Weil auch Triathleten am Kalvarienberg leiden

von Harald Eggebrecht für tri2b.com | 10.04.2020 um 18:21
Passend zum heutigen Karfreitag gibt´s einen kleinen Auszug aus dem Buch "111 Gründe Triathlon zu lieben" von tri2b.com-Inhaber Harald Eggebrecht. Im 46. Grund geht´s um die Leiden der Triathleten am Kalvarienberg. Viele Triathleten haben die hier beschriebenen Kalvarienberge in Greding und Immenstadt sicher schon unter die Pedale genommen und dürften beim Lesen dieser Zeilen sicher ganz spezielle Erinnerungen haben. In der Hoffnung, dass wir bald wieder solche Leidenswege gemeinsam live erleben dürfen ...

Der Name Kalvarienberg steht in der christlichen Welt für den Leidensweg von Gottessohn Jesus. In der Bibelgeschichte trug der gegeiselte Jesus das Kreuz auf die Golgota Anhöhe bei Jerusalem, wo er anschließend gekreuzigt wurde. Das Christentum hat im Gedenken daran an vielen Orten entsprechende Andachtsstätten geschaffen. Auch heute noch kommt deshalb in unserem Kulturkreis die Bezeichnung Kalvarienberg an sehr vielen Orten vor. Allen gemein ist, es geht wie für einen Berg üblich, bergauf.  So hat es der Kalvarienberg auch in zwei weltbekannte Triathlon-Strecken geschafft. Bei der Challenge Roth müssen die Teilnehmer in Greding, am südlichsten Punkt der Radstrecke, über den Kalvarienberg klettern. Seit 1994, als die Rother Radstrecke von drei 60 Kilometer langen Runden auf zwei große 86 Kilometer lange Runden verändert wurde, geht es über den Gredinger Kalvarienberg. Die Leiden in Greding halten sich aber in Grenzen, da der Anstieg nur auf den ersten 300 Metern kurz auf knapp über 10 Prozent Steigung ansteigt. Allerdings zieht sich der Anstieg in die Länge. Über 6,7 Kilometer geht es nahezu durchgehend bergauf. Die 158 Höhenmeter sorgen deshalb vor allem in der zweiten Radrunde des Rother Triathlons, mit bereits gut 120 Kilometern in den Beinen, für erhöhe Lakatwerte in den Oberschenkeln. Zum Glück gibt es dort im Rennen an den ersten steilen Stellen im Ort entsprechend lautstarke Anfeuerung von einem dichten Zuschauer-Spalier, dass die Leiden doch deutlich versüßt. Kurz nach dem Ortsausgang lenkt außerdem im Rennen eine Verpflegungsstelle von den Anstrengungen des Anstiegs etwas ab.

Wenn auch das Maria-Hilf-Ritzel nicht mehr hilft - schiebend über den Immenstädter Kalvarienberg © tri2b.com

 

Ganz anders sieht es in Immenstadt im Oberallgäu aus. Der dortige Kalvarienberg macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Der Anstieg, der beim legendären Allgäu Triathlon auf der Mitteldistanz, dem Allgäu Classic, zweimal gefahren wird, ist zwar nur gut 700 Meter lang, aber die Steigung der Straße neigt sich dafür an einigen Stellen über 16 Prozent steil gegen den Himmel. Erst die letzten gut 200 Meter des Anstiegs sind spürbar flacher. Die Kette wandert hier schnell auf ganz links in Richtung des Maria-Hilf-Ritzels. 25-27 Zähne sollte das größte Ritzel schon haben, um nicht mit zeitlupenähnlicher Trittfrequenz über den Berg zu kommen. So mancher Athlet musste, wegen falscher Übersetzungswahl, einem Schaltfehler oder schlichtweg fehlender Power in den Beinen, schon schiebend über den Immenstädter Kalvarienberg. Das Ganze dann unter den Augen des Publikums, dass hier dicht gedrängt die schwer kämpfenden Triathleten nach oben brüllt. Der Immenstädter Kalvarienberg ist das Stimmungsnest des Allgäu Triathlon schlechthin. So bekommen nicht nur die Beine dort eine saftige Laktatdusche ab, sondern es gibt ordentlich was auf die Ohren, in Form heißen Beats und reichlich Allgäu typischem Kuhschellen-Gebimmel.

Auszug aus:  Harald Eggebrecht - 111 GRÜNDE, TRIATHLON ZU LIEBEN - Eine Liebeserklärung an die schönste Mehrkampfsportart der Welt 256 Seiten | Taschenbuch, ISBN 978-3-86265-675-2, Schwarzkopf & Schwarzkopf