee, ich habe meinen Trainingsplan nicht so durchbrochen, aber in den letzten zwei Wochen mache ich sowieso immer sehr wenig Belastungen. Der Infekt war eben gut getimt, wenn er schon sein musste. tri2b: Also, wer sind jetzt die wichtigsten europäischen Konkurrentinnen? NK: Wohl zuerst mal Natascha (Badmann). Die wird wohl auf Hawaii wieder das Rennen machen, sie ist einfach eine Klasse für sich. Tja, zu Frankfurt kann ich jetzt nicht so viel sagen. Ich weiß, dass Katja sehr gut drauf ist, auch in der obersten Liga. Aber ich weiß auch, dass in Frankfurt sehr viel im Windschatten gefahren wurde, das wird hoffentlich auf Hawaii wieder anders. Ich glaube, dass da für die Frauen bald was getan werden muss. So ist es sehr ungerecht. Deshalb bin ich auch so für Roth: das ist für die Frauen eben ein sehr faires Rennen mit dem vorgezogenen Startfeld. Die Ironman-Organisation erlaubt das ja nicht. Wir bräuchten eine halbe Stunde Vorsprung. – Bei den Männern war es ganz vorn sehr fair in Frankfurt, bei den Frauen nicht, das kann's in der Zukunft nicht sein. Hoffen wir, dass die sich bald was einfallen lassen! tri2b: Das haben Nina Fischer und Katja Schumacher beide übrigens auch gefordert. Beide sind in Frankfurt jedenfalls auch starke Marathons gelaufen. Nina will erst nächstes Jahr nach Kona, aber Katja Schumacher – behältst Du die deshalb im Auge? NK: Ich behalte bestimmt gar keinen im Auge. Ich mache eigentlich grundsätzlich mein Rennen und gönne anderen ihre eigenen Erfolge. Wenn Katja dort besser ist, gratuliere ich ihr gern, wenn nicht ... Nicoles Möglichkeiten sind ja auch nicht von schlechten Eltern. Hawaii hat eigene Gesetze und es zählt der eine Tag. Ich bin davon abgekommen zu glauben, man könnte jedes Mal und auf Abruf ein gutes Rennen machen. Ich glaube, dass ich mich in der Weltspitze etabliert habe, aber was auf Big Island 'rauskommt, steht in den Sternen. Top 5, Top 10, Top 20 … tri2b: Was denn, sonst nichts? NK: Mein Ziel ist ein Platz unter den besten fünf Frauen, aber das ist ja keine Prognose. Viele sagen, ich staple ein bisschen tief, aber das sehe ich nicht so! Man muss auf Hawaii Respekt haben und das Rennen für sich sehen. Wenn ich das Vorjahresergebnis bestätigen könnte (Anmerkg. d. Red.: Nina wurde im Vorjahr Dritte), dann wäre es super und ich wäre total glücklich. Ein Sieg wäre zu hoch gegriffen. Allen kann was passieren: Natascha, Lori Bowden, Karin Thürig, aber eben genauso auch mir ... Hoffen wir dass der Wind nicht wieder so stark wird – ich mache mir keinen Stress und freue mich einfach darauf. tri2b: Paula Newby-Fraser wäre mir noch ein paar Worte wert. Hast Du ihr Finish in Frankfurt wahrgenommen? NK: Ja, sie hatte wohl ziemliche Probleme beim Laufen, oder? Paula hat ihre großen Jahre gehabt und im letzten Jahr war ich ziemlich beeindruckt, wie sie wieder richtig nach oben gekommen ist. – Ich ärgere mich immer ein bisschen, wenn die Reporter und Journalisten sagen: 'Toll, Du hast sogar Paula Newby-Fraser geschlagen'. An Paula ist bisher noch keine 'ran gekommen, nicht mal Natascha. Ich finde es toll, was sie noch macht. Ob ich in Frankfurt auch so gefinisht hätte, keine Ahnung! Beeindruckend ist das jedenfalls – in so einer Situation war ich aber selbst auch noch nicht. tri2b: Glaubst Du, Dir reicht die Luft bis nach Hawaii? Schließlich kann man doch nicht planen, monatelang in solcher Topform zu sein. NK: Naja, ich habe spät begonnen, Ende Mai in Hameln mit dem Sprint. Dann kam Harsewinkel (Anmerkg. d. Red.: auch eine Mitteldistanz). Ich habe dann schon sehr viele Wettkämpfe gemacht, fast jedes Wochenende und Roth war der erste lange. Ich glaube, das mache ich im nächsten Jahr wieder so, dann hat man 'hinten heraus' mehr Luft. – Aber Triathlon von Dezember bis Oktober, das ist schon eine lange Zeit ... tri2b: Ist also was an den Gerüchten von Deinem Rücktritt zum Saisonende? NK: Ach, wer hat das gesagt? Nein, bei diesen Ergebnissen werde ich sicher nicht aufhören – im Gegenteil: Ich werde jedenfalls noch zwei Jahre weitermachen, dann bin ich 35 Jahre und werde es neu überlegen. Der Hintergrund ist wohl, dass ich bis zum Dezember von meinem Arbeitgeber freigestellt bin und noch nicht mit ihm besprochen wurde, dass ich danach noch weiter im Profitriathlon bleiben möchte. Das steht jetzt bald an. Den gesicherten Arbeitsplatz möchte ich gern behalten, aber Triathlon ist bei aller Härte so ein schöner Sport, dass ich auf jeden Fall weitermachen möchte. tri2b: Rechnet sich das denn auch als Beruf? NK: Ich glaube schon. Allerdings muss man dafür auch regelmäßig Preisgelder gewinnen – als Frau in dieser Randsportart. Ich finde toll, was Lothar Leder macht, aber Frankfurt hat mal wieder die Ungleichbehandlung gezeigt: Danach hieß es überall nur 'Lothar, Lothar ...' und von Katja hörte man gar nichts. So ist das immer, ziemlich unfair! Wir kämpfen mindestens ebenso in der Weltspitze mit. tri2b: Da tut es ja gut zu hören, dass Du noch ein paar Jahre dabeibleiben wirst! Wir wünschen Dir für Hawaii viel Spaß und Erfolg und werden das sehr aufmerksam beobachten. Herzlichen Dank für das Gespräch.